Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Ego
< gleichbedeutend lat. ego, ›das Ich, die eigene Person‹ (1771; L060 2DWb). Voraus gehen diverse Ableitungen, die direkt auf lat. egozurückzuführen sind.Egoist 1719 von C.Wolff als ⇓ "S168" philosophischer Terminus
1 ›Anhänger einer philosophischen Richtung, die nur dem Ich Wirklichkeit zugesteht, Solipsist‹: Daher auch die allerseltsamste Secte der Egoisten, die vor weniger Zeit in Paris entstanden (L081 FWb). Zuvor schreibt schon J.B.Mencke in einem lateinischen Text von angeblich in Paris existierenden egoistae. Diese Bedeutung von Egoist tritt schon im 18. Jahrhundert mehr und mehr gegenüber (2) zurück und wird im 19. Jahrhundert verdrängt. Die heute auch allgemeinsprachlich dominierende Bedeutung
2 ›Selbstsüchtiger, jmd. , dem Eigennutz über alles geht‹ wird von Hagedorn 1729 vorbereitet: So sieht man jederzeit die neuen Egoisten / Sich in dem süssen Traum der Eigenliebe brüsten und von I.Kant begrifflich bestimmt. Er definiert drei Arten des Egoismus: Gegenüber dem logischen und ästhetischen Egoisten, die wir heute als Egozentriker (s. unten) bezeichnen würden, grenzt er den moralischen Egoisten ab: der moralische Egoist [ist] der, welcher alle Zwecke auf sich selbst einschränkt, der keinen Nutzen worin sieht, als in dem, was ihm nützt (I.A153 Immanuel Kant, Anthropologie §2; AA 7,130). Bei A075 Johann Wolfgang von Goethe herrscht dieser Begriff des Egoisten schon vor: der Teufel ist ein Egoist / Und tut nicht leicht um Gottes Willen / Was einem andern nützlich ist (Faust I,1651), ebenso bei Schleiermacher. Dazu
Egoismus, das sich in seiner Bedeutungsgeschichte an Egoistanlehnt. Im moralischen Sinne von
1 ›Selbstsucht‹ zuerst 1766 in einem Brief Kants, dann begrifflich bestimmt: der Egoism kann dreierlei Anmaßungen erhalten: die des Verstandes, des Geschmacks und des praktischen Interesse (I.A153 Immanuel Kant, AA 7,128). 1819 ist Egoismus zentraler Begriff der Ethik bei A231 Arthur Schopenhauer (Welt als Wille und Vorstellung §61). ⇓ "S032" Von Freud dafür "Narzißmus": Narzißmus und Egoismus fallen ja zusammen; das Wort »Narzißmus« will nur betonen, daß der Egoismus auch ein libidinöses Phänomen ist (1917 S.A063 Sigmund Freud III,180). Der ⇓ "S168" philosophische Begriff Egoismus
2 ›Solipsismus‹, ›Lehre, die allein dem Ich Wirklichkeit zugesteht‹ zuerst 1772 (L059 DWb), zuvor schon lateinisch C.M.Pfaff Oratio de egoismo (L138 HWbPh). Ein letztes Aufscheinen der Bedeutung noch bei A231 Arthur Schopenhauer (Welt als Wille und Vorstellung §19). »Soll im 19. Jahrhundert Egoismus in einem Sinne verstanden werden, der sich auf die Realität bzw. Erkennbarkeit der Außenwelt bezieht, so werden in der Regel Epitheta wie ›theoretisch‹ oder ›metaphysisch‹ hinzugefügt« (L138 HWbPh). Sowohl Egoismus als auch Egoist dürfen als Begriffsbildungen aus dem Dunstkreis der deutschen, von C.Wolff beeinflußten Philosophie angesehen werden (L138 HWbPh); englische und französische Belege erst später. Dazu egoistisch (1779 Musäus; L060 2DWb).
Egozentrismus < franz. égocentrisme (1896; L060 2DWb) ›die Einstellung eines in seiner eigenen Welt befangenen Menschen, der die Umwelt nur von seinem Standpunkt aus erfährt und beurteilt‹. I.Kant hatte dieses Phänomen als ästhetischen und logischen Egoismus (s. Egoist) definiert. »Der Begriff Egozentrismus besitzt vor allem in der ⇓ "S180" Psychologie und der Psychopathologie eine Tradition [Adler, Piaget], er begegnet aber auch als wertphilosophische Kategorie« (L138 HWbPh). Dazu Egozentrik (1934), Egozentriker (1958), egozentrisch (1908; alle L060 2DWb), mit abweichender Bedeutung: Im Denken der Menschen über sich selbst wurde das geozentrische Weltbild weitgehend in einem egozentrischen aufgehoben (N.A048 Norbert Elias, Prozeß, Einl. LIII). Selten sind
Egotismus,
Egotist (beide 1745 G.F.Meier; L081 FWb) < ⇓ "S059" engl. egotism (1714 Addison; L138 HWbPh), das sich im 18./ 19. Jahrhundert in seiner Begriffsbestimmung weitgehend mit Egoist(1) deckt. Neuere Belege vor allem in Anlehnung an Stendhal, der franz. égotisme 1832 die neue Bedeutung ›Ichkult, Individualismus‹ gibt: der egotist, dem die bürgerliche dekadenz und der bürgerliche imperialismus sich verbunden fühlten (1954 Klemperer; L060 2DWb). Eine ⇓ "S149" junge Zusammensetzungen mit Egoist
Egotrip (L322 UWb) < gleichbedeutend engl. ego-trip umgangssprachlich ›egozentrische oder egoistische Lebensführung, die (wie ein Trip) eher vorübergehender Natur ist‹, nach L177 Heinz Küpper seit Anfang der 70er Jahre.
