Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
bedeuten
mhd. bediutenandeuten, verständlich machen, auslegen‹, ⇑ {{link}}be{{/link}}-, "deuten";1 (veraltet) ›anzeigen, auf etwas hindeuten‹: er rührte keine Hand, wenn er nicht damit bedeuten oder verstärken konnte (Lessing);
2 (veraltet) ›(durch Zeichen) jmdm. etwas zu verstehen geben‹, ›jmdn. durch Worte belehren, zurechtweisen, anweisen, etwas zu tun‹, ›(an)zeigen‹; mit Dativ jmdm. etwas bedeuten: Paulet… bedeutet ihr durch zeichen, dasz es [Schmuckkästchen] ein verzeichnis der gebrachten dinge enthalte (Schiller; L059 DWb); der bote bedeutete ihm, ohne geräusch und begleitung nachzufolgen (Klinger; L059 DWb); auch passivisch: Ihr wird bedeutet, wie es ihr gehe, könne einzig und allein der Arzt beurteilen (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 276); ohne Dativ: der Pfarrer… fragte, was es gebe? Sie bedeutete ihn; ich stand auf (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 25,355 LH); so muß man ihn freundlich grüßen und meine Wohnung bedeuten(Schiller); hierher auch passivisch die bedeutendsten Personen sind mit Papierschnitzchen bedeutet (Goethe); mit Akkusativ jmdn. bedeuten (etwas zu tun): sie schickte sogleich ihre vertraute Aruja ab, um… sie zu bedeuten, dasz sie noch in dieser nacht aus Dehly entfliehen müsse (Wieland; L059 DWb); Therese bedeutete den Verwalter in allem (A074 Johann Wolfgang von Goethe 20,42 LH); wenn sie doch gelegentlich Herdern bedeuten wollten, dasz er noch keine horenstücke haben kann (Schiller an Goethe; L059 DWb); seine wächter bedeuteten ihn, er solle sich auf die nahen qualen rüsten (Klinger; L059 DWb);
3als Zeichen (Wort, Satz, Symbol) einen Inhalt zu verstehen geben‹, ›Zeichen (oder Anzeichen) für etwas sein‹, ›einen Gegenstand bezeichnen‹, bei Synonymenangaben oder Paraphrasen mit doppeltem Nominativ: das wörtlin kressen bedeut fisch (cyprinus gobio) und bedeut auch kraut, das man iszt zu dem salat (lepidium) (Luther; L059 DWb); das griechische wort hieroglyphe bedeutet eingehauene heilige schrift (L059 DWb); Der ältere Beamte… erklärte,… das dazugehörige Tätigkeitswort bedeute »klettern« oder »reiten«(A105 Peter Handke, Wiederholung 10); sonst mit Akkusativ: Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt (A282 Ludwig Wittgenstein, Tractatus 5.6); Diese Bretter bedeuten keine Welt. Sie gehören zur Welt (A104 Peter Handke, Publikumsbeschimpfung 18);
4von Belang, von Wichtigkeit sein‹, etwas (wenig, viel, nichts) bedeuten, zu bedeuten haben: Die Hasen hatten ja vorzeiten / weit mehr als jetzo zu bedeuten (Hagedorn; L004 Johann Christoph Adelung); das hat nichts zu bedeuten (Wieland; L059 DWb); »… bei den Liliputanern war er. Und ein Gnom hat ihn auf die Stirn geküßt. Hoffentlich hat das nichts zu bedeuten!« Bebras Stirnkuß sollte mir noch viel bedeuten. Die politischen Ereignisse der nächsten Jahre gaben ihm recht (A083 Günter Grass, Blechtrommel 135); an bedeuten(3) anschließend
bedeutend
1 im 18. Jahrhundert noch ›auf etwas hindeutend‹, ›bedeutungsvoll‹ (bei L200 Josua Maaler [1561] noch bedeutlich): dergleichen bedeutende [mit Rücksicht auf den Charakter der Personen gewählte] Namen (Lessing); so wechselte die Grafin mit Wilhelm bedeutende Blicke (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 18,285 LH); Da versetzte bedeutend die gute verstandige Mutter (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 40,269 LH); Und so antwortete sie bedeutend auf jede unschuldige, leichte Frage (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 20,158 LH); zuletzt sah ihn der polizeiinspektor Herprecht sehr bedeutend an (Jean Paul; L059 DWb); auch substantivisch: der Religion, die bei den sinnlichen Vorstellungen mehr auf das Bedeutende als auf das Schöne sah (Lessing); daraus, wohl nicht zuletzt unter dem Einfluß Goethes, die an bedeuten(4) anschließende heutige Bedeutung.
