Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
beziehen
ahd. biziohan, mhd. beziehen, ↑ "Bezug";1 zu transitiv "ziehen",
1.1 mit von ziehen abhängigem Objekt: Einnahmen, Gehalt, Gebühren, Waren beziehen; ferner (seit dem 17. Jahrhundert) sich auf (früher auch an) jmdn. / etwas beziehen, wofür als älteste Bedeutung wohl ›appellieren‹ anzusetzen ist; daraus haben sich (vgl. sich "berufen") Verwendungen entwickelt wie Natalie bezog sich auf den Arzt, der weiter mit ihm über die Sache sprechen würde (Goethe), sich auf jmds. Zeugnis beziehen; im 18. Jahrhundert aufgekommen ein Zeugnis, eine Äußerung, eine Anspielung usw. auf etwas beziehen; dazu sich beziehen mit sächlichem Subjekt: diese Bemerkung bezieht sich auf dich, du must nicht alles auf dich beziehen (L059 DWb); dahin bezieht sich meine versprochene Anmerkung(Lessing), dahin bezogen sich ihre Gespräche (Goethe);
1.2 mit von be- abhängigem Akkusativ (so im Mittelhochdeutschen allein üblich): ein Bett (mit Bettwäsche), eine Geige (mit Saiten) beziehen; der Himmel bezieht sich, ist bezogen; frühneuhochdeutsch Fische beziehen (mit Netzen), daher ›überlisten‹ noch im 18. Jahrhundert: so manchen armen Tropf prellt und beziehet schon dein canaljöser Kopf (Zachariae).
2 zu intransitiv ziehen mit von be- abhängigem Akkusativ: eine Wohnung, ein Quartier, die Messe, einen Posten beziehen, was wir beziehen, wird unser sein (Goethe).
Beziehung (1678; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) meist zu beziehen(1.1) ›Verhältnis‹, häufig im Plural: ich habe keine (stehe in keinen) Beziehungen zu ihm, störe nicht die guten Beziehungen zwischen uns, für eine vorteilhafte Verbindung: Jedermann wußte, daß Herr Beckett Beziehungen im Polizeipräsidium hatte (B.Brecht; L337 WdG), im Sinne von ›Hinsicht‹ formelhaft in keiner Beziehung (L264 Daniel Sanders), in jeder Beziehung, in mancher Beziehung; zum Ausdruck eines intimen Verhältnisses: eine Beziehung löst die andere ab, man siedelt von einem Bett ins andere (A004 Ingeborg Bachmann, Gott 308), seit der neuen Innerlichkeit der 70er Jahre reich entfaltet: Allein das Wort ›Beziehungen‹… sucht… den Umgang mit der gründlichen Gefahr, welche die Liebe… für das Gemeinwohl darstellt (B.A254 Botho Strauß, Paare 16), von A102 Peter Handke rationalisiert Es mußte eine Beziehung zu jemand… geben… , in der man nicht durch eine immer wieder erpreßte und erlogene Liebe zueinandergehörte, sondern durch einen notwendigen, unpersönlichen Zusammenhang (Brief 165); mit Betonung der Wechselseitigkeit die Beziehung zwischen Mutter und Tochter, Wort und Bedeutung, Mutter-Kind-Beziehung; nur im Singular auch ›Sinn für etwas‹: er hat keine Beziehung zur Kunst (L097 GWb);
Beziehungskiste umgangssprachlich ›Liebesbeziehung und ihre Probleme‹, eine ⇓ "S241" Verdeutlichung von ↑ "Kiste" ›Angelegenheit‹, in eindeutigem Kontext auch wieder als Simplex: Was ist mit der kleinen Mohrungen? Seid ihr ernstlich verkrachtoder ist es nur eine Kiste? (A296 Carl Zuckmayer, General 544).
beziehungslos (L059 DWb) häufig auf den sprachlichen Ausdruck bezogen: Die Sätze stehen beziehungslos nebeneinander (vgl. L097 GWb);
beziehungsreich (L059 DWb) übertragen im Sinne von ›anspielend, mehrdeutig‹: ein beziehungsreicher Name (L097 GWb);
beziehungsweise (1755; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) zunächst adverbial Meinungen… können… nur beziehungsweise wahr oder falsch sein (Schiller; L320 Trübner); im 19. Jahrhundert für beziehentlich – Übersetzung von respective – und zur Konjunktion abgeblaßt, »ein Lieblingswort der Kanzleisprache« (L320 Trübner), abgekürzt bzw.; ↑ "respektive".
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