Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Ehre
ahd. era, mhd. ere, altgermanisch, verwandt mit griech. aidos ›Ehrfurcht (vor den Göttern)‹. Der Plural dient dazu, um ausdrücklich eine Mehrheit von Ehrenbezeigungen anzugeben. Im Mittelhochdeutschen war er wie von anderen Zustandsbezeichnungen (⇑ "Schande", "Freude", "Gnade", "Gunst") häufig, wo wir jetzt den Singular setzen; so noch bei Luther der König der Ehren, alle Lande sind seiner Ehren voll usw.; noch jetzt in/ mit/ zu Ehren, Ehren halber, aller Ehren wert; daher auch Ehren in den meisten Zusammensetzungen: ehrenrührig (1400 Reval; L046 DRWb2,1285); Ehrenhandel, Pl. Ehrenhändel, ›die persönliche Ehre betreffender Streitfall‹ (1510; L060 2DWb); Ehrensache (1534/ 44; L060 2DWb), früher mehrere Ehre entsprechende Bedeutungen, jetzt nur in (das ist doch) Ehrensache!(das ist) selbstverständlich!Sie werden in unserem Betrieb Arbeit finden… Das ist doch Ehrensache, wo Sie bei uns gelernt haben (M.v.d.A093 Max von der Grün, Irrlicht 125); Ehrenwort (1701; L046 DRWb2,1289), sprichwörtlich geworden ist die sogenannte »Ehrenwort«-Pressekonferenz, auf der Ministerpräsident Barschel im September 1987 die deutsche Öffentlichkeit täuschte; seitdem ist Ehrenwort im politischen Sprachgebrauch eher tabuisiert. Ehreist entweder ein besonderer Vorzug, durch den jemand über andere erhoben wird – hierzu die Zusammensetzungen vom Typ Ehrendoktor (1866; L060 2DWb), Ehrenbürger (1734; L060 2DWb), zuvor vereinzelt ›unbescholtener Bürger‹, Ehrenjungfrau (1541 Boner; L060 2DWb), Ehrenrunde (1928; L060 2DWb), heute auch umgangssprachlich ironisierend ›überflüssiger Umweg‹ – oder sie ist nur das Freisein von "Schande", wobei je nach den sozialen Definitionen von Schande Ehre auf alles übertragen werden kann, was die gefestigte Stellung eines Menschen in der Gesellschaft ausmacht: einer Frau die Ehre rauben früher verhüllend ›eine Frau entjungfern‹. Indem sie als etwas Verdientes aufgefaßt wird, erhält sie moralische Bedeutung. Der Begriff der »inneren« Ehre findet sich vereinzelt schon bei Notker (G.Müller, L239 PBB74,314), während auch später im Mittelalter durchaus der äußere Ehrbegriff ›Ruhm, Anerkennung‹ noch vorherrscht. Zuweilen ist Ehresubjektiv ›Ehrgefühl‹, so besonders in Ehre im Leib haben. Bei Schiller die Bühnenvorschrift mit Ehremit Würde‹. Das moralische Moment zeigt sich besonders in Zusammensetzungen und Ableitungen: ehrabschneiden, Ehrabschneider (1475 1. Dt. Bibel; L060 2DWb), ehrbar (s. unten), "ehrerbietig" (↑ "erbieten"), ehrsam (s. unten), ehrenhaft ahd. / mhd. erhaft, Ehrenmann (1470; L060 2DWb), seltener Ehrenfrau (1515 Murner; ebenda), Ehrgefühl (1782; ebenda), Ehrliebe (1599; ebenda), ehrliebend (1525; ebenda), ehrlos, ahd. / mhd. erlos, ehrvergessen (1459 niederdt. erenvorgeten; ebenda). Abgeblaßt ist der ursprüngliche Sinn in
der Wahrheit die Ehre geben. Ich habe die Ehre für sich als Gruß ist besonders österreichisch. Ehren als Titel wie Ehren Loth (G.A.Bürger) scheint durch Mißverständnis hervorgegangen zu sein aus ern, dem obliquen Kasus zu er, der enklitischen Form für "Herr", die im 16. Jahrhundert üblich war. Vgl. L086 GG2,1ff. s. v. Ehre, Reputation.
EhrfurchtScheu, Hochachtung, Respekt‹ (1593; L060 2DWb), ⇓ "S183" rückgebildet aus älterem frühnhd. ehrfürchtiggottesfürchtig, fromm‹ (1550; L060 2DWb). Die neuere allgemeine Bedeutung von ehrfürchtigrespektvoll, hochachtungsvoll‹ ist wohl erst wieder aus Ehrfurcht abgeleitet. ⇓ "S075"
Ehrgeiz (1521; L060 2DWb) die eher positive Bedeutung ›Leistungswille, Erfolgsstreben‹ ist von der negativen ›Sucht nach gesellschaftlicher Anerkennung, Machtgier‹ nicht immer leicht zu trennen. ⇓ "S028" Ohne entsprechenden Kontext, z. B. durch die Adjektive maßlos, verbrecherisch o.ä., dominiert heute die positive Bedeutung, die seit dem 18. Jahrhundert häufiger auftritt.
Ehrwürde ist erst später als ehrwürdig gebildet, speziell als Titel für einen Geistlichen (Ew. Ehrwürden).
ehrbar und
ehrsam"S235" fielen ursprünglich in der Bedeutung mit ehrlich zusammen, vgl. als Beispiele für die ältere Verwendung Joseph von Arimathia / ein erbarer Ratsherr (A180 Martin Luther, Markus 15,43), einem ehrsamen Unternehmen (Goethe), da er diese ehrsame [ehrenvolle] Botschaft empfing (Musäus), eine ehrsame Wunde (Hölderlin). Sie haben sich aber unterschiedlich entwickelt: ehrbar ist jetzt (mit etwas altmodischem Klang) synonym mit "anständig"; ehrsam erscheint nur noch in einigen alten Wendungen wie das ehrsame Handwerk. Zu Ehre
ehren ahd. eren, mhd. eren: Ehret die Frauen! sie flechten und weben / Himmlische Rosen ins irdische Leben (A222 Friedrich Schiller, Würde der Frauen; 2.1,205).  
ehrlich ahd. erlich, mhd. erlich, frühneuhochdeutsch wie mittelhochdeutsch ›durch Ehre vor andern ausgezeichnet, vornehm‹, so öfters bei A180 Martin Luther: da… giengen jm die Bürger entgegen und empfiengen jn ehrlich (1.Makkabäer 11,60), Vnd verhülle seinen Leib / gebürlicher weise / vnd bestate jn ehrlich zum Grabe (Sirach 38,16). Länger behauptet sich die attributive Beziehung auf die gewöhnliche bürgerliche Ehre, das Freisein von Schande; noch jetzt ehrlicher Name, ehrliches Begräbnis; nach älterer Rechtsanschauung gibt es eine Klasse von unehrlichen Leuten. Daher ist ehrlichanständig‹, ›geziemend‹: in meiner Stube solls ehrlich und ordentlich zugehen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Götz 1,1); auch mit Dativ: und ist ihm ehrlich, daß er Untugend überhören kann(Luther); auch ›anständig, nicht unbeträchtlich‹: wir haben schon was Ehrliches zusammen durchgeschwätzt (Goethe). Von Personen ›sich anständig benehmend‹, seit dem 17. Jahrhundert vorherrschend (L060 2DWb), besonders ›aufrichtig‹: Seien wir ehrlich: Wir haben weniger Angst um unser Leben als davor,… zu verlieren, was wir… angeschafft haben(M.v.d.A093 Max von der Grün, Irrlicht 24). Jetzt fast immer als Gegensatz zu betrügerisch, "falsch" oder "diebisch", früher auch in bezug auf eheliche Treue gebraucht.
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