2wichtig, von großem Gewicht‹, ›einflußreich‹: Das Bedeutende und die Deutung schlingen sich gar schön in einander (Goethe an Schiller; L264 Daniel Sanders); Abgerissene Worte, die bedeutend, aber nicht deutlich waren (F.Schlegel; L264 Daniel Sanders); Er war ein bedeutender Mann an der Hauptschleuse und sah dienstlich zu: ob auch alles seine Ordnung hatte (A142 Uwe Johnson, Babendererde 123); ähnlich auch das um 1770 aufgekommene und von L004 Johann Christoph Adelung als neugebildetes Wort verzeichnete
bedeutsam: Der Alte lächelte schlau und bedeutsam ohne etwas zu erwidern (E.T.A.A127 Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, Gelübde 3,17); dazu
Bedeutsamkeit;
Bedeutung mhd. bediutungeAuslegung‹; zuerst gebucht L327 Voc.Teut.-Lat. (1482), L037 Petrus Dasypodius (1536) hat Ein bedeütung / anzeygung (s. v. Signum), ebenso wie L327 Voc.Teut.-Lat. hat auch L200 Josua Maaler (1561) noch Bedeütnuß, und er übersetzt Bedeütnuß der worten mit »vis uerborum« ›Kraft der Worte‹; L004 Johann Christoph Adelung kennzeichnet das noch bei Goethe erscheinende Bedeutniß als »oberdeutsch«;
1Anweisung, Auflage‹: und ihn freundlich nothigte das Instrument dem Sanger auf eine Zeit lang zu uberlassen, mit der Bedeutung solches vor der Abreise treulich wieder zu geben (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 22,129 LH);
2"S208"Gehalt‹, ›Mitteilungskraft, Mitteilungswert eines Zeichens‹, ›Gegenstand, für den ein Zeichen steht‹, »Der Begriff, der durch ein Wort oder Zeichen erreget werden soll« (L004 Johann Christoph Adelung): ihr seht mich mit bedeutung an? (Schiller; L059 DWb); in des Worts verwegenster Bedeutung (A222 Friedrich Schiller, Karlos 1,9); Er dringt in die Bedeutung des Gehaltes ein (A074 Johann Wolfgang von Goethe 46,233 LH); die eigentliche und uneigentliche bedeutung eines worts (L059 DWb); die verschiedenen bedeutungen aus der grundbedeutung entwickeln (L059 DWb); Die Bedeutung eines Eigennamens ist der Gegenstand selbst, den wir damit bezeichnen (G.Frege, Funktion, Begriff, Bedeutung [31969] 44); Ist es vielleicht kein Lustort? Ich will meinen, daß es einer ist, und zwar in des Wortes zweifelhaftester Bedeutung! (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 311); »Die Bedeutung des Wortes ist das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt.« D. h., willst du den Gebrauch des Worts »Bedeutung« verstehen, so sieh nach, was man »Erklärung der Bedeutung« nennt (A282 Ludwig Wittgenstein, PU §560); und dies Wort [Sirene] schwankte hier noch einmal zwischen seiner alten Bedeutung, dem Gesang der Verführung aus der Tiefe, und seiner jetzigen, dem Alarm der Lebensrettung, hin und her (B.A254 Botho Strauß, Paare 12);
3Wichtigkeit, Gewicht, Größe‹: Teilnehmend frug man den Baron, ob das Übel von Bedeutung sei (E.T.A.A127 Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, Majorat 3,91); Herr Präsident, meine Damen und Herren, eine Entscheidung von säkularer Bedeutung, wir stimmen im Hammelsprung ab (A167 Wolfgang Koeppen, Treibhaus 144); Die Dinge glitten uns aus der Hand und richteten sich gegen uns. Da maßen wir ihnen übertriebene Bedeutung zu (Ch.A284 Christa Wolf, Kassandra 126).
BedeutungsanlehnungVeränderung der Bedeutung eines Wortes aufgrund der assoziativen Einwirkung eines anderen, meist geläufigeren und lautlich ähnlichen‹ ;vgl. die nur deutsche Bedeutung ›Gaststättengewerbe‹ von "Gastronomie" aufgrund des Anklangs von "Gast".
Bedeutungsdifferenzierung (H.L237 Hermann Paul, Prinzipien, 51920, 253) ›Auseinanderentwicklung der Bedeutung von ursprünglich synonymen Wörtern oder Wortformen‹, zu erklären als eine Wirkung des Ökonomieprinzips (»Die Sprache ist allem Luxus abhold«, ebenda, 251); vgl. "kindlich" – "kindisch", 1"Reiter" – "Ritter", derdie "Flur", WorteWörter.
BedeutungsentlehnungÜbernahme der Bedeutung eines fremdsprachigen Wortes in ein Wort der eigenen Sprache‹, im Althochdeutschen unter dem Einfluß des Lateinischen (vgl. "Buße"), jetzt meist unter englischem Einfluß (vgl. "feuern"(6) ›entlassen‹).
