Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
bloß
ahd. mhd. bloz, gemeingermanisch, zunächst1unbekleidet‹, »nacket« (L200 Josua Maaler 1561), auch im Sinne von ›unbewaffnet‹: so ein Bruder oder Schwester bloß wäre (Luther), in bezug auf den ganzen Körper in der Verbindung nackt und bloß (mhd. ), auch sich bloß machen, bloß liegen (im Bett), dagegen allein von Körperteilen: mit bloßer Hand was ausrichten wollen (L308 Kaspar Stieler 1691); allgemein eim mit blossem [i. e. nicht in der Scheide steckendem] schwerdt nachhalten (L200 Josua Maaler); auch ›unbewachsen‹: auff der blossen Erden ligen (L105 Georg Henisch 1616); übertragen bloß an gält (L200 Josua Maaler); mit näherer Bestimmung im Genitiv, die angibt, wovon jmd. (etwas) unbedeckt, womit er (es) nicht versehen ist, bis ins 18. Jahrhundert: aller Sorgen bloß (Wieland), mit Dativ im Sinne von ›nicht geschützt gegen‹: vor Witt'rung ungeschützt und jedem Zufall bloß (Wieland), bin nun selbst der Sünde bloß (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,3584); in engerer Verbindung mit Verben: und deckte, was drinnen verborgen war, bloß [d. i. ›auf‹] (G.A.Bürger; L059 DWb); niemand wagts / zu ihrem vortheil sprechend deinem zorn / sich bloß zu stellen (Schiller; L059 DWb); übertragen: Die Herren natürlich, die sich ungern blamieren oder vor ihren Damen bloßstellen wollten(Zuckmayer; L097 GWb); Es liegen die Erze bloß, die Kristalle (A035 Paul Celan, A la pointe acérée); mit der Mystik weiterentwickelt zu
2mit nichts anderem verbunden‹: auf blosse wort mit nichten traw (L105 Georg Henisch), danach: der bloße sprachgelehrte heißt nur durch mißbrauch philolog (Schelling; L059 DWb); entsprechend seit dem 15. Jahrhundert adverbial (⇑ "nur"(2), "allein") im Sinne von ›weniger als zu erwarten war‹, »bloß geritzt / gar wenig verletzt« (L200 Josua Maaler): Ich frag ja bloß, wie das ist, wenn einer ein Kerl ist… Ich frag ja bloß, weil du meine Braut warst (M.A064 Max Frisch, Andorra 538); in der Steigerung: Den Fuß aber darf nicht bloß, den muß sie sogar zeigen (Burmeister; L264 Daniel Sanders). Was zunächst »nur« die Geringfügigkeit der geforderten oder empfohlenen Handlung bzw. des geäußerten Wunsches kennzeichnete, mag in Imperativ- oder Wunschsätzen und in rhetorischen Fragen später im Sinne emphatischer Kritik am Nicht-Bestehen eines mit geringfügigem Aufwand herzustellenden Sachverhalts verstanden worden sein; daher, wohl im 19. Jahrhundert unter dem Einfluß von niederdt. blot,
3"S002" Abtönungspartikel ›Sprecher zeigt an, daß die Überwindung des den Anlaß zu seiner Äußerung bildenden Sachverhalts notwendig und mit geringem Aufwand möglich wäre‹: Sieh doch bloß, da kuckt ja der Mond grad über Sieboldten seinen Schornstein weg (A060 Theodor Fontane, Stine, 2,518); Wenn ich dir das bloß klarmachen könnte (H.A182 Heinrich Mann, Unrat 567); »Stell dir doch bloß mal vor, was das den Steuerzahler kostet!« (B.A254 Botho Strauß, Paare 20); noch J.Grimm vertritt die Ansicht, beim Imperativ könne bloß nicht für nur eintreten (L059 DWb); oft in negativen Aufforderungen: Na, Graf, bloß nich so, bloß nich übermütig (A060 Theodor Fontane, Stine 2,496) sowie in rhetorischen Fragen: Warum bloß ist sie nicht mit den anderen gegangen? (A004 Ingeborg Bachmann, Gomorrha 188).
Blöße mhd. blœze, ›Nacktheit‹, in Blöße und allerley mängel (L105 Georg Henisch 1616); Er kann seine Blöße kaum bedecken (L308 Kaspar Stieler 1691); einem eine Blöße geben (L308 Kaspar Stieler), ursprünglich Fechterausdruck ›eine Stelle ungedeckt lassen‹: indessen sieht Silvan, daß Raufbold Blöße gibt (A295 Justus Friedrich Wilhelm Zachariä), daher
sich eine Blöße geben: Jede Blöße, die er sich gab, schonungslos aufzudecken (Gutzkow; L264 Daniel Sanders). Zu blößen, mhd. blœzen, wird
entblößen gebildet, mhd. enblœzen: Die brust Entdecken oder entblössen (L200 Josua Maaler), inzwischen veraltet auch Er ist aller seiner Güter entblößet (L308 Kaspar Stieler).
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