Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
arm
gemeingermanisches Adjektiv, etymologisch wohl verwandt mit "Erbe" und "Arbeit", vgl. auch "barmherzig", "erbarmen".1elend, beklagenswert‹ (got. arms) ist eventuell die älteste Bedeutung (vgl. L122 2Hoops 1,415), doch schon althochdeutsch auch
2mittellos‹ bzw. ›wenig habend‹, früh formelhaft ⇓ "S243" arm und reichalle‹ (zur rechtssprachlichen Entwicklung vgl. L046 DRWb, L124 HRG); sprichwörtlich arm seyn ist eine Kunst / wers kan (L284 Justus Georg Schottelius 1663,1124); Die armen helffen all / daß kein reicher fall (L380 Sebastian Franck 1548,146). Besonders im religiösen Gebrauch vielfach übertragen: armer Sünder (dann auch rechtssprachlich ›zum Tode Verurteilter‹, L004 Johann Christoph Adelung), Armesünderbank, Armesünderglocke, arme Seele (zum Geisterglauben L140 HWDA1,584ff.), armer Teufel; Selig sind / die da geistlich arm sind / Denn das Himmelreich ist jr (A180 Martin Luther, Matthäus 5,3).
Armenhaus (frühnhd.; L039 Lorenz Diefenbach/ L039 Ernst Wülcker), heute ⇓ "S027" übertragen ›hinter der wirtschaftl. Entwicklung zurückgebliebene Region‹: das Armenhaus Europas.
Armenrecht (1697; L124 HRG) ›Recht Bedürftiger auf Befreiung von Kosten in Rechtssachen‹ (älter die Institution des Advocatus pauperum).
verarmenin Armut, Not geraten‹ (mhd. ).
ärmlich (ahd. ) ›dürftig, kümmerlichärmlich gekleidet; in ärmlichen Verhältnissen aufwachsen; ähