Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
deuten
ahd. / mhd. diuten(altengl. geþiedan ›übersetzen‹, altnord. þýða), eventuell wie ↑ "deutsch" etymologisch zu ahd. diotVolk‹ (zweifelnd L175 Friedrich Kluge/ L175 Elmar Seebold). Vielleicht geht das Wort vom Deutendes Opferbefundes durch die Priester aus, von ›dem Volk nahebringen, verständlich machen‹ (vgl. J.Trier, L239 PBB66,238).1 Im Sinne von ›auslegen‹ ist deutentransitiv. Früh wurde es auch auf Träume und sonstige Vorzeichen bezogen; dazu "eindeutig", "zweideutig", vieldeutig, mehrdeutig.
2.1 In der Bedeutung ›hinweisen‹ ist es gewöhnlich intransitiv, mit einer Richtungsbezeichnung verbunden. Ungewöhnlich steht ein Objektsakkusativ: freundlich deutet mir eine Spinnerin die Straße (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Tasso 3156). Anders verhält es sich mit der Redensart Eselsohren / ein Eselsohr deutenfür einen Esel erklären‹ (Schiller, Goethe), in der der Akkusativ ein Resultat ausdrückt.
2.2 Häufig ist übertragener Gebrauch wie das Morgenrot deutet auf Regen, sein Benehmen deutet auf eine verborgene Absicht. Dabei kommt ein Objektsakkusativ häufiger vor (wie bei ⇑ "andeuten", "bedeuten"), vgl. einer unter ihnen deutete durch den Geist eine große Teurung, die da kommen sollte über den ganzen Kreis der Erde (A180 Martin Luther, Apostelgeschichte 11,28), das deutete der Traum, den ich hatte(Goethe), was deutet dies Geschrei? (Uhland), das Schwert in der Hand deutet den Helden (Schiller). Wirklich üblich geworden ist diese Art des Akkusativs neben deuten nicht, ebensowenig wie daß-Sätze oder abhängige Fragesätze ohne ein darauf, vgl. damit der heilige Geist deutete, daß noch nicht geoffenbaret wäre der Weg zur Heiligkeit (A180 Martin Luther, Hebräer 9,8), doch deuteten einige Luftzeichen, daß es sich wieder zum Guten bequemen würde (Goethe), das sagte er aber zu deuten, welches Todes er sterben werde (Luther).
deutlich (spätmhd.) konnte der Ableitung gemäß ursprünglich jedenfalls nur gebraucht werden neben Verben wie zeigen, sagen, erst später neben solchen wie sehen, hören, einsehen. Dazu verdeutlichen (Goethe, Schiller; L059 DWb). deutsam von A075 Johann Wolfgang von Goethe auch für "bedeutsam" gebraucht: jene symbolischen deutsamen Versicherungen (Dichtung und Wahrheit 27,122,7); in diesem Sinn auch einmal Deutsamkeit: es gibt Menschen genug, welche Ursache haben diese Deutsamkeit des Äußeren in Zweifel zu setzen (Farbenlehre 1,266,6).
Deutlichkeit im Sinne von ›Klarheit, Verständlichkeit‹ im 17./ 18. Jahrhundert eine der wichtigsten Stilnormen: so muß man auch der deutligkeit halben sich für alle dem hüten / was vnsere worte tunckel vnd vnverstendtlich macht(A203 Martin Opitz, Poeterey 27); Deutlichkeit ist die erste Regel, welche alle, die reden und schreiben, beobachten müssen… Vielen von unsern Schriftstellern gefällt ein verworrner Stil (Friedrich der Große, Über die deutsche Literatur, hg. Steinmetz, S. 67).
Deutung (mhd. ) bei Luther, Goethe u. a. auch wie "Bedeutung": drei hebräische Worte von ganz besonderer Deutung (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Reineke Fuchs 10,14).
deuteln erst frühneuhochdeutsch, verächtliche Bezeichnung eines kleinlichen Auslegens: gottes wort lesst sich nicht also mit drehen und deuteln umbstossen (Luther; L060 2DWb).
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