Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
dringen
ahd. dringan (urverwandt litauisch treñkti ›dröhnend stoßen‹), gemeingermanisches starkes Verb; ursprünglich transitiv, schon mittelhochdeutsch auch intransitiv, bis ins 18. Jahrhundert im Präteritum auch drung;1 transitiv im 19. Jahrhundert von "drängen" abgelöst, zunächst v. a. vom Schlachtgetümmel: Salatin… uf den lantgraven wart gedrungen (L320 Trübner), allgemeiner ›zwingen‹, zuerst in der eigentlichen Bedeutung: die Amoriter drangen die Kinder Dans aufs Gebirge (Luther), dann auch in der übertragenen Bedeutung ›nötigen‹, noch im 18. Jahrhundert ganz üblich: also drang sie die Liebe zu Christus (Klopstock), die Stunde dringt (Schiller), sie sehen, daß es dringt (›dringend ist‹) (Schiller), ebenso reflexiv noch im 18. Jahrhundert: der sich an mich mit allen Kräften drang (Goethe), entsprechend die Zusammensetzungen: noch bei Keller es ihr noch auf der Treppe aufdringen zu können; daß der widrige Gebrauch die Vernunft nicht aus ihrem Rechte verdringen kann (Lessing), verdrungen von einer Nebenbuhlerin(Schiller) ⇑ "aufdrängen", "verdrängen"; daneben und seit dem 19. Jahrhundert nur noch
2 intransitiv, wenn zur Erreichung eines Ziels Widerstand zu überwinden ist, von Flüssigkeiten: das Wasser dringet durch das Dach (L004 Johann Christoph Adelung), von Tönen: Das Lied, das aus der Kehle dringt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Der Sänger),
das dringt durch Mark und Bein (nach A180 Martin Luther, Hebräer 4,12) von einem sehr lauten Geräusch, von Licht: Emanuel schauete still in die sonne, die tiefer in die erde drang (Jean Paul; L059 DWb); präpositional mit auf: weil nu der Carlstadt auf äuszerliche werk dringet und treibet (Luther; L059 DWb), bis ins 18. Jahrhundert auch auf Personen bezogen auf einen dringen (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch), mit injmdm. zureden, jmdn. überreden‹: Sie merkte auf, drang in mich, und ich gestand (Goethe; L059 DWb), Dringen sie nicht so in mich (L004 Johann Christoph Adelung); Zusammensetzungen durchdringen, eindringen, vordringen; transitiver Gebrauch erhalten in
dringend Partizipialadjektiv; ursprünglich nach dringen(1): Tringende armut (L200 Josua Maaler), so auch noch bei L004 Johann Christoph Adelung: Das würde ich auch in der dringendsten Noth nicht thun; dann auch wie heute nur noch übertragen im Sinne von ›wichtig und schnell zu erledigen‹ (↑ "schnell"): dringende/ nothwendige besserung (L105 Georg Henisch), dringende Nothwendigkeit (L308 Kaspar Stieler); nicht-prädikativ übertragen ›inständig‹, nachdrücklich im Superlativ aufs dringendste empfohlen (Schiller; L059 DWb), zur Bekräftigung einer Bitte Ich möchte dich dringend bitten(vgl. L059 DWb); im Sinne von ›überzeugend‹: der schlusz scheint dringend und richtig zu sein (I.Kant; L059 DWb), ›nötigIch brauchte ihn wirklich dringend(A215 Rainer Maria Rilke, Aufzeichnungen 794); heute als ⇓ "S181" rechtssprachliche Formel er ist dringend verdächtig, es besteht dringender Verdacht;
dringlich (L327 Voc.Teut.-Lat. 1482) wie dringendwichtig‹, mit dem Begriff der Schnelligkeit: Daß Dringliches Monate lang liegen bleibt (Gotthelf; L264 Daniel Sanders), im Sinne von ›inständigals sie Sie dringlich bat (Lewald; L264 Daniel Sanders), in Zusammensetzungen "aufdringlich", eindringlich, zudringlich von Personen, dagegen bei Goethe: wegen äußerer Zudringlichkeitendrängender Umstände‹;
gedrungen (1511 Geiler von Keisersberg) adjektivisches Partizip Perfekt von dringen; ›zusammengedrängt‹, zunächst und so heute ausschließlich vom Körperbau: mit seiner breitschultrigen gedrungenen figur (Jean Paul; L059 DWb), bis ins 18. Jahrhundert auch adverbial wie heute gedrängt (↑ "drängen"): gedrungen voll (Günther; L059 DWb), übertragen erhalten in ↑ "notgedrungen". ⇑ "Drang", "Gedränge".
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