Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
ei
mhd. ei(Iwein, Tristan; L190 Lexer), entweder (wohl erst mittelhochdeutsch unter Einfluß von altfranz. ai, hai, ahi [L059 DWb]) zum erschlossenen indogermanischen Ausruf ai, griech. ai, lat. ei›ach‹, oder diphthongierte Form von (wohl mit "ja" verwandtem) ahd. / mhd. / niederdt. i (↑ "i"[1]) (vgl. L004 Johann Christoph Adelung); frühneuhochdeutsch L327 Voc.Teut.-Lat. (1482), allgemein emphatischer Ausdruck emotionaler Anteilnahme (im positiven wie im negativen Sinne), »Ey / Ein stimm mancherley anmutung oder anfechtung anzeigende« (L200 Josua Maaler 1561), »Der Thon der Stimme des Redenden, giebt diesem Wort die Bedeutung am meisten« (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741);1"S057" Empfindungswort, zugleich (als Gliederungspartikel) Einleitungssignal zur Herstellung von Aufmerksamkeit und Kontakt; ähnlich ↑ "ach"(3); heute nur noch mundartlich , z. B. im Hessischen;
1.1 bei der Anrede (schon mhd. Wolfram von Eschenbach, Parzival; L059 DWb): Ey du fromer vnd getrewer Knecht (A180 Martin Luther, Matthäus 25,21); Ey, Vater, sieh den Hut dort auf der Stange(A222 Friedrich Schiller, Tell 3,3);
1.2 ebenso beim Imperativ, hier auch vergleichbar mit gelegentlich hinzugesetztem abtönendem ↑ "doch"(4.5): Ey denkt doch! (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Nathan 3,10); Ei, ei, laß das sein (L033 Joachim Heinrich Campe);
1.3 im emphatischen Ausruf in Frageform (schon mittelhochdeutsch [Tristan], vielleicht unter Einfluß von franz. eh; L059 DWb) hier auch gleichbedeutend mit emphatischem ↑ "o"(3); mit Fragewort: Ey / welch weise und verstendige Leute sind das (A180 Martin Luther, 5. Mose 4,6); reduplizierend mit (leicht) resignativem Unterton: Ey / ey / ey / ey / was sol ich sagen / Wie hat der Bader so hart gschlagen (1553 A218 Hans Sachs, Fastnachtsspiele 94); ohne Fragewort: ey! schamest du dich nicht! (L169 Matthias Kramer 1702);
1.4 ähnlich in Wunschsätzen: Ei, wär' das Geld nur da, ich fragte gern nicht mehr! (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,85 LH);
1.5 als Ausdruck von Erstaunen, Freude, emphatischer Anteilnahme und Zustimmung (schon mittelhochdeutsch; L059 DWb); vergleichbar ⇑ "ah"(2), "o"(4), ›sieh da, sieh (mal) an‹: Ey ihr seid ein Doctoribus (1668 A095 Andreas Gryphius, Horribilicribrifax 7,56); »Ei« sprach sie, »ei, wie schön und fein! / Das muß ein trefflich Spielzeug sein.« (1847 H.A300 Heinrich Hoffmann, Struwwelpeter); auch alleinstehend: Ei!(A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,103 LH); in Verbindung mit Modalwörtern, hier eher im Sinne von einleitendem ↑ "ja": ei freilich, klüger hättet ihr gethan (Lessing; L059 DWb);
1.6 bei Ablehnung und Widerspruch, hier zumeist ersetzbar durch einleitendes ↑ "aber"(2.9); »Ey / pa / Ein stim wenn wir einen straafend / oder heissend schweigen« (L200 Josua Maaler 1561); Ey nicht doch! (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Der Schatz, 3. Auftritt); Mercur … Madam! Mutter Ei was Madam! Frau Marthe bin ich(A075 Johann Wolfgang von Goethe, 13,1,75), nicht selten reduplizierend: Ey, ey, bey Leibe nicht! (L004 Johann Christoph Adelung), auch in Form der rhetorischen Frage: Ey, mein Kind, wie kann Sie das von mir denken? (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Minna 3,3);
1.7 in Flüchen und Verwünschungen, nicht selten ergänzt durch so: Ey nun schendt vnd plage dich Gott / Du heyloß vnd verfluchtes Weyb (1553 A218 Hans Sachs, Fastnachtsspiele 87); Ey, der Henker! (L004 Johann Christoph Adelung); ei so geh er zum teufel! (L059 DWb); noch in der Redensart Ei, der Daus ↑ "Daus";
1.8 beim Ausdruck von Ärger oder Bedenken, »Ey ey / Wenn einer über einen hon vn zornig ist« (L200 Josua Maaler 1561); zumeist reduplizierend: Ey, du ungeschickter Mensch! (L004 Johann Christoph Adelung); Ey! Ey! Mit solchen edlen Gasten/ War es ein bißchen viel gewagt (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 12,114 LH);
1.9 als Ausdruck von Neugier und Interesse: Ey, ich muß es wissen, wer du bist (L004 Johann Christoph Adelung);
1.10 zur Verstärkung von Ironie und Spott; oft ersetzbar durch o je (⇑ "o"[2], "jemine") oder ↑ "ha"(2): Ei, seht doch den klugen Herrn (L033 Joachim Heinrich Campe); reduplizierend: Ey ey! Herr Kandidat! rief er aus, indem er einen drohenden Finger aufhob (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 25,362 LH);
1.11 zur Verstärkung einer Klage oder flehentlichen Bitte, »ach / o weh« (L105 Georg Henisch 1616): Was macht Annette? Ey, ey! Giebts eine Annette in der Welt? (A075 Johann Wolfgang von Goethe, IV 1,156);
2 als Ausdruck von Zärtlichkeit, z. B. beim Streicheln eines Kleinkindes »Ey / ein stim eines liebkosenden« (L105 Georg Henisch 1616);
3"S079" Gliederungspartikel, äußerungseinleitend, vergleichbar ⇑ "ach"(3), "ja"(3.2), naja (↑ "na"): Ei, sagen Sie mir doch – (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,86 LH); Ei, weißt du was, mein Freund? (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 16,35);
eia mhd. eia (Iwein; L059 DWb), entweder zu griech. eia ›wohlan, frisch‹, lat. eia, oder Zusammensetzung aus eiund ja (»quasi ey ja«; L169 Matthias Kramer 1702), vgl. auch auweia (↑ "au"): Eya! Wären wir da! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 13.2, 294); eija! wie fröhlich / geht mir im busen frisch das herz! / eija! wie selig / fühl' ich versinken erdenschmerz (1818 Arndt; L060 2DWb); in der Form eiapopeia »Ausdruck der wiegenden Bewegung beim Singen eines Wiegenliedes« (L337 WdG): wir herzten, wir drückten, wie innig, wie warm! / und wiegten uns, eia popeia! im arm (1780 G.A.Bürger; L060 2DWb); Eio, popeio, was raschelt im Stroh (Kinderlied); hierzu eien, in der Kindersprache ›liebkosen, streicheln‹; dazu gleichbedeutend ei machen (L059 DWb).
Eiapopeia Neutr. , ›Wiegenlied‹ (1669 Abraham a Santa Clara: aja pupaja; L060 2DWb): Sie sang das alte Entsagungslied, / Das Eiapopeia vom Himmel(Heine; L337 WdG).
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