Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
bewußt
Partizipialadjektiv in mitteldeutscher Form (frühnhd. auch bewist) von bewissenwissen‹; vielfach auch nur aus ↑ "unbewußt" zurückgebildet;1bekannt‹ (wie zu transitiv bewissen): Gott sind alle seine Werke bewußt (Luther); Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,1582), allgemein das ist mir wohl bewußt; früher rückverweisend ›besagtdie bewußte Person, Sache;
2Wissen, Bewußtsein von etwas habend, innerlich gewiß‹ (wie zu reflexiv bewissen), gewöhnlich mit reflexivem Dativ, wobei der Bezug, auf den das Wissen geht, durch den Genitiv ausgedrückt werden kann: alle die Bosheit, der dir dein Herz bewußt ist (Luther); ich bin mir keines Unrechts bewußt; Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange / Ist sich des rechten Weges wohl bewußt (A075 Johann Wolfgang von Goethe Faust I,329); auch in ich bin mir nichts Unrechtes bewußt liegt eigentlich der Genitiv vor (↑ "nichts"), der aber als Akkusativ empfunden werden kann, wie denn Wieland geradezu den Akkusativ gebraucht: ich bin mir das nicht mehr bewußt, was ich mir kaum [›soeben‹] noch bewußt war, zum mindsten waren sie sich einen Überfluß von Lieblichkeit bewußt; statt Genitiv auch Infinitiv mit zu oder abhängigem Satz; Goethe wagt sich bewußt mit prädikativem Adjektiv: und ist sich rein wie ich bewußt; seltener ohne reflexiven Dativ: keiner Schuld bewußt (Goethe), dieser stillen Schuld bewußt (Schiller), manchen Fehls bewußt(Grillparzer), bewußt des Gottes, den sie hegt (A.Grün), allgemein schuldbewußt;
3 absolut ›im Zustand des Wissens, der Selbstgewißheit‹ [Blücher] In Harren und Krieg, / In Sturz und Sieg / Bewußt und groß (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 49.2,82,8), Gegensatz zu ↑ "unbewußt", auch ›absichtlichetwas bewußt tun; ⇑ "selbstbewußt", "unterbewußt".
Bewußtheit (L005 Johann Christoph Adelung Suppl.1818) mit enger Beziehung zu "wissen" und der älteren Bedeutung von "Gewissen", gegenüber Bewußtsein (s. unten) ⇓ "S168" philosophisch enger gefaßt als »Gegebensein eines Wissens (von etwas)« (N.Ach, Über die Willenstätigkeit und das Denken; zit. nach L138 HWbPh), daneben aber auch von Bewußtsein nicht klar abgegrenzt: Die Bewußtheit seiner selbst»da man sich seiner selbst bewußt ist« (L005 Johann Christoph Adelung Suppl.1818), ein anderer Mensch geworden… mit andern Sinnen, anderer Reizbarkeit und stärkerer Bewußtheit(S.Zweig; L337 WdG).
bewußtlos zu frühnhd. bewußt (Fem. oder Mask. ), noch bei L004 Johann Christoph Adelung;
1 im 18. und frühen 19. Jahrhundert meist ›unbewußt‹: das Versehen, womit in dem Abendblatte einmal bewußtlos gegen die Interessen der Staatskanzlei angestoßen worden ist (H. v.Kleist), jene bewußtlose Glückseligkeit (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit 27,13,11);
2 jetzt ›ohnmächtig‹ (vgl. L033 Joachim Heinrich Campe).
Bewußtsein
1"S032" von Wolff 1719 geprägt, noch in Getrenntschreibung: setzen wir das Bewust seyn als Merckmahl, daraus wir erkennen, daß wir gedencken… daß von einem Gedancken das Bewust seyn nicht abgesondert werden kann (Vernünftige Gedanken von Gott §194; zitiert in: L138 HWbPh); in diesem ⇓ "S180" philosophisch-psychologischen, nicht moralischen, Verständnis löst Bewußtsein älteres "Gewissen" ab. Vgl. weiter Marx: Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein (zitiert nach L138 HWbPh); folgenreich wird besonders der psychoanalytische Begriff: eine unhaltbare Anmaßung, zu fordern, daß alles, was im Seelischen vorgeht, auch dem Bewußtsein bekannt werden müsse (1915 S.A063 Sigmund Freud III,126), ↑ "unbewußt", "unterbewußt";
2 daneben ⇓ "S132" medizinisch als Gegensatz von "Ohnmacht": sie liegt ohne bewußtsein (L059 DWb);
3 als relativer Begriff bei I.Kant in dem bewußtsein der begierde (L059 DWb) und allgemeiner Bewußtsein seiner Schuld.
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