Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
dichten
⇢ "dicht"2 ⇓ "S087" ahd. dihton, tihton auf altgermanischer Grundlage (altengl. dihtan›ordnen, herrichten‹, mhd. tichen ›schaffen‹) ⇓ "S024" nach lat. dictare mit der mittellateinischen Bedeutung ›abfassen‹, seit dem 17. Jahrhundert auf die Abfassung poetischer Werke beschränkt; übertragen ›sinnen, aussinnen‹, vgl. zum Glück hilft ein Korb ihm eine Antwort dichten (Wieland), wer sich über Wolken seinesgleichen dichtet (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust II,11444), jetzt hauptsächlich noch in dichten und trachten (nach A180 Martin Luther, 1.Mose 6,5) und in erdichten.Dazu ↑ "Gedicht".
Dichter mhd. tihtære, wofür "Poet" eintritt, bis im 18. Jahrhundert Dichter durch Gottsched und die Schweizer wieder eingeführt wird: »in der anständigern Schreib- und Sprechart… für das verächtlich gewordene Poet« (L003 Johann Christoph Adelung 1774). Im 16. und 17. Jahrhundert auch allgemein ›Verfasser‹. Vgl. "Schriftsteller". Als Zusammensetzung "Tondichter" (s. unten Tondichtung). Der schlagwortartige Ausdruck Das Volk der Dichter und Denker hat eine Vorstufe in Musäus (1782): das enthusiastische Volk unserer Denker, Dichter, Schweber, Seher (L181 Otto Ladendorf); die Verbindung dichten und denken 1797 in A222 Friedrich Schillers Distichon ›Poetischer Dilettant‹: Weil ein Vers dir gelingt in einer gebildeten Sprache, / Die für dich dichtet und denkt, glaubst du schon Dichter zu sein (Nationalausgabe 1,302); in umgekehrter Reihenfolge vorher A075 Johann Wolfgang von Goethe: Frei will ich sein im Denken und im Dichten (Tasso 2305); die ⇓ "S007" Formel Dichter und Denker bei Jean Paul (L360 ZDW8,124), Gutzkow (L181 Otto Ladendorf), später bei Haym, Treitschke u. a.; umgekehrt wieder A075 Johann Wolfgang von Goethe: Er[Lavater] war weder Denker noch Dichter (Dichtung und Wahrheit 29,144,18); 1870 nennt V.Hugo die Deutschen cette nation de penseurs, vgl. L360 ZDW8 (1906/ 07),5, ebenda (Volk der) Dichter und Denker.
Dichtersprache ⇓ "S208" ›von Dichtern bewußt geformte, gepflegte Sprache‹ die Sprache des gemeinen Lebens… die Philosophische Sprache… die höchste Dichtersprache (1767 A121 Johann Gottfried Herder, 1,388); mittelhochdeutsche, italienische Dichtersprache, vgl. "Literatursprache".
dichterisch (1668 Zesen; L060 2DWb), dichterische Freiheit nach Seneca Poeticam istud licentiam decet (›Das gehört zur dichterischen Freiheit‹), vgl. L027 Büchmann.
Dichterling (1697; L060 2DWb) ⇓ "S166" abschätzig wie Dichteritis (L181 Otto Ladendorf).
Dichtung (15. Jahrhundert) ⇓ "S127" ›poetisches Werk‹, häufiger im 18. Jahrhundert, im Titel Goethe, Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit (1811). L139 HWbRhet 2,668ff.; dazu
Tondichtung (1829 L.Börne, Die Vestalin, Gesammelte Schriften, 1, IV.); das Gedicht ist Musik geworden. Für Dichtungen erhalten wir Tondichtungen (Chrysander, G.F.Händel, I,331 [1858]); vgl. älteres ↑ "Tondichter".
Dichter mhd. tihtære, wofür "Poet" eintritt, bis im 18. Jahrhundert Dichter durch Gottsched und die Schweizer wieder eingeführt wird: »in der anständigern Schreib- und Sprechart… für das verächtlich gewordene Poet« (L003 Johann Christoph Adelung 1774). Im 16. und 17. Jahrhundert auch allgemein ›Verfasser‹. Vgl. "Schriftsteller". Als Zusammensetzung "Tondichter" (s. unten Tondichtung). Der schlagwortartige Ausdruck Das Volk der Dichter und Denker hat eine Vorstufe in Musäus (1782): das enthusiastische Volk unserer Denker, Dichter, Schweber, Seher (L181 Otto Ladendorf); die Verbindung dichten und denken 1797 in A222 Friedrich Schillers Distichon ›Poetischer Dilettant‹: Weil ein Vers dir gelingt in einer gebildeten Sprache, / Die für dich dichtet und denkt, glaubst du schon Dichter zu sein (Nationalausgabe 1,302); in umgekehrter Reihenfolge vorher A075 Johann Wolfgang von Goethe: Frei will ich sein im Denken und im Dichten (Tasso 2305); die ⇓ "S007" Formel Dichter und Denker bei Jean Paul (L360 ZDW8,124), Gutzkow (L181 Otto Ladendorf), später bei Haym, Treitschke u. a.; umgekehrt wieder A075 Johann Wolfgang von Goethe: Er[Lavater] war weder Denker noch Dichter (Dichtung und Wahrheit 29,144,18); 1870 nennt V.Hugo die Deutschen cette nation de penseurs, vgl. L360 ZDW8 (1906/ 07),5, ebenda (Volk der) Dichter und Denker.
Dichtersprache ⇓ "S208" ›von Dichtern bewußt geformte, gepflegte Sprache‹ die Sprache des gemeinen Lebens… die Philosophische Sprache… die höchste Dichtersprache (1767 A121 Johann Gottfried Herder, 1,388); mittelhochdeutsche, italienische Dichtersprache, vgl. "Literatursprache".
dichterisch (1668 Zesen; L060 2DWb), dichterische Freiheit nach Seneca Poeticam istud licentiam decet (›Das gehört zur dichterischen Freiheit‹), vgl. L027 Büchmann.
Dichterling (1697; L060 2DWb) ⇓ "S166" abschätzig wie Dichteritis (L181 Otto Ladendorf).
Dichtung (15. Jahrhundert) ⇓ "S127" ›poetisches Werk‹, häufiger im 18. Jahrhundert, im Titel Goethe, Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit (1811). L139 HWbRhet 2,668ff.; dazu
Tondichtung (1829 L.Börne, Die Vestalin, Gesammelte Schriften, 1, IV.); das Gedicht ist Musik geworden. Für Dichtungen erhalten wir Tondichtungen (Chrysander, G.F.Händel, I,331 [1858]); vgl. älteres ↑ "Tondichter".