Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Ding
ahd. thing, gemeingermanisch (engl. thing).1 Die älteste Bedeutung ist ›(gehegte, gefriedete) Volksversammlung‹, auch zur ⇓ "S181" Gerichtsverhandlung, dann überhaupt ›Verhandlung, Versammlung‹ (der alte Sinn der konkreten ›Hegung‹ noch im entlehnten finn. tanhua ›Hürde‹?). In diesem Sinn ist es noch im Mittelhochdeutschen üblich und danach in rechtsgeschichtlichen Werken; vgl. dazu die verwandten Wörter dingen (s. unten), "bedingen" usw., "verteidigen" (vgl. L046 DRWb2,933ff.).
2 Daraus entwickelt sich (schon althochdeutsch) die Bedeutung ›Angelegenheit‹, ›Sache‹, oft mit Plural, vgl. sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Dinge beschicken (Luther), der Glaube ist nicht jedermanns Ding(Luther). Hierher gehört das ist ein ander Ding, geschehene Dinge, vor (zu, in) allen Dingen, guter Dinge sein, mit rechten Dingen, unverrichteter Dinge. Der letztgenannten Verbindung stand früher eine große Anzahl solcher adverbialen Genitive zur Seite. Mit Verkürzung und sekundärem Antritt eines ssind aus solchen entstanden "allerdings", "neuerdings" (noch bei Wieland neuer Dinge), "platterdings", "schlechterdings"; Lessing gebraucht auch freier Dings, frischerdings.
3 Spätalthochdeutsch erscheint die jetzt vorherrschende Bedeutung von Dingsubstantielle Sache, Gegenstand‹. Hinsichtlich dieser Bedeutungsentwicklung ist "Sache" und lateinisch und romanisch causazu vergleichen. Auch von Tieren und Menschen, besonders Kindern und Mädchen wird Ding herablassend gebraucht: dem kleinen ding [der prinzessin] als ein diener aufzuwarten? (1620; L060 2DWb); ein leichtsinniger Bube, der ein halb Schock arme junge Dinger verführet hat (Weiße; L004 Johann Christoph Adelung). Ein solcher Nebensinn, mag es sich auf Personen oder Sachen beziehen, liegt jetzt immer in dem ⇓ "S173" Plural Dinger; in älterer Zeit ist dies noch nicht der Fall, vgl. vor Warten der Dinger (verändert in Dinge), die kommen sollen (A180 Martin Luther, Lukas 21,26). In der Gaunersprache ein Ding dreheneinen Einbruch oder dgl. ausführender Junge steht Schmiere, die drehen ein Ding (A040 Alfred Döblin, Alexanderplatz 167); danach dann gemildert auch umgangssprachlich. Mundartlich im niederen Stil auch in der Literatur, wird vielfach der Genitiv Dings als Nominativ/ Akkusativ gebraucht, ein Gebrauch, der ausgegangen ist von mittelhochdeutschen Verbindungen wie vil dinges (noch bei Luther), niht dinges (kein Ding), waz dinges (was für ein Ding). Am häufigsten wird umgangssprachlich Dings angewendet, gewöhnlich mit angehängtem da, anstelle einer Bezeichnung, auf die man sich im Augenblick nicht besinnen kann, vgl. der Dings (L292 Joannes Serranus 1552); Dingsda: von dingsda… , von Amerika (1832 Mörike; L060 2DWb), auch Dingskirchen (L318 C. F. Trachsel 1873).
dingen (ahd. ) ursprünglich schwaches Verb; starke Formen kommen seit dem 17. Jahrhundert vor, das starke Partizip Prät. gedungen hat sich erhalten, das starke Präteritum dangist ungebräuchlich. Die ursprüngliche Bedeutung ›(gerichtlich) verhandeln‹ kommt bis Anfang des 19. Jahrhunderts noch zuweilen vor, vgl. "bedingen".Es erscheint noch in gehobener Sprache in dem speziellen Sinn ›jmdn. durch ausgemachten Lohn zu seiner Verfügung gewinnen‹ mit Akkusativ der Person (ein gedungener Mörder); veraltet ist Akkusativ der Sache, vgl. Wagen und Reiter zu dingen (Luther).
dingfest nur in der Wendung jmdn. dingfest machenfestnehmen‹, nicht vor 1852 belegt (L164 Friedrich Kluge). Gegenwort zu veraltet dingflüchtig (mittelhochdeutsch) ›wer sich dem Gericht entzieht‹.
dinglichSachen (nicht Personen) betreffend‹. ↑ "verdinglichen".
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