Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
dünken
frühneuhochdeutsch und oberdeutsch auch dunken, altgermanisch (engl. think), verwandt mit "denken". Im Mittelhochdeutschen lautet das Präteritum duhte, Konjunktiv diuhte, das Partizip geduht (vgl. denkendahte), woraus sich neuhochdeutsch dauchte, deuchte, gedaucht entwickeln mußten, die im Frühneuhochdeutschen noch vorliegen. An ihre Stelle sind Analogiebildungen nach dem Präsens getreten: dünkte, gedünkt. Andererseits ist umgekehrt durch Angleichung an das Präteritum im Präsens eine Form mich deucht (däucht) entstanden (schon bei Luther), welche dann wieder veranlaßt hat, daß sich im Präteritum deuchte neben dünkte erhalten hat, nun auch in den Indikativ übertragen, wonach auch das Partizip gedaucht zu gedeucht umgebildet ist. Zu deucht ist auch ein Infinitiv deuchten gebildet, danach wieder deuchtet (neben deucht), beides im 18. Jahrhundert üblich, inzwischen außer Gebrauch. Die Konstruktion mit dem Akkusativ herrscht althochdeutsch und mittelhochdeutsch vor und ist frühneuhochdeutsch allein gültig, doch kommt seit dem 18. Jahrhundert (wohl nach mir scheint) auch der Dativ wieder vor. Allgemein steht als Subjekt ein Satz: mich dünkt, er ist zufriedendaß er zufrieden ist. Nur vereinzelt kommt es vor, daß die Person zum Subjekt gemacht wird, so daß dünken nun ›glauben‹ bedeutet, so einmal bei A075 Johann Wolfgang von Goethe (Faust II,7772) verdienst du's besser? dünk es nicht. Nicht hierher gehören reflexive Wendungen wie die sich klug dünken (Luther), dies bedeutet vielmehr ›die sich klug vorkommen‹; entsprechend um selbst ein Topf von Silber sich zu dünken (Lessing), sie dünken sich Ordner des Hauses (Voß), jeder dünkte sich etwas(Goethe); jetzt nicht mehr üblich mit auf: das sind keine Schlüsse, wodurch wir uns auf unsere Einsicht etwas dünken (›einbilden‹) könnten (I.Kant), der sich auf den Leichtsinn und die Schwachheit etwas dünkte (H.Jacobi). Häufig bei Luther, jetzt veraltet ist sich dünken lassenmeinen‹. Wo wir jetzt den Infinitiv mit zugebrauchen, hat Luther noch den bloßen Infinitiv dünket euch das ein Geringes sein? Mit anderen Infinitiven als seinist dünken nicht recht gebräuchlich, doch vgl. ich dünke mich hierüber verständliche Dinge gesagt zu haben(Lessing), er dünkte sich als Mann zu handeln (W.Alexis); ferner Fälle, in denen zu dünken kein Subjekt gesetzt ist und das Subjekt zu dem Infinitiv auch dem Akkusativ neben dünken zu entnehmen ist: wo er hinblickt, dünkt ihn den Schatten seiner Panthea dahinschlüpfen zu sehen (Wieland), mich dünkt bereits die erste [Schwierigkeit] gehoben zu sehen (Lessing), von seinem Satz an über den Rhodan dünkt mich in jeder Schlacht nur ein Olympisches Faustbalgerspiel zu sehen (Heinse). Dazu (mhd. ) bedünken, nicht wesentlich verschieden von einfachem dünken, seit Ende des 19. Jahrhunderts veraltet. Auf die lateinische Konstruktion des Akkusativs mit dem Infinitiv ging zurück die Konstruktion mit zu und dem Infinitiv: die mich die nächste zu sein bedünkte (Lessing). In antiquiert-gehobener Sprache noch im 19. Jahrhundert es will mich bedünken, nach meinem Bedünken, meines Bedünkens. Wie neben dünken steht zuweilen der Dativ statt des Akkusativs.Dünkel erst im 16. Jahrhundert statt des mittelhochdeutschen dunczu dünken, ursprünglich
1.1das Bedünken, die Meinung‹, vgl. allen, die nach ihres Herzens Dünkel wandeln (Luther), was sie [die Vorsehung] winkt, geschieht auch wider unsern Dünkel (Günther), nach eignem Dünkel mit den fürstlichen Geldern verfahren (Klinger), nach meinem Dünkel (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit 26,228,8), soll alles denn nach deinem Dünkel nur(Grillparzer);
1.2 frühneuhochdeutsch beginnend, in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts stark zunehmend, speziell ›zu hohe Meinung, die jmd. von sich selbst hat‹. Davon ein seltenes Verb dünkeln, von Goethe erneuert: und dünkelt ihm, es wär kein Ehr und Gunst, die nicht zu pflücken wär (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2630), jener Brut, die den Namen Menschen führet und sich Herrn der Schöpfung dünkelt (Heine), auch mit der Person als Subjekt ›sich einbilden‹: dann dünkeln sie, es käm' aus eignem Schopf (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust II,6748). Zu Dünkel(1.2)
dünkelhaft 1774 Klopstock (L060 2DWb).
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