Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
außer
ahd. uz(z)ar, mhd. uzer, zu "aus".1 Präposition, ursprünglich lokal, sowohl Richtung (›aus … heraus‹) als auch Ruhe (›außerhalb‹) bezeichnend; mit Dativ: da mich Gott außer meines Vaters Hause wandern hieß (Luther); und soll den Farren außer dem Lager führen (Luther); es ist nichts außer dem Menschen, das ihn könnte gemein machen (Luther), so häufig in der Bibel und bis ins 19. Jahrhundert (vgl. L360 ZDW 10,84f.): suche die Quelle deiner Zufriedenheit in dir selbst, nicht außer dir auf (Lessing); außer seinem gewohnten Bette(Goethe); die öffentlichen Predigten sogar außer der Stadt zu verbieten (Schiller); außer dem Dorf (Pestalozzi); Fern außer dem Kanonenschusse (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Homburg 83); mit Genitiv: außer Weges wallen (Opitz), geblieben in außer Landes. Noch allgemein üblich ist außer in übertragenem Gebrauch mit bestimmten Zustandsbezeichnungen: außer Atem kommen/ sein, außer Fassung kommen/ sein, außer Gefahr, außer Zweifel, außerstande sein, außer acht lassen, außer der Reihe daran kommen, Major usw. außer Dienst. Ungewöhnlich: Ist es nicht außer der Zeit (Schiller). Zuweilen neben Verben der Bewegung mit Akkusativ: außer allen Kredit kommen (Goethe); außer allen Zweifel setzen (Schiller); im 18. Jahrhundert außer Maßen, ungewöhnlich außer alle Maßen (Lessing). Allgemein in außer sich sein/ geraten (vor Freude, Wut usw.), absolut: ich warf mich außer mir auf meine Knie(L092 GoeWb). Endlich ist außerabgesehen von, es sei denn‹ ich kenne niemand außer dir.
2 In der letzterwähnten Bedeutung erscheint außer auch als Konjunktion: niemand kommt mir entgegen außer ein Unverschämter (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Emilia Galotti 4,3); keinen außer dem Grafen Möser; daß einer Mutter, außer sie schreite zur zweyten Ehe, ein Inventarium angemuthet werde (L092 GoeWb). Allgemein, wo eine abhängige Flexion nicht möglich ist: nirgends außer in meinem Haus, niemals außer um Mitternacht; in Verbindung mit anderen Konjunktionen: außer daß, wenn, wo usw.
3 In Zusammensetzungen mit Adjektiven auf "-lich" drückt außer aus, daß etwas außerhalb des Zustandes ist, den das Adjektiv bezeichnet, vgl. außeramtlich, außerdienstlich, außerehelich, außergewöhnlich,außerordentlich (s. unten); es berührt sich also mit "un-"; ähnlich außereuropäisch, außerirdisch, außerweltlich, außermenschlich usw. (L092 GoeWb). Heute zusammengeschrieben
außerdem; es wird von A075 Johann Wolfgang von Goethe im Brief einmal eigentümlich angewendet, wo wir außerhalb (s. unten) setzen würden: es ist eine Art der fürchterlichsten Prosa hier in Weimar, wovon man außerdem nicht wohl einen Begriff hätte (an Schiller 15.10.96); sonst ist es ›abgesehen davon‹; im 18. Jahrhundert gebraucht man auch außerdem daß wie eine Konjunktion, vgl. außerdem daß mein Roman ziemlich vorruckt (Goethe); außerdem daß die obigen Gründe diese notwendig machen(Schiller).
außerordentlich (L308 Kaspar Stieler 1691) zu außer(3). Jetzt meist ›über das Gewöhnliche hinausgehend‹, adverbial ›sehr, ungemeindie Menschen sind … ganz außerordentlich verschieden (A019 Wolfgang Borchert, Draußen 155), doch auch noch in der ursprünglichen Bedeutung (lat. extraordinarius): außerordentliche Versammlung, außerordentliche Professur.
äußer- Adjektiv (ahd. ), aus außer abgeleitet, gebildet wie {{link}}inner{{/link}}-, "ober"-, "unter-", {{link}}vorder{{/link}}-, "hinter"- und wie diese ohne flexionslose Form. Der Umlaut ist lautlich nicht berechtigt und erst sekundär eingetreten (mhd. uzer), wohl vom Superlativ äußerst übernommen, indem die Analogie der regelmäßigen Komparative einwirkte; die unumgelautete Form ist erhalten in außerhalb. Der Superlativ bezeichnet auch den höchsten Grad: das äußerste Elend, die äußerste Erbitterung usw.; häufig substantiviert, vgl. wer wird auch gleich das Äußerste denken (Goethe); in Fällen, wo man jetzt "Extrem" vorziehen würde: zu einem Äußersten zu greifen (Schiller); die zwei Äußersten des menschlichen Verfalls (Schiller); besonders üblich ist aufs Äußerste treiben, ankommen lassen, gefaßt sein. Adverbial im räumlichen Sinn zu äußerst; als ⇓ "S080" Gradbezeichnung einfach äußerst, daneben aufs äußerste (erregt).
außerhalb (ahd. uzarhalb), gebildet aus dem Adjektiv äußer- und veraltet HalbeSeite‹ (↑ "halb"), ursprünglich also ›auf der äußeren Seite‹; es stellt sich dann der Richtungsbezeichnung "aus" als Ausdruck für die Ruhelage zur Seite, teilweise "außen" und außer(1) zurückdrängend. Es kann für sich stehen: er wohnt außerhalb; gewöhnlich mit Genitiv, früher nicht selten auch mit Dativ: außerhalb dem Bett (J. H.Miller); außerhalb dem Zirkel des Privatlebens(Wieland). Zuweilen auch als Richtungsbezeichnung: sich außerhalb der Macht des Talismans zu wagen (Wieland). Frühneuhochdeutsch erscheint es auch im Sinne von ›ausgenommen‹, auch adverbial.
äußerlich(mhd. ) Weiterbildung zu äußer-; dazu
Äußerlichkeit (mhd. ) in der Bedeutung ›(unbedeutende) äußere Form‹ (im Gegensatz zum Wesentlichen) seit Goethe häufiger (meist Plural): was sollen die Äußerlichkeiten gegen die Verworrenheit meines Innern? (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wanderjahre 24,165,12).
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