Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
blind
ahd. mhd. blint, gemeingermanisch;1ohne Sehvermögen‹, substantivisch Die Blinden sehen / vnd die Lamen gehen (A180 Martin Luther, Matthäus 11,5); einem Substantiv beigefügt ›wobei man nicht sieht‹: blinde Nacht; bereits mittelhochdeutsch von Metallen oder Edelsteinen ›glanzlos‹; ähnlich die Fensterscheiben sind blindangelaufen‹;
2scheinbar vorhanden, aber den erwarteten Zweck nicht erfüllend‹ (↑ "taub"): blindes Fenster (eine im Mauerwerk vorhandene Fensterhöhlung ohne wirkliches Fenster), blind gemahlte jubelpforte (Jean Paul; L059 DWb), blinder Schuß (ohne Kugeln), blinder Lärm (der keine begründete Veranlassung hat), blinder Passagier (1787; L320 Trübner) ›der versteckt und ohne Fahrschein mitfährt‹,
3 übertragen zum Ausdruck eingeschränkter Urteilskraft
Liebe macht blind: dasz die liebe blind solt sein, / wil mir gar nicht gehen ein (Fleming; L059 DWb), blinde menge (Schiller; L059 DWb), blinder Gehorsam (L004 Johann Christoph Adelung), blinder Glaube (L059 DWb); dazu seit dem 17. Jahrhundert das Adverb
blindlingsohne zu sehen‹;
Blinddarm frühneuhochdeutsche ⇓ "S124" Lehnübersetzung von lat. intestinum (colon) caecum (weil ohne Ausgang), gewöhnlich nur für den Wurmfortsatz des BlinddarmsAppendix‹.
Blindgängernicht explodierende Granate, Bombe‹, seit dem 1. Weltkrieg; umgangssprachlich auch von Menschen ›Versager‹.
Blindekuh spielen, ursprünglich ⇓ "S165" ostmitteldeutsch, von A305 Martin Luther 1526 in die Hochsprache eingeführt: also spielt auch die Vernunft der blinden Kue mit Gott (Weimarer Ausgabe 19,207).
Blindschleiche Fem. , ahd. blintslicho, mhd. blintsliche Mask. , wörtlich ›blinder Schleicher‹ (nach lat. caeculus, zu caecus ›blind‹), eine Eidechsenart, vgl. J.Grimms Fehler im L059 DWb: »eine blinde, giftige schlange«.
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