Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Blut
ahd. mhd. bluot; das Wort ist eine germanische Neuerung, vielleicht ein Hüllwort (verwandt mit "blühen"?). ⇓ "S219"  1 Geflügeltes Wort Blut ist ein ganz besondrer Saft (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,1740); in traditionellen Formeln wie Fleisch und Blut (biblisch, s. unten), Milch und Blut für die lebensfrische Farbe der Wangen (mhd. ); ⇓ "S032" von Bismarck geprägt Blut und Eisen (L181 Otto Ladendorf), zu Blut und Boden s. unten; seine Hände mit Blut besudeln, beflecken »sich eines Mordes schuldig machen« (L004 Johann Christoph Adelung).
⊚⊚ Blut schwitzen (L105 Georg Henisch; nach Lukas 22,44) ›Angst haben‹; jmdm. das Blut aussaugen (vgl. L059 DWb) ›jmdn. ausnehmen‹; bis aufs Blutsehr‹, vgl. bis auffs blut widerstanden (A180 Martin Luther, Hebräer 12,4), überhaupt ⇓ "S228" verstärkend in Zusammensetzungen: blutrot (mhd. ), blutarmsehr arm‹ (15. Jahrhundert), blutjung (L305 Christoph Ernst Steinbach; hier eventuell Einwirkung von spätmhd. bluttbloß, nackt‹, vgl. mhd. bluotnacketsplitternackt‹), blutwenig (um 1700; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) mit gleich starker Betonung beider Bestandteile (vgl. uralt, erzdumm, fuchswild, steinreich); Blut geleckt habensehr interessiert sein‹: Wenn wir erst einmal Blut geleckt haben wir wir Bluthunde… dann sind wir hartnäckig(A159 Heinar Kipphardt, Oppenheimer 230). Neutestamentlich Blut Christi als Sühne- und Opferbegriff: Vnd er sprach zu jnen / Das ist mein Blut / des newen Testaments / das fur viele vergossen wird (A180 Martin Luther, Markus 14,24), bei P.Gerhardt mit Anspielung an die Dornenkrone Jesu O Haupt voll Blut und Wunden.
2 Das Blut wird als Sitz des Temperaments aufgefaßt: warmes, kaltes, leichtes, schweres Blut, "warmblütig", "heißblütig", "kaltblütig"; es liefert Anzeichen von Gemütsbewegungen: der anblick pumpt sogleich mehr blut in seine wangen (Wieland; L059 DWb), das blut schosz ihr… ins gesicht (L059 DWb);
⊚⊚ mit ruhigem Blutgelassen‹ (L059 DWb), böses Blut machen (Luther; L059 DWb) ›Mißstimmung hervorrufen‹.
3 Zur Bezeichnung von Herkunft, Verwandtschaft und damit zusammenhängender Wesenszüge, biblisch er ist unser Bruder / vnser fleisch und blut (A180 Martin Luther, 1.Mose 37,27), Von edlem Blut… erboren (L200 Josua Maaler), ↑ "blau"; die Bande des Blutes (L004 Johann Christoph Adelung);
das liegt/ ist ihm im Blutangeboren‹ (L059 DWb); von Pferden Vollblut, "Halbblut". Vom Nationalsozialismus rassistisch mißbraucht: als Träger des guten oder bösen Erbgutes betrachtet man das Blut (L320 Trübner); die Verbindung von ⇓ "S145" Blut und Boden mindestens schon 1901 (L181 Otto Ladendorf), dann prominent bei O.A240 Oswald Spengler: Aber auf welcher Seite stehen solche Merkmale in dem Kampf zwischen Blut und Boden (1918 Untergang des Abendlandes, [1981] 708), weiter mythisiert (W.Darré, Neuadel aus Blut und Boden, 1936) und popularisiert: Das ganze Volk bildet im Grunde eine große Blutsgemeinschaft, die auf Blut und Boden beruht (L320 Trübner); ↑ "Geblüt".
4 Seit frühneuhochdeutscher Zeit häufig metonymisch für die Person, besonders ein junges Blut (auch engl.: a young blood): ich bin ein armes junges Blut (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2907).
5 Traditionelle Metaphorik: Trauben blut ist der edelste schatz auff Erden (L105 Georg Henisch); wein, der erden blut (Opitz; L059 DWb).
Blutbad (L105 Georg Henisch), mhd. im bluote baden; ein greuliches Blut-bad anrichten (L169 Matthias Kramer).
Blutegel (16. Jahrhundert) ⇓ "S241" verdeutlichende Zusammensetzung zu ↑ "Egel", durch Vermischung mit Igel lange auch Blutigel; bei L004 Johann Christoph Adelung die heutige Form.
Bluthund übertragen ⇓ "S191" Schimpfwort du Bluthund / du loser Man (A180 Martin Luther, 2.Samuel 16,7); die ⇓ "S129" marxistische Propaganda bezog sich auf Sirach 34,27 Wer dem Erbeiter seinen Lohn nicht gibt / der ist ein Bluthund.
Blutprobe (L056 Duden 111934) ⇓ "S132"Entnahme von Blut für eine Untersuchung‹, speziell ›Test an Autofahrern betreffend den Alkoholspiegelman macht mir die Blutprobe und ich hab Alkohol und adjö mein Führerschein(A238 Anna Seghers, Das siebte Kreuz 18).
blutrünstig mhd. bluotrünstecblutbefleckt, blutend‹, verwandt mit ↑ "rinnen" (mhd. runstdas Rinnen‹); heute ›blutgierig‹, abgeblaßt ›schauerlich‹: eine blutrünstige Geschichte (L201 Lutz Mackensen).
BlutschandeInzest‹ (A180 Martin Luther, 3. Mose 20,17), im ⇓ "S145" Nationalsozialismus rassenideologisch umgedeutet ›Geschlechtsverkehr mit sogenannt Artfremden‹ (vorbereitet seit F.L.Jahn 1833, vgl. L281 Cornelia Schmitz-Berning).
Blutwurst 1517 (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt).
bluten ahd. bluoten, mhd. bluoten. Klopstock wagt öfters daneben einen Akkusativ: Wunden, sein Leben, Todesangst, Sühnopfer, Gnade bluten;
das Herz blutet ihmer empfindet starken Schmerz‹, so schon mittelhochdeutsch das im sin herze bluoten mac (vgl. L059 DWb); danach auch die Seele blutet (Schiller, Jean Paul), mit blutendem Gefühl (Goethe); übertragen die Rebe blutet (wenn beim Beschneiden Saft fließt), ein Rettich blutet (nachdem er gesalzen ist);
jmd. hat bluten müssenihm wurde viel abgenommen‹, entsprechend uns tüchtig bluten lassen (Tieck; L059 DWb); Zusammensetzung "verbluten".
blutig ahd. bluotac, mhd. bluotec; umgangssprachlich zur ⇓ "S229" Verstärkung: blutiger Anfänger, Ignorant; nicht recht aufgeklärt ist blutiger Heller als Bezeichnung der geringsten Habe: dich zahlen lassen mit dem blutigen Heller, den der Arme dir, in Tränen gebadet, hinreicht (E.T.A.Hoffmann), eventuell verstärkende Umdeutung von roter Heller.
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