Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Bescheid
Mask. , mhd. bescheit, zu bescheiden (s. unten); ›Klarlegung einer Sache‹, ›Auskunft über etwas‹; mittelhochdeutsch und bis ins 18. Jahrhundert (Lessing) auch für einen Urteilsspruch in einer gerichtlichen Streitsache; jetzt noch in bestimmten Verbindungen: jmdm. Bescheid (über etwas) sagen, geben, umgangssprachlich Bescheid sagen/ stoßenjmdm. (erbost) die Meinung sagen‹ (L337 WdG); Bescheid erhalten; Bescheid tun ursprünglich auch ›Auskunft erteilen‹, ›Antwort geben‹: der Wirt tat Bescheid auf alle meine Fragen (Göckingk), schon im 16. Jahrhundert auf die Erwiderung des Zutrinkens bezogen; mit (in) etwas Bescheid wissen ursprünglich mit der Vorstellung ›die richtige Auskunft über etwas kennen‹, jetzt ›sich auskennen in/ mit‹.bescheiden starkes Verb; die alte Form des Partizips bescheiden ist als Adjektiv erhalten (s.unten); seit dem Mittelhochdeutschen in zwei Konstruktionsweisen:
1 jmdm. etwas bescheidenjmdm. etwas zuweisen, bestimmen (z. B. testamentarisch)‹: ich will euch das Reich bescheiden, wie mir's mein Vater beschieden hat (Luther), genieße, was dir Gott beschieden (Gellert); ohne Dativ: Manches beschied seitdem der Allmächtige (Voß); im 19. Jahrhundert veraltend, noch gebräuchlich es ist mir (nicht) beschieden (vom Schicksal); hierher auch das biblische mein bescheiden Teil, welches mit der alten Form bewahrt und dann durch Anlehnung an das adjektivische bescheiden umgedeutet ist; doch erscheint auch beschieden Teil (Goethe).
2 jmdn. (einer Sache) bescheiden frühneuhochdeutsch ›jmdn. (über etwas) belehren‹, ›ihm Bescheid erteilen‹; erhalten in jmdn. abschlägig bescheiden, jmdn. an einen Ort bescheidenbeordern‹, ›bestellen‹.
3 Ferner sich bescheidensich belehren, einsehen‹ und daher ›sich zufrieden geben, begnügen‹, veraltet mit Genitiv: wer des Fragens sich bescheidet(Lenau); jetzt nur noch mit Präposition mit (wie schon Goethe); zu bescheiden(3) jetzt
bescheiden Partizipialadjektiv ›genügsam, unprätentiös, schlicht‹ (von Personen und Sachen), das im Mittelhochdeutschen und noch bei Schiller (vgl. L059 DWb) ›belehrt, verständig‹ bedeutet; schon im 16. Jahrhundert ein bescheiden kleid (L320 Trübner), seit dem 18. Jahrhundert dann verbreitet; geflügeltes Wort: Nur die Lumpe sind bescheiden (⇓ "S074" A075 Johann Wolfgang von Goethe, Rechenschaft 71); heute vielfach in floskelhaften Höflichkeiten: ich habe eine bescheidene Frage, möchte bescheiden anmerken; tadelnd ein sehr bescheidenes Werk; ⇓ "S064" verhüllend wie beschissen, denn die gleichen Anfangslaute legen Bedeutungsgleichheit nahe; Löns vergleicht das Leben mit einem Kinderhemd: kurz und bescheiden (vgl. L337 WdG).
Bescheidenheit (mhd. ) ursprünglich ›Einsicht‹ (Freidank), auch bei Luther noch ›Erkenntnis‹, bei Logau ›Verstand‹; dann zur neuen Bedeutung des Adjektivs bescheiden (s. oben): ›Genügsamkeit‹: freiwillige einschränkung der selbstliebe eines menschen durch die selbstliebe anderer heiszt bescheidenheit (I.Kant; L059 DWb), ermunternd Nur keine falsche Bescheidenheit! (vgl. Heine; L264 Daniel Sanders). Zum Bescheidenheitstopos vgl. L139 HWbRhet.
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