Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Art
In althochdeutschen Glossen des 12.Jahrhunderts und noch im Mittelhochdeutschen gibt es ein art, das ›Ackerbau‹ bedeutet (z. B. in Artland, nördl. Osnabrück) und zu dem Verb erren(got. arjan) ›pflügen‹ gehört (vgl. lat. arare). Daß heutiges Art, das erst im Mittelhochdeutschen auftritt, etymologisch dazu gehört, ist nicht ganz auszuschließen (als semantische Zwischenglieder wären etwa ›Ackerland, Heimat, Herkunft‹ anzunehmen, vgl. jetzt wieder W.L244 Wolfgang Pfeifer); andere stellen es zu lat. ars›Kunst‹ (Genitiv artis), griech. ártios ›angemessen, richtig‹ (vgl. weiter L195 Albert L. Lloyd/ L195 Otto Springer). Eine bedeutungsgeschichtliche Entwicklung läßt sich nur schwer nachzeichnen, da die unter (1) und (2) notierten Verwendungsweisen schon um 1200 ausgebildet sind.1.1 Art bezeichnet eine durch Abstammung und daher auch durch Übereinstimmung in den Eigenschaften zusammengehörige Gruppe von Menschen, Tieren, Pflanzen (dazu das Sprichwort Art läßt nicht von Art), wird aber weiterhin auch gebraucht, wo keine genetische Grundlage besteht, also auch von leblosen Dingen, von Zuständen, Vorgängen und Tätigkeiten: verschiedene Arten von Edelsteinen, Fieber, Vergnügungen usw., bezeichnet dann v. a. in der Logik und ⇓ "S038" Biologie entsprechend dem Verhältnis von lat. genus und species die hierarchische Stufe unterhalb der ↑ "Gattung" (zur Begriffsgeschichte L138 HWbPh 1,525ff.); dazu Unterart.Zahlreiche Zusammensetzungen, bei L284 Justus Georg Schottelius 1663 u. a. "Lebensart", Lehrart, "Mundart", "Redensart", "Wortart".
1.2 Verbindungen wie eine Art (Wein, Äpfel), eine Art von (Ehe) gebraucht man, um etwas zu bezeichnen, was nicht eigentlich (z. B. nach der Terminologie eines Faches) der betreffenden Kategorie zugerechnet wird, sondern nur eine gewisse Ähnlichkeit damit hat, bzw. auch, um offen zu lassen, ob die Kategorisierung zutrifft.
2.1 Art bezeichnet ferner die angeborene (gute) Art, Natur, auch Abstammung, vgl.
aus der Art schlagen (1531; L060 2DWb), die individuelle Wesensart: seine cholerische Art,
2.2 auch eine beliebige Beschaffenheit, Eigenschaft, Besonderheit, Verhaltensweise: ein Stein von bröckeliger Art; seine ehrliche Art; seine Art zu lachen; häufig verbunden ⇓ "S243"
Art und Weise, adverbial ↑ "derart".
3 Schließlich (schon frühnhd.) ›gehöriges Betragen, gutes Benehmensie hat gar keine Art noch Geschick, ihren Zustand zu verbergen (Goethe); das ist keine Art, einen so hinzuhalten; besonders üblich
daß es eine Art hat, auch ironisch Das will ich Ihnen draufnageln, daß es eine Art hat! (A082 Christian Dietrich Grabbe, Scherz 1,4). ⇑ "Abart", "Unart".
Artgenosse zoologisch ›Tier gleicher Spezies‹ (1864; L060 2DWb).
arten (mhd. ) heute selten arten nach: ein sehr ernstes Kind, das nach der Mutter artete (Wiechert; L097 GWb); gewöhnlich im Partizip (gut, schlecht) geartet. ⇑ "ausarten", "entarten".
artig (mhd. ertec)
1 im 18. Jahrhundert noch mit weitem Bedeutungsfeld: von Personen, deren Verhalten und Erscheinungsbild ›höflich, schicklichEs ist nicht artig von dem Manne, der sonst so viel Lebensart zu haben scheint … eine Gesellschaft … ohne Abschied zu verlassen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lehrjahre 21,195,5), ›angenehm, ansprechend, anmutig‹; von Dingen ›angemessen, gehörigein Amt mit einem artigen Auskommen (L092 GoeWb); ›ansprechendein artiger Garten (L004 Johann Christoph Adelung); ›interessant, charakteristischeine recht artige Schrift (L092 GoeWb); auch ironisch ›sonderbar‹: Das ist doch ganz artig, sie verdammen mich, ohne mich gehört zu haben (Gellert; L004 Johann Christoph Adelung); gelegentlich quantitativ ›beträchtlich‹;
2"S029" speziell von Kindern ›wohlerzogen, folgsam, brav‹ (L169 Matthias Kramer 1700), hierauf heute im wesentlichen beschränkt (vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–34; ⇑ "brav", "lieb", "anständig", "geschickt").
ArtigkeitHöflichkeit, Liebenswürdigkeit‹, zu artig(1), im Plural ›Zeichen der Wertschätzung, Schmeicheleien‹ (veraltet) jmdm. Artigkeiten sagen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lehrjahre 22,270,7). Die meisten Zusammensetzungen mit
-artig (zu Art) sind relativ jung (alt ↑ "unartig"): "abartig"(↑ "Abart"); gutartig (17. Jahrhundert), "bösartig" früh auch ⇓ "S132" medizinisch: gutartige Geschwulst, bösartiger Tumor; im 18. Jahrhundert rasch zunehmend im Sinne von ›-ähnlich‹ (zu Art1.2) schlangenartig, schwammartig usw. (L305 Christoph Ernst Steinbach 1734); ⇓ "S126" zahlreiche Bildungen bei Goethe, u. a. eigenartig, fremdartig, "großartig" (vgl. L092 GoeWb).
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