Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
blau
altgermanisch (engl. blueaus entlehntem franz. bleu), urverwandt lat. flavus, fulvus ›rotgelb‹, ahd. blao, mhd. bla, flektiert blawer; ursprünglich wohl wie bei manchen Farbenbezeichnungen unbestimmt ›hell, glänzend‹, althochdeutsch noch von Gold; ›Farbe des wolkenlosen Himmels am Tage‹, z. B. nach dem blauen, verschwimmenden Dunst der Ferne die blaue Blume der Romantik als Symbol der Sehnsucht: fern ab liegt mir alle Habsucht: aber die blaue Blume sehn' ich mich zu erblicken (⇓ "S032" A202 Novalis, Ofterdingen 195), daher die blaue Blume des Wandervogels: Wer die blaue Blume will finden, der muß Ein Wandervogel sein (Horant; L320 Trübner); Frühling läßt sein blaues Band / Wieder flattern durch die Lüfte (A192 Eduard Mörike, Er ists), im Vergleich: die Ader an der Schläfe / vom Blau der Traubenhyazinthe (A010 Gottfried Benn, Kleines süßes Gesicht). In traditionellen Verbindungen, deren Ursprung nicht immer klar ist:⊚⊚ Einem blauen Dunst vormachen (16. Jahrhundert) ›etwas vorschwindeln‹ (wohl vom Rauch des Zauberers); sein blaues Wunder hören/ sehen/ erlebenganz verwundert sein‹ seit dem 16. Jahrhundert (L059 DWb s. v. Wunder); ins Blaue hinein (›planlos‹) reden, vgl. ein frommer Wunsch oder eine Forderung in's Blaue (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Farbenlehre 3,237,3); Fahrt ins Blaue; der blaue Montag, ursprünglich vielleicht der Montag vor den Fasten (wegen der an diesem Tage vorgeschriebenen liturgischen Farbe?), dann jeder Montag, an dem man nicht arbeitet (so 1550), nach »der neuerdings häufige[n] [umgangssprachlichen] Bedeutung« (L320 Trübner) ›betrunken‹ der Montag, an dem man seinen Sonntagsrausch ausschläft: man sah mehr Betrunkene, hörte von mehr Schlägereien… als je… der blaue Montag kam in Aufnahme (A042 Annette von Droste-Hülshoff, Judenbuche 27), daher blau machenfeiern‹ (vgl. L019 Wilhelm Borchardt 73,336); einen braun (bzw. grün) und blau schlagen (L308 Kaspar Stieler) nach der Farbe der blutunterlaufenen Haut;
⊚⊚ mit einem blauen Auge davonkommen »nur einen geringen Schaden leiden« (L004 Johann Christoph Adelung); blaues Blutadliges Blut‹, seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts (L320 Trübner) aus Spanien, wohl ursprünglich für die hellere Farbe des mit maurischer Bevölkerung ungemischten Adels; ⇓ "S134" blauer Brief nach den blauen Umschlägen der Regierungsschreiben im 19. Jahrhundert: ›Entlassungsschreiben‹, jetzt ›Mahnbrief bei gefährdeter Versetzung in der Schule‹; als Farbe einer Uniform: die blauen Hemden der FDJ (↑ "Hemd"); umgangssprachlich BlauerHundertmarkschein‹ (L234 Hans Ostwald).
Bläue (ahd. blawi) »im gemeinen Leben… Die Bläue des Himmels, besser, das Blau« (L004 Johann Christoph Adelung), später literarisch: Die wolken weichen reiner bläue dort (S.A068 Stefan George, Der Teppich 14).
blauenblau sein, erscheinendie Wälder blauen (L308 Kaspar Stieler).
BlaubartFrauenmörder‹, ⇓ "S179" nach dem barbebleue des französischen Märchens (L265 Daniel Sanders Erg.).
Blaubeere (18. Jahrhundert) landschaftlich, besonders norddeutsch, ost-, westpreußisch und schlesisch, wie sonst "Heidelbeere", Bickbeere, Waldbeere usw. (vgl. L164 Friedrich Kluge).
Blaubuch"S124" Lehnübersetzung von engl. bluebook, um 1850, »Sammlung der dem Parlament vorgelegten öffentlichen Dokumente und Aktenstücke, genannt nach dem blauen Deckel« (L265 Daniel Sanders Erg.), später Weißbuch, Gelbbuch usw.
Blaukraut"S164" süddeutsch/ österreichisch ›Rotkraut‹, ›Rotkohl‹ ("Kraut"), L066 Jürgen Eichhoff, Karte 93.
Blaustrumpf"S179" früher ⇓ "S191" Schimpfwort für den Polizeidiener, etwa ›Angeber‹; schwäbisch ›Teufelder höllische Blaustrumpf (A222 Friedrich Schiller, Räuber 2,3); unabhängig davon seit 1797 ⇓ "S206" Spottname für eine gelehrte, emanzipierte Frau, ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. blue stocking (vgl. L264 Daniel Sanders).
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