Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
aufklären
1 zunächst wie ↑ "aufklaren" reflexiv vom Wetter (L308 Kaspar Stieler 1691, L169 Matthias Kramer 1700);2 bald auch ›von Unwissen, Aberglauben, Vorurteilen u.dgl. befreien‹, unter Einfluß von engl. to enlighten (Milton), franz. éclairer (Leibniz) und im Zusammenhang mit der im Zeitalter der Vernunft allgemein verbreiteten Lichtmetaphorik ("erleuchten", "aufhellen" usw.), besonders im Partizipialadjektiv aufgeklärt, erstmals in Harsdörffers ›Frauenzimmergesprächsspiel‹ (1646): So staunet der Poet in aufgeklärtem Muht; ab den 1720er Jahren häufiger, so 1727 bei Brockes (L138 HWbPh 1,620) und Zinzendorf (L360 ZDW2,59), deutlich 1728 in A081 Johann Christoph Gottscheds ›Biedermann‹ (86, 5,141) mit Bezug auf Portugal, wo der »erleuchtete Monarch« das Inquisitionsgericht entmachtet hatte: Der Römische Hof … sein Eigensinn in diesem aufgeklärten Lande, in umfassendem Sinn 1741: wir … unsere Zeiten aufgeklärte Zeiten nennen können (›Stats- und Gelehrte Zeitung‹, Hamburg), vgl. noch A080 Johann Christoph Gottsched, Dichtkunst (41751,183): die Welt ist nunmehr viel aufgeklärter, als vor etlichen Jahrhunderten; A075 Johann Wolfgang von Goethe kann mit (2) schon spielen: Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt! / Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel (Faust I,4159); siehe unter Aufklärung(2);
3 ⇓ "S136" »(eine Gegend) auskundschaften (in der neuern Heersprache nach franz. éclairer)« (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), gebucht L265 Daniel Sanders, Erg. 1885.
Aufklärung ⇓ "S026"
1 als Wortbildung zu aufklären(1) bei L308 Kaspar Stieler 1691;
2.1 ⇓ "S168" in der aufklären(2) entsprechenden Bedeutung kaum vor ⇓ "S032" Mitte des 18.Jahrhunderts, bei Stieler 1695 (L307 Kaspar Stieler, ZeitungsLust 122) eher metaphorisch Aufklär- und Verbesserung des Verstandes; dann deutlicher 1759 Winckelmann (Von der Grazie; Kleine Schriften, hg. W.Rehm, 157): was bey Aufklärung des Verstandes und bey Vortheylen der Erziehung an neuern Werken gefällt; 1765 Mendelssohn (3L062 DWG 2,61): Bildung, Kultur und Aufklärung sind Modificationen des geselligen Lebens; 1770 Wieland: wenn das ägyptische Volk jemals zu einem so hohen Grade der Aufklärung sollte gelangen können; 1774 A121 Johann Gottfried Herder schon mit Vorbehalt: Die sogenannte Aufklärung und Bildung der Welt hat nur einen schmalen Streif des Erdballs berührt(5,564; ebenda 556 auch Aufklärer); gebucht bei L003 Johann Christoph Adelung 1774 mit Aufgeklärtheit; vgl. noch 1774 A232 Christian F. Schubart (Deutsche Chronik 406): daß Gellert und Rabener mehr Einfluß auf die sittliche Verbesserung Deutschlands, einer gewissen Folge der Geistesaufklärung gehabt haben, als Wolf; 1780 A177 Gotthold Ephraim Lessing (13,433): Oder soll das menschliche Geschlecht auf diese höchste Stufen der Aufklärung und Reinigkeit nie kommen? Berühmt ist die Preisfrage Was ist Aufklärung? und I.Kants Antwort (1784 Berliner Monatsschriften 4,481): Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. ⇓ "S139" Bald darauf wird Aufklärung als Modewort attackiert, so 1785 im ⇓ "S207" ›Teutschen Merkur‹: Das Wort Aufklärung fängt jetzt allmählich an, so wie die Wörter Genie, Kraft, gutes Herz, Empfindsamkeit und andere in üblen Ruf zu kommen (L360 ZDW3,164), 1792 im ›Journal des Luxus und der Moden‹ (493ff.) der Artikel Vorschlag das Mode=Wort, Aufklärung, abzuschaffen (empfohlen als Synonym: gesunde Vernunft); vgl. auch A163 Adolf Freiherr von Knigge: Man vergesse nicht, daß das, was wir Aufklärung nennen, andern vielleicht Verfinsterung scheint (3Umgang 53); A075 Johann Wolfgang von Goethe sieht (Maximen und Reflexionen 42.2,235) Fehler der sogenannten Aufklärung; zur Begriffsgeschichte L086 GG1,243ff.; L139 HWbRhet 1,1188ff.; L257 3RL1,160ff.;
2.2 zum ⇓ "S061" Epochenbegriff historisiert im 19. Jahrhundert, vgl. J.D.Strauß (1840): Zeitalter und Bereiche der Aufklärung(L138 HWbPh 1,634); P.Pütz, Die deutsche Aufklärung, 41991 (S. 11–13 frühe Wortbelege);
3 zu aufklären(3), z. B. Aufklärungsdienst (L265 Daniel Sanders, Erg.), Aufklärungsflieger (1935; L164 Friedrich Kluge);
4 verengt ›Unterrichtung über Fragen der Sexualität‹ ein Kino für Aufklärungsfilme (1919 B.A024 Bertolt Brecht, Lux in tenebris; 7,243).
