Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
eh
1 Adverb, Kurzform von ehe (↑ "eher"), zumeist in der Schreibung eh': Eh' hab ich aller Welt, als Ihnen, was verschwiegen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,81 LH); aber Anton ist fort auf Sturmesschwingen, im Hui und eh' er's gedacht (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 214). Was in der Regel zeitlich vor einer Sache geschieht und insofern vorausgesetzt werden kann, mag später als etwas Unabänderliches, Hinzunehmendes betrachtet worden sein; daher (wohl ebenfalls zu ↑ "eher") schon im 19. Jahrhundert, zumeist in beschwichtigenden Antworten, der Gebrauch als2 Abtönungspartikel, ursprünglich süddeutsch und österreichisch, ›Sprecher kennzeichnet den thematisierten Sachverhalt als eine unabhängig von den (im Kontext angesprochenen) konkreten Umständen bestehende oder eintretende und insofern hinzunehmende Tatsache‹, synonym ⇑ "ohnehin", "sowieso" (häufig ergänzt durch schon) (vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–56): kopfeinbinden is a hauptsach für die haar'viel hab' ich eh nicht, aber schön sein's halt (1848 Nestroy; L060 2DWb); Mit'm Nachtmahlen ist's eh nichts, mit dem Kaffeehaus auch nichts(A230 Arthur Schnitzler, Leutnant Gustl 351); Die Kokotten sind ausgestorben, die süßen Mädeln hat es in angelsächsischen und anderen Ländern technischer Zivilisation eh nicht gegeben (A001 Theodor W. Adorno, Minima 31); in dieser Bedeutung ⇓ "S211" studentensprachliches ⇓ "S139" Modewort in den 1970er und 80er Jahren; auch als
3"S057" Empfindungswort (1837 Tobler; L059 DWb), entweder Nebenform zu ↑ "ei" (niederdt. ↑ "i", ih), ↑ "he", ↑ 3"je" (vgl. je nun) oder entlehnt aus gleichbedeutend franz. eh (L059 DWb; L060 2DWb), für die erstere Erklärung spricht sein Nachweis bereits für Ende des 15. Jahrhunderts im Oberdeutschen und bei Luther, für die letztere der Einfluß des Französischen im 18. Jahrhundert und das Fehlen von Belegen in der Zwischenzeit; zumeist Ersetzung durch ei möglich: »ei klingt traulicher, eh fremder, ei hat gröszern nachdruck, ehist dünner, schwächer« (L059 DWb);
3.1 Ausdruck freundlicher Ermunterung bzw. Ablehnung ›ach, ei‹ (⇑ "ach", "ei"): eh bruoder fuchs, suoch herfür aine von den hundert künsten (um 1477 Steinhöwel; L060 2DWb); Eh, sprich den Vater an! (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,49 LH); Eh, wartet doch noch; wie, sagtet Ihr, waren die Namen? (A099 Peter Hacks, Fünf Stücke [1965] 77); v. a. in der Verbindung eh nunnaja, nun ja‹ (⇑ "na", "nun"): Eh nun! heirathen wir eben! / Das Übrige wird sich geben (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 2,273 LH); auf französischen Einfluß deutet die Verwendung von eh nein: Alcest. Und ging es nicht? Soller. Eh nein! Im kopfe druckt es mich / Gewaltig (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,103 LH);
3.2 Ausdruck eher zurückhaltenden Akzeptierens, Sichabfindens: ehe, er hat mir keine schrifft [zum Beweis seiner Behauptung] furbracht (Luther; L060 2DWb); Alcest. Er sagte, daß Sie das – Sophie. Nun! das! Alcest. Eh nun! daß Siedaß Sie das Geld genommen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,100 LH);
3.3 am Satzende, bestätigungheischend (oft mit Übergabe des Rederechts): beim nachhausekommen vor der gartentür sagte er, während er das rad an sattel und lenker hielt und darauf finster niederblickte: muß dein eigenes sein, eh? (Johnson; L060 2DWb); dieser Gebrauch deutet auf eine Verbindung zu ↑ "he".
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: eh