1 ›Anhänger einer philosophischen Richtung, die nur dem Ich Wirklichkeit zugesteht, Solipsist‹: Daher auch die allerseltsamste Secte der Egoisten, die vor weniger Zeit in Paris entstanden (L081 FWb). Zuvor schreibt schon J.B.Mencke in einem lateinischen Text von angeblich in Paris existierenden egoistae. Diese Bedeutung von Egoist tritt schon im 18. Jahrhundert mehr und mehr gegenüber (2) zurück und wird im 19. Jahrhundert verdrängt. Die heute auch allgemeinsprachlich dominierende Bedeutung
2 ›Selbstsüchtiger, jmd. , dem Eigennutz über alles geht‹ wird von Hagedorn 1729 vorbereitet: So sieht man jederzeit die neuen Egoisten / Sich in dem süssen Traum der Eigenliebe brüsten und von I.Kant begrifflich bestimmt. Er definiert drei Arten des Egoismus: Gegenüber dem logischen und ästhetischen Egoisten, die wir heute als Egozentriker (s. unten) bezeichnen würden, grenzt er den moralischen Egoisten ab: der moralische Egoist [ist] der, welcher alle Zwecke auf sich selbst einschränkt, der keinen Nutzen worin sieht, als in dem, was ihm nützt (I.A153 Immanuel Kant, Anthropologie §2; AA 7,130). Bei A075 Johann Wolfgang von Goethe herrscht dieser Begriff des Egoisten schon vor: der Teufel ist ein Egoist / Und tut nicht leicht um Gottes Willen / Was einem andern nützlich ist (Faust I,1651), ebenso bei Schleiermacher. Dazu
Egoismus, das sich in seiner Bedeutungsgeschichte an Egoistanlehnt. Im moralischen Sinne von
1 ›Selbstsucht‹ zuerst 1766 in einem Brief Kants, dann begrifflich bestimmt: der Egoism kann dreierlei Anmaßungen erhalten: die des Verstandes, des Geschmacks und des praktischen Interesse (I.A153 Immanuel Kant, AA 7,128). 1819 ist Egoismus zentraler Begriff der Ethik bei A231 Arthur Schopenhauer (Welt als Wille und Vorstellung §61). ⇓ "S032" Von Freud dafür "Narzißmus": Narzißmus und Egoismus fallen ja zusammen; das Wort »Narzißmus« will nur betonen, daß der Egoismus auch ein libidinöses Phänomen ist (1917 S.A063 Sigmund Freud III,180). Der ⇓ "S168" philosophische Begriff Egoismus
2 ›Solipsismus‹, ›Lehre, die allein dem Ich Wirklichkeit zugesteht‹ zuerst 1772 (L059 DWb), zuvor schon lateinisch C.M.Pfaff Oratio de egoismo (L138 HWbPh). Ein letztes Aufscheinen der Bedeutung noch bei A231 Arthur Schopenhauer (Welt als Wille und Vorstellung §19). »Soll im 19. Jahrhundert Egoismus in einem Sinne verstanden werden, der sich auf die Realität bzw. Erkennbarkeit der Außenwelt bezieht, so werden in der Regel Epitheta wie ›theoretisch‹ oder ›metaphysisch‹ hinzugefügt« (L138 HWbPh). Sowohl Egoismus als auch Egoist dürfen als Begriffsbildungen aus dem Dunstkreis der deutschen, von C.Wolff beeinflußten Philosophie angesehen werden (L138 HWbPh); englische und französische Belege erst später. Dazu egoistisch (1779 Musäus; L060 2DWb).
Egozentrismus < franz. égocentrisme (1896; L060 2DWb) ›die Einstellung eines in seiner eigenen Welt befangenen Menschen, der die Umwelt nur von seinem Standpunkt aus erfährt und beurteilt‹. I.Kant hatte dieses Phänomen als ästhetischen und logischen Egoismus (s. Egoist) definiert. »Der Begriff Egozentrismus besitzt vor allem in der ⇓ "S180" Psychologie und der Psychopathologie eine Tradition [Adler, Piaget], er begegnet aber auch als wertphilosophische Kategorie« (L138 HWbPh). Dazu Egozentrik (1934), Egozentriker (1958), egozentrisch (1908; alle L060 2DWb), mit abweichender Bedeutung: Im Denken der Menschen über sich selbst wurde das geozentrische Weltbild weitgehend in einem egozentrischen aufgehoben (N.A048 Norbert Elias, Prozeß, Einl. LIII). Selten sind
Egotismus,
Egotist (beide 1745 G.F.Meier; L081 FWb) < ⇓ "S059" engl. egotism (1714 Addison; L138 HWbPh), das sich im 18./ 19. Jahrhundert in seiner Begriffsbestimmung weitgehend mit Egoist(1) deckt. Neuere Belege vor allem in Anlehnung an Stendhal, der franz. égotisme 1832 die neue Bedeutung ›Ichkult, Individualismus‹ gibt: der egotist, dem die bürgerliche dekadenz und der bürgerliche imperialismus sich verbunden fühlten (1954 Klemperer; L060 2DWb). Eine ⇓ "S149" junge Zusammensetzungen mit Egoist
Egotrip (L322 UWb) < gleichbedeutend engl. ego-trip umgangssprachlich ›egozentrische oder egoistische Lebensführung, die (wie ein Trip) eher vorübergehender Natur ist‹, nach L177 Heinz Küpper seit Anfang der 70er Jahre.