3 ⇓ "S136" »(eine Gegend) auskundschaften (in der neuern Heersprache nach franz. éclairer)« (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), gebucht L265 Daniel Sanders, Erg. 1885.
Aufklärung ⇓ "S026"
1 als Wortbildung zu aufklären(1) bei L308 Kaspar Stieler 1691;
2.1 ⇓ "S168" in der aufklären(2) entsprechenden Bedeutung kaum vor ⇓ "S032" Mitte des 18.Jahrhunderts, bei Stieler 1695 (L307 Kaspar Stieler, ZeitungsLust 122) eher metaphorisch Aufklär- und Verbesserung des Verstandes; dann deutlicher 1759 Winckelmann (Von der Grazie; Kleine Schriften, hg. W.Rehm, 157): was bey Aufklärung des Verstandes und bey Vortheylen der Erziehung an neuern Werken gefällt; 1765 Mendelssohn (3L062 DWG 2,61): Bildung, Kultur und Aufklärung sind Modificationen des geselligen Lebens; 1770 Wieland: wenn das ägyptische Volk jemals zu einem so hohen Grade der Aufklärung sollte gelangen können; 1774 A121 Johann Gottfried Herder schon mit Vorbehalt: Die sogenannte Aufklärung und Bildung der Welt hat nur einen schmalen Streif des Erdballs berührt(5,564; ebenda 556 auch Aufklärer); gebucht bei L003 Johann Christoph Adelung 1774 mit Aufgeklärtheit; vgl. noch 1774 A232 Christian F. Schubart (Deutsche Chronik 406): daß Gellert und Rabener mehr Einfluß auf die sittliche Verbesserung Deutschlands, einer gewissen Folge der Geistesaufklärung gehabt haben, als Wolf; 1780 A177 Gotthold Ephraim Lessing (13,433): Oder soll das menschliche Geschlecht auf diese höchste Stufen der Aufklärung und Reinigkeit nie kommen? Berühmt ist die Preisfrage Was ist Aufklärung? und I.Kants Antwort (1784 Berliner Monatsschriften 4,481): Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. ⇓ "S139" Bald darauf wird Aufklärung als Modewort attackiert, so 1785 im ⇓ "S207" ›Teutschen Merkur‹: Das Wort Aufklärung fängt jetzt allmählich an, so wie die Wörter Genie, Kraft, gutes Herz, Empfindsamkeit und andere in üblen Ruf zu kommen (L360 ZDW3,164), 1792 im ›Journal des Luxus und der Moden‹ (493ff.) der Artikel Vorschlag das Mode=Wort, Aufklärung, abzuschaffen (empfohlen als Synonym: gesunde Vernunft); vgl. auch A163 Adolf Freiherr von Knigge: Man vergesse nicht, daß das, was wir Aufklärung nennen, andern vielleicht Verfinsterung scheint (3Umgang 53); A075 Johann Wolfgang von Goethe sieht (Maximen und Reflexionen 42.2,235) Fehler der sogenannten Aufklärung; zur Begriffsgeschichte L086 GG1,243ff.; L139 HWbRhet 1,1188ff.; L257 3RL1,160ff.;
2.2 zum ⇓ "S061" Epochenbegriff historisiert im 19. Jahrhundert, vgl. J.D.Strauß (1840): Zeitalter und Bereiche der Aufklärung(L138 HWbPh 1,634); P.Pütz, Die deutsche Aufklärung, 41991 (S. 11–13 frühe Wortbelege);
3 zu aufklären(3), z. B. Aufklärungsdienst (L265 Daniel Sanders, Erg.), Aufklärungsflieger (1935; L164 Friedrich Kluge);
4 verengt ›Unterrichtung über Fragen der Sexualität‹ ein Kino für Aufklärungsfilme (1919 B.A024 Bertolt Brecht, Lux in tenebris; 7,243).