Bedeutungsentwicklung z. B. von H.Paul bevorzugte Bezeichnung für »die historische Entwickelung der verschiedenen Bedeutungen eines Wortes«, die »Entwickelung einer Bedeutung aus der anderen oder mehrerer aus einer gemeinsamen Grundlage« (H.Paul, Über die Aufgaben der wissenschaftlichen Lexikographie [.], in: Sitzungsberichte der Königl. Bayer. Akadademie der Wissenschaften. Philos.-philol. u. histor. Classe, 1894, H. 1, 53–91, zit. 68, 71). Paul über sein Wörterbuch: Mein hauptaugenmerk war dabei auf die bedeutungsentwicklung gerichtet (L239 PBB46, 498). In der Nachfolge Pauls: A.Waag, Bedeutungsentwicklung unseres Wortschatzes, 11901.
BedeutungserweiterungErweiterung der möglichen Bezüge, der Extension eines Wortes durch Aufgabe einschränkender Inhaltskomponenten‹ (»Erweiterung des Umfangs«, L237 Hermann Paul, Prinzipien 51920, 91); z. B. "Frau", im Neuhochdeutschen weiter ›weibliche erwachsene Person‹, im Mittelhochdeutschen enger ›adlige weibliche erwachsene Person‹. Gegensatz Bedeutungsverengung.
Bedeutungsgeschichte schon im 19. Jahrhundert übliche Bezeichnung für die historische Veränderung der Wortbedeutungen, zugleich für die Erforschung des Bedeutungswandels von Wörtern, lexikalischen Teilbereichen und schließlich des Wortschatzes insgesamt (im Titel z. B.F.Bechtel, Über die Bezeichnungen der sinnlichen Wahrnehmungen in den indogermanischen Sprachen. Ein Beitrag zur Bedeutungsgeschichte, 1879). Vgl. G.Objartel, Bedeutungsgeschichte im neuen ›Paul‹, in: Das Wörterbuch, hg. v. G.Harras, 1988, 303–322. Vgl. auch Bedeutungsentwicklung, Bedeutungswandel. Zur Bezeichnung des Forschungsgebietes jetzt auch Historische Semantik (vgl. G.Fritz, Historische Semantik, 1998).
BedeutungsübertragungVeränderung der Bedeutung eines Wortes durch metaphorischen Gebrauch‹, vgl. "Blatt" im Sinne von ›Papierblatt‹, "dunkel" im Sinne von ›unverständlich‹; nach H.L237 Hermann Paul (Prinzipien 51920, 94) liegt bei den »meisten usuell gewordenen Metaphern« eine Kombination von Bedeutungserweiterung und Bedeutungsverengung vor.
BedeutungsverbesserungAufwertung der Bedeutung eines Wortes bzw. Erhöhung des konnotativen Wertes eines Wortes‹ (↑ "Konnotation"); vgl. "Abgott", im Frühneuhochdeutschen ›Götze‹, jetzt ›vergötterte Person‹; "Haupt", mittelhochdeutsch allgemein – neuhochdeutsch nur gehoben. Gegensatz Bedeutungsverschlechterung.  
BedeutungsverengungEinschränkung der möglichen Bezüge, der Extension eines Wortes durch Aufnahme zusätzlicher Inhaltskomponenten‹ (»Verengung des Umfangs«, »Spezialisierung der Bedeutung«, H.L237 Hermann Paul, Prinzipien 51920, 87); vgl. "Hochzeit", im Mittelhochdeutschen ›Fest‹, jetzt ›Fest der Eheschließung‹. Gegensatz Bedeutungserweiterung.
BedeutungsverschiebungVeränderung der Bedeutung eines Wortes durch metonymischen oder synekdochischen Gebrauch‹; vgl. "Frauenzimmer", ursprünglich Bezeichnung für einen Raum, dann Bezeichnung für die Bewohner des Raumes; "Eisenbahn", ursprünglich Bezeichnung für das Gleis, dann für das gesamte Fortbewegungsmittel.  
BedeutungsverschlechterungAbwertung der Bedeutung bzw. Minderung des konnotativen Wertes eines Wortes‹; vgl. "gemein", früher ›gewöhnlich, allgemein‹, jetzt ›niederträchtig, unverschämt‹; "Weib", im Mittelhochdeutschen ›Frau‹, jetzt Schimpfwort. Gegensatz Bedeutungsverbesserung.
Bedeutungswandel schon im 19. Jahrhundert übliche Bezeichnung für den »Wandel der Wortbedeutung« durch »Abweichung in der individuellen Anwendung von dem Usuellen, die allmählich usuell wird« (H.L237 Hermann Paul, Prinzipien 51920, 74f.; grundlegend mit Unterscheidung von drei »Hauptklassen« des Bedeutungswandels zuerst 21886, Kap. 4: Bedeutungswandel).
bedeutungslosohne Bedeutung, Gewicht‹, ›unwichtig‹: so wird man mir verzeihen, wenn ich sage, daß es [das Gedicht] mir zuletzt ganz trivial und bedeutungslos ward (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 46,266 LH), und
bedeutungsvollmit Bedeutung, Gehalt‹, ›wichtig‹, ›sinnreich‹: Er sah das wichtige und bedeutungsvolle Leben der Vornehmen und Großen in der Nahe (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 18,291 LH); ein bedeutungsvolles vorzeichen(Dahlmann; L059 DWb).
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