Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
bitten
ahd. mhd. bit(t)en, gemeingermanisch (engl. bid); wohl verwandt mit griech. peítho ›überrede (durch Bitten)‹, lat. fido›vertraue‹. Es regiert ursprünglich und noch bis ins 19. Jahrhundert den Akkusativ der Person und Genitiv der Sache; letzterer ist durch umersetzt, zuweilen durch einen Akkusativ (eines Pronomens): so ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen (Luther), ich bitte dich nur dies (Goethe), was mich ihr süßer Mund so zärtlich bat (Lenau). Öfter steht der Akkusativ auch von Substantiven bei Dichtern und in der Bibel, wenn kein Akkusativ der Person daneben steht: darf ich bitten, bitt' ich eins(Goethe), das einzige bitte ich (Goethe), ich bitte nicht Gnade (Klopstock), ein Zeichen bat ich (Goethe); die Person wird daneben auch mit vonangegeben: eins bitt ich vom Herrn (Luther), wollen wir das Leben von ihm bitten(Lohenstein), ich bitte von gewissen Leuten nichts (Lessing), nun bitt' ich es von dir (Goethe), Alles von ihm und nichts von Gott bitten (Jean Paul); die Konstruktion von lat. petere ist dabei wohl nicht ohne Einfluß. Ich bitte dich/ Sie elliptisch zur Einleitung eines Widerspruches, besonders süddeutsch Mein! Ich bitte dich (L308 Kaspar Stieler), nachgestellt: Ganz ohne sich zu genieren spricht er von ›Tugend‹ich bitte dich! (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 144); als einladende Formulierung Jemanden zu Gaste bitten (L004 Johann Christoph Adelung), Ich habe ihn auf ein Glas Wein zu mir gebethen (ebenda); auffordernd, besonders zum Tanz, in der Wendung darf ich bitten?: ›Darf ich bitten, Eisler, sich mit dem Gesicht gegen die Wand zu stellen?‹… ›Aber natürlich.‹ (A045 Friedrich Dürrenmatt, Physiker 334). ⇑ "abbitten", "ausbitten", "erbitten", "verbitten".bitte"S209" Sprechhandlungspartikel, erst im 18. Jahrhundert (W.L244 Wolfgang Pfeifer) elliptisch aus ich bitte (Dich), in adverbialer Satzstellung oder satzisoliert, Entsprechung zu ↑ "danke",
1.1Sprecher kennzeichnet seine Äußerung als höfliche Aufforderung und überläßt die Entscheidung über die Befolgung dem (zumeist sozial höheren bzw. kompetenteren) Hörer‹: reiche mir das Buch, bitte; thu ihm den gefallen, bitte, bitte (L059 DWb; s. v. bitten); Schicken Sie mich bitte nicht fort… (1891 A273 Frank Wedekind, Frühlings Erwachen 3,7); »Bitte«, bat ich, »fahre langsamer!« (M.A064 Max Frisch, Homo Faber 156), wobei Wiederholungen der Verstärkung dienen; besonders häufig zur höflichen Annahme eines Angebots: Er schenkte Tee ein. Mögen Sie Zucker oder Milch? Ja, Milch bitte (U.A313 Uwe Timm, Johannisnacht 54); hierher auch der Gebrauch als Aufforderung einzutreten: Klingeln»Ja, bitte«.Und da stand sie in meinem Korridor (A.A226 Arno Schmidt, Trommler 68); Elisabeth Blaukrämer… Es wird laut an die Tür geklopft. Bitte? (A318 Heinrich Böll, Frauen vor Flußlandschaft 688);
1.2Sprecher kennzeichnet seine Äußerung als Angebot, übergibt etwas an den Hörer oder erklärt sich bereit, einer Frage oder Bitte zu entsprechen‹, oft verstärkt durch schön, (recht) sehr: Hans. Ist wohl kein Bier mehr da? Paul (holt ihm Glas und Flasche). Bitte schön (O.E.A108 Otto Erich Hartleben, Ausgewählte Werke III,249); ›Gut‹, dachte Hans Castorp. ›Schön‹, dachte er. Und sogar etwas wie ›Bitte sehr!‹ fügte er innerlich hinzu (1924 Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 599); »Ich erhielt dieses Schreiben von der Präfekturbitte!« Damit zog er das Schriftstück aus der Brusttasche und reichte es dem Vater (1947 A154 Hermann Kasack, Stadt 20), auch um sein Einverständnis zu erklären: »Ich will Sie nicht aufhalten!« sagte ich. »Sie entschuldigen mich?« »Bitte« sagte ich (M.A064 Max Frisch, Homo Faber 82); »Darf ich mal ihr Telefon benutzen?« »Bitte… « (D.A236 Dietrich Schwanitz, Campus 185); vgl. auch na bitte, ↑ "na"; durch elliptische Verkürzung von Rückfragen mit (ebenfalls weiterhin gebräuchlichem) wie bitte? im Sinne von ›wie sagten Sie/ sagtest Du, bitte?‹ der Gebrauch als
2"S185" Rückmeldepartikel mit Frageintonation, besonders am Telefon, ›Hörer hat nicht verstanden und bittet um Wiederholung oder Konkretisierung der Information‹: Von wem sprechen Sie? Bitte, von wem sprechen Sie? (R.A290 Ror Wolf, Punkt 66);
3 Gliederungspartikel, ›Gesprächsleiter erteilt dem nächsten Sprecher das Rederecht‹: Givola Willkommen, Grünzeughändler! Der Karfioltrust Begrüßt euch herzlich. (Zu Clark). Bitte sehr, Herr Clark (B.A024 Bertolt Brecht, Arturo Ui 7,108f.); Die Hand eines Studenten ging nach oben. »Ja, bitte?« (D.A236 Dietrich Schwanitz, Campus 309);
Bitte ahd. bita, mhd. bitte; die Bitte abschlagen… gewähren(L308 Kaspar Stieler), auch in anweisender Bedeutung Sie wissen schon, daß ihre Bitten für mich Befehle sind (Weiße; L004 Johann Christoph Adelung). ⇑ "beten", "Gebet", "betteln".
Bittschrift"S125" Lehnübertragung von Rist 1642 für älteres supplicaz (aus lat. supplicatio); schon ein Jahr später in südostdeutscher ⇓ "S181" Rechtssprache (L046 DRWb2,356).
Bittsteller bildete ⇓ "S071" L033 Joachim Heinrich Campe 1791 für Supplikant.
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