Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
beleidigen
(spätmhd.) ursprünglich1Leid, Schaden zufügen‹ (ahd. leidigon), frühneuhochdeutsch auch von Krankheiten, Schädlingen: welche mit dem gicht beleidigt sind (16. Jahrhundert; L059 DWb), ähnlich noch im Preußischen Allgemeinen Landrecht 1794, Einl.§93. Noch Ende des 18. Jahrhunderts als Rechtsbegriff sehr allgemein und das physische Moment mit einschließend, synonym mit "beeinträchtigen" »etwas gegen die Rechte eines andern thun«: Wer meinen Korper, meine Ehre, meine Rechte verletzt, der beleidiget mich (L063 Johann August Eberhard 1795); ⇓ "S029" seit dem 18. Jahrhundert verengt
2jmds. Ehre verletzen‹, diese Entwicklung ausgedrückt in der Synonymik, die das Wortfeld beleidigen, beeinträchtigen nunmehr um die Begriffe "kränken" und "verletzen" ⇓ "S025" erweitert (L338 Friedrich Karl Ludwig Weigand 1840); auf den sprachlichen Ausdruck bezogen, wie "lästern": die Majestat beleidigen (L169 Matthias Kramer), einen mit Worten beleidigen, du hast mich mit deiner Rede beleidiget (L305 Christoph Ernst Steinbach), beleidigende Ausdrücke (L003 Johann Christoph Adelung 1774), im Redekontext ungewöhnlich ohne Objekt Ich bin zu schwer verletztsie hat zu schwer beleidigt (A222 Friedrich Schiller, Stuart 3,3); wie "kränken" und im Gegensatz zu "höhnen", "spotten" auch mit dem Merkmal ›nicht beabsichtigt‹ und daher mehr ein Effekt beim Hörer: du hast ihn gar nicht beleidigen wollen (L059 DWb), Wo hab ich dich beleidigt und gekränkt / Dass du bezweifelst ob ich dich noch liebe? (S.A067 Stefan George, Manuel, 2.Stufe, 2.Bild); im Partizip Prät. auch abgeschwächt ›verärgert‹: Und warum? so fragt die welt beleidigt (Platen; L264 Daniel Sanders); speziell als Rechtsbegriff im Sinn einer strafbaren Handlung wie "verleumden", "beschimpfen": Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt… beleidigt (StGB §103);
3 seit dem 18. Jahrhundert vielfach übertragen ›dem moralischen oder ästhetischen Sinn zuwider sein‹: die keuschen Ohren beleidigen (L169 Matthias Kramer), Hier seht Ihr lauter frohe Menschen,Und Euer Gram beleidigt dieses Fest (A222 Friedrich Schiller, Jungfrau 4,4). ⇓ "S237" Zum Wortfeld beleidigen: ⇑ "höhnen", "kränken", "schikanieren", "spotten", "verhöhnen" ("verhohnepipeln"), "beschimpfen", "foppen", "hänseln", "lästern", "verspotten", "verletzen", "verleumden". Analog
Beleidigung (frühnhd.), vgl. noch Wieland beleidigungen des wetters und der unfreundlichen jahreszeit (L059 DWb); ⇓ "S181" rechtssprachlich für Injurie.Zum studentischen Beleidigungsvokabular um 1800 G.Objartel, in: Gespräche zwischen Alltag und Literatur, hg. v. D.Cherubim u. a. 1984,94ff.
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