Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
bewegen
(⇑ "wägen", "wegen"); starkes und schwaches Präteritum und Partizip erst allmählich zu jetziger Unterscheidung herausgebildet; schwach flektiert1aus dem Zustand der Ruhe bringen‹: Dje Erde bebet vnd ward bewegt (A180 Martin Luther, 2.Samuel 22,8), die nas… bewegst du mit geberden(Geiler von Keisersberg; L059 DWb), der wind bewegt die fahnen (L059 DWb), dazu "weltbewegend" (↑ "Welt"); auf Verhaltensweisen, gedankliche Beschäftigung übertragen Jemand bewegt sich in gebildeten Kreisen (L264 Daniel Sanders), sich auf unsicherem Boden bewegen; diese Frage bewegt sich in dem Bereich Umweltschutz;
1.1 bereits mittelhochdeutsch übertragen ›Gemütsbewegung hervorrufendie Juden bewegten die andächtigen und ehrbaren Weiber (Luther), ›Ich danke dir‹, sagt Jakob mit bewegter Stimme… nach vierzig Jahren zum erstenmal bewegt, man bekommt nicht jeden Tag das Leben gerettet (J.A006 Jurek Becker, Lügner 102), so häufig im Partizip Präsens lehrreich oder bewegend, herzbewegend (L264 Daniel Sanders);
1.2erwägen, (sich) geistig beschäftigenMaria aber behielt alle diese wort / vnd beweget sie in jrem hertzen (A180 Martin Luther, Lukas 2,19), auch Zwanzig Jahre nach der Niederschrift des ›Baal‹ bewegte mich ein Stoff für eine Oper (Brecht; L337 WdG);
2 gewöhnlich stark flektiert ›durch vorgebrachte Gründe zu etwas veranlassenWas mich am meisten dazu bewog, war dieses (L004 Johann Christoph Adelung), Sie wollen mich nun zwingen -… bewegen, Ihr Land aufzusuchen (A045 Friedrich Dürrenmatt, Physiker 335); mit ungewisser Bedeutung, indem Überlegung und Gemütserregung zusammenwirken können, jmdn. zu bestimmen, bei Luther: laß deine Seele nicht bewegt werden, ihn zu töten; hierdurch zum Mitleid bewogen (E. v.Kleist).
Beweggrund Anfang des 18. Jahrhunderts (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); ⇓ "S122" Lehnbildung für "Motiv", im 17. Jahrhundert auch Bewegungsgrund, zu bewegen(2), »ein Grund, der den Willen in Bewegung setzt, den Entschluß leitet« (L033 Joachim Heinrich Campe).
beweglich (mhd. )
1 zu bewegen(1) von Gegenständen, deren Lage veränderbar ist, nur attributiv ⇓ "S181" rechtssprachlich bewegliche Güter (L308 Kaspar Stieler), im Sinne von ›variabelbewegliche Feste (L308 Kaspar Stieler);
2 daneben zu bewegen(1.1) bis zum 19. Jahrhundert, heute veraltet ›rührendmanch bewegliches trauriges liedlein(17. Jahrhundert; L059 DWb); seit dem 18. Jahrhundert außerdem
3rege, schnellbeweglicher eilt schon die wache Quelle (A131 Friedrich Hölderlin, Des Morgens), vom Menschen in Verbindung mit körperlichen Merkmalen: ein übertriebener Buffo… Figur dick, kurz, doch beweglich (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise 3.10.86), auf geistige Fähigkeiten bezogen ›wach, vielseitigdaß der Geist sich nicht beweglich genug erhalten könne (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Naturwiss. Schriften, II,5.1,301).
Bewegung (ahd. L087 Glossen)
1 zu bewegen(1) ⇓ "S169" Veränderung in physischem Sinn: In Bewegung seyn… einen Körper in Bewegung setzen (L004 Johann Christoph Adelung), das… Geschäft der Wissenschaft… besteht in dem Studium der Eigenschaften der Bewegung, Mutter der Maschinen, die allein die Erde bewohnbar machen werden (B.A025 Bertolt Brecht, Galilei; 3,1338), als Geste eine einladende, abwehrende, drohende Bewegung machen, dazu mit anmuthiger Armbewegung (Goethe; L059 DWb);
2 übertragen seit dem Frühneuhochdeutschen ›Aufruhr‹: Es erhub sich aber vmb dieselbige zeit nicht eine kleine Bewegung vber diesem wege (A180 Martin Luther, Apostelgeschichte 19,23), Nicht dem Deutschen geziemt es, die fürchterliche Bewegung[Franz. Revolution] fortzuleiten (A075 Johann Wolfgang von Goethe Hermann und Dorothea 9,305);
3 seit dem 19. Jahrhundert unter Einfluß von franz. mouvement für geistige Strömungen und Parteien, häufig in Zusammensetzungen: Freiheitsbewegung, Einheitsbewegung, Massenbewegung (Treitschke), Wandervogelbewegung, "Jugendbewegung" (↑ "Jugend"); der ⇓ "S145" Nationalsozialismus verstand sich nicht als Partei, sondern als Bewegung, »um das Revolutionäre seiner Bestrebungen hervorzuheben«: München, die Hauptstadt der Bewegung (L320 Trübner), im ›Völkischen Beobachter‹ seit 1920 die feste Rubrik Aus der Bewegung (vgl. L015 Cornelia Berning 40); weiter "Frauenbewegung", "Arbeiterbewegung" (L264 Daniel Sanders), "Friedensbewegung", Umweltbewegung, Ökologiebewegung usw.;
4 zu bewegen(1.1), vom Gemütszustand: mit herzlicher bewegung und ernst(Luther; L059 DWb), sein Gemüth gerieth in eine heftige Bewegung (L004 Johann Christoph Adelung);
5 zu bewegen(2) ›Antrieb, Motivationaus eigner bewegung (Lessing; L059 DWb).
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