Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
aufheben
ahd. ufheven, zu "auf"(1.1).1 Es ist partiell synonym mit "erheben", doch wird dieses nicht gebraucht, wenn es sich um einen liegenden Gegenstand handelt oder einen, der einen anderen verdeckt. Besonders mitteldeutsch und westoberdeutsch ›auflesen‹. Andererseits ist aufheben nicht in übertragenem Sinn üblich; veraltet ist das bei Luther häufige seine Stimme aufheben. Ferner ist das Reflexivum in intransitiver Funktion jetzt nur von "erheben" üblich, während frühneuhochdeutsch auch sich aufheben vorkommt, vgl. nachdem sich die Wolke aufhob von der Hütte (Luther), noch bei Goethe: Abt hebt sich auf (Götz).
2 Spezialisierungen:
2.1 veraltet jmdn. aufheben: ›plötzlich ergreifen und gefangennehmen‹, z. B. daß wir keinen Augenblick sicher sind, aufgehoben zu werden (A222 Friedrich Schiller, Räuber 1,2).
2.2 Frühneuhochdeutsch Zoll, Zinsen aufheben usw. wie jetzt "erheben"; danach Ehre, Schande u. dgl. aufheben ›erlangen‹, vgl. noch mit meinem Protegé habe ich wenig Ehre aufgehoben (Schiller).
2.3 Wenn man sagt den Tisch, die Tafel aufheben, so rührt das her aus der Zeit, wo wirklich die Tischplatte (siehe "Tisch", "Tafel") nach dem Essen von dem Gestell, auf dem sie ruhte, abgehoben wurde. Von solchen Wendungen aus und ähnlichen wie die Zelte, das Lager aufheben hat sich (frühnhd.) der Sinn
2.4 ›ein Ende mit etwas machen‹, ›etwas außer Kraft setzen‹ entwickelt, vgl. eine Belagerung, einen Vertrag, ein Gebot aufheben; Vorschulen bleiben aufgehoben (Grundgesetz BRD, Art. 7); sprichwörtlich aufgeschoben ist nicht aufgehoben; ähnlich
2.5 Ich will allen Unterschied zwischen uns [Herr und Diener] aufheben; in jener Welt … ist er ohnedies aufgehoben (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Sampson 3,7); einen Widerspruch aufheben (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Briefe 12,247,2); Verluste können den Gewinn aufheben; »dem philosophischen sprachgebrauch geht das aufheben über in verneinen« (L059 DWbmit Kant-Belegen), vgl. insbesondere Hegel: Aufheben und das Aufgehobensein (das Ideelle) ist einer der wichtigsten Begriffe der Philosophie (H.Glockner, Hegel-Lexikon, 21957,150); Unter aufheben verstehen wir einmal so viel als hinwegräumen, negieren, und sagen demgemäß z. B., ein Gesetz, eine Einrichtung usw. seien aufgehoben. Weiter heißt dann aber auch aufheben soviel als aufbewahren, und wir sprechen … davon, daß etwas wohl aufgehoben sei (G.W.F.Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften [1830], Frankfurt 21989,204); mit der entsprechenden Tendenz zu (2.6) ist dieser (letztere) Gebrauch in der (manirierten) Bildungssprache verbreitet; ⇓ "S101" .
2.6 Man kann etwas Daliegendes aufheben, damit es nicht verloren, zugrunde gehe, vgl. und huben auf, was übrig blieb an Brocken (Luther). Daher erhält aufheben den Sinn ›in Verwahrung tun oder haben‹ etwas zur Erinnerung aufheben; hebe mir das auf oder für mich; früher gewöhnlich auch von Personen, vgl. welcher Kaufherr mich in ein sauber Zimmer aufheben ließ (Grimmelshausen); sie könnte in dem Schoße der Seligkeit nicht aufgehobener sein (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Emilia Galotti 3,7), so etwa noch in der Wendung dort ist man gut aufgehoben ›gut untergebracht, wohl versorgt‹.
2.7 Bei sich (reziprok) aufheben: ›sich gleich kommen an Wert oder Wirkung‹ wird die Vorstellung zugrunde liegen, daß die verglichenen Dinge auf den beiden Schalen einer Waage liegen, vgl. aufheben sich geteilte Qualen, als wie sich aufhebt ein Gewicht, das man verteilt in beide Schalen (Rückert); auch entgegengesetzte Zahlenwerte können einander aufheben (L092 GoeWb), vgl. auch einfaches "heben": zehn gegen zehn hebt sich (auf).
2.8 Hieran schließt sich intransitiv mit jmdm. aufheben ›abrechnen‹ (veraltet), vgl. mit dem Wucherer aufzuheben(Schiller); bildlich hebt mit mir auf; denn sich gern selber lesen und gern im Spiegel sehn, ist beides Eitelkeit (Gellert); als ich auf immer mit der Krone aufgehoben (Schiller). Statt dessen gegen jmdn. aufheben: Sie haben auf meine Unkosten gelacht, jetzt lache ich auf die Ihrigen, und so heben wir gegeneinander auf (Schiller); so könnten wir für diesmal gegeneinander aufheben, ohne einander viel schuldig zu bleiben (Goethe, Briefe).
2.9 Von dem Aufheben der Waffen zum Fechten, wobei vielfach ein prahlerisches Getöse gemacht wurde, ist die Wendung hergenommen
⊚ ein Aufheben machen, heute: viel Aufhebens machen (Wieland), vgl. im andern Gespräch macht er mehr Aufhebens als die Klopffechter (Thomasius.) Die Erinnerung an den Ursprung lebt noch bei Lessing, vgl. endlich scheint Herr Hauptpastor Göze nach so langem ärgerlichen Aufheben, welches nur bei der schlechtesten Art von Klopffechtern im Gebrauch ist, zur Klinge kommen zu wollen.
2 Spezialisierungen:
2.1 veraltet jmdn. aufheben: ›plötzlich ergreifen und gefangennehmen‹, z. B. daß wir keinen Augenblick sicher sind, aufgehoben zu werden (A222 Friedrich Schiller, Räuber 1,2).
2.2 Frühneuhochdeutsch Zoll, Zinsen aufheben usw. wie jetzt "erheben"; danach Ehre, Schande u. dgl. aufheben ›erlangen‹, vgl. noch mit meinem Protegé habe ich wenig Ehre aufgehoben (Schiller).
2.3 Wenn man sagt den Tisch, die Tafel aufheben, so rührt das her aus der Zeit, wo wirklich die Tischplatte (siehe "Tisch", "Tafel") nach dem Essen von dem Gestell, auf dem sie ruhte, abgehoben wurde. Von solchen Wendungen aus und ähnlichen wie die Zelte, das Lager aufheben hat sich (frühnhd.) der Sinn
2.4 ›ein Ende mit etwas machen‹, ›etwas außer Kraft setzen‹ entwickelt, vgl. eine Belagerung, einen Vertrag, ein Gebot aufheben; Vorschulen bleiben aufgehoben (Grundgesetz BRD, Art. 7); sprichwörtlich aufgeschoben ist nicht aufgehoben; ähnlich
2.5 Ich will allen Unterschied zwischen uns [Herr und Diener] aufheben; in jener Welt … ist er ohnedies aufgehoben (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Sampson 3,7); einen Widerspruch aufheben (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Briefe 12,247,2); Verluste können den Gewinn aufheben; »dem philosophischen sprachgebrauch geht das aufheben über in verneinen« (L059 DWbmit Kant-Belegen), vgl. insbesondere Hegel: Aufheben und das Aufgehobensein (das Ideelle) ist einer der wichtigsten Begriffe der Philosophie (H.Glockner, Hegel-Lexikon, 21957,150); Unter aufheben verstehen wir einmal so viel als hinwegräumen, negieren, und sagen demgemäß z. B., ein Gesetz, eine Einrichtung usw. seien aufgehoben. Weiter heißt dann aber auch aufheben soviel als aufbewahren, und wir sprechen … davon, daß etwas wohl aufgehoben sei (G.W.F.Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften [1830], Frankfurt 21989,204); mit der entsprechenden Tendenz zu (2.6) ist dieser (letztere) Gebrauch in der (manirierten) Bildungssprache verbreitet; ⇓ "S101" .
2.6 Man kann etwas Daliegendes aufheben, damit es nicht verloren, zugrunde gehe, vgl. und huben auf, was übrig blieb an Brocken (Luther). Daher erhält aufheben den Sinn ›in Verwahrung tun oder haben‹ etwas zur Erinnerung aufheben; hebe mir das auf oder für mich; früher gewöhnlich auch von Personen, vgl. welcher Kaufherr mich in ein sauber Zimmer aufheben ließ (Grimmelshausen); sie könnte in dem Schoße der Seligkeit nicht aufgehobener sein (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Emilia Galotti 3,7), so etwa noch in der Wendung dort ist man gut aufgehoben ›gut untergebracht, wohl versorgt‹.
2.7 Bei sich (reziprok) aufheben: ›sich gleich kommen an Wert oder Wirkung‹ wird die Vorstellung zugrunde liegen, daß die verglichenen Dinge auf den beiden Schalen einer Waage liegen, vgl. aufheben sich geteilte Qualen, als wie sich aufhebt ein Gewicht, das man verteilt in beide Schalen (Rückert); auch entgegengesetzte Zahlenwerte können einander aufheben (L092 GoeWb), vgl. auch einfaches "heben": zehn gegen zehn hebt sich (auf).
2.8 Hieran schließt sich intransitiv mit jmdm. aufheben ›abrechnen‹ (veraltet), vgl. mit dem Wucherer aufzuheben(Schiller); bildlich hebt mit mir auf; denn sich gern selber lesen und gern im Spiegel sehn, ist beides Eitelkeit (Gellert); als ich auf immer mit der Krone aufgehoben (Schiller). Statt dessen gegen jmdn. aufheben: Sie haben auf meine Unkosten gelacht, jetzt lache ich auf die Ihrigen, und so heben wir gegeneinander auf (Schiller); so könnten wir für diesmal gegeneinander aufheben, ohne einander viel schuldig zu bleiben (Goethe, Briefe).
2.9 Von dem Aufheben der Waffen zum Fechten, wobei vielfach ein prahlerisches Getöse gemacht wurde, ist die Wendung hergenommen
⊚ ein Aufheben machen, heute: viel Aufhebens machen (Wieland), vgl. im andern Gespräch macht er mehr Aufhebens als die Klopffechter (Thomasius.) Die Erinnerung an den Ursprung lebt noch bei Lessing, vgl. endlich scheint Herr Hauptpastor Göze nach so langem ärgerlichen Aufheben, welches nur bei der schlechtesten Art von Klopffechtern im Gebrauch ist, zur Klinge kommen zu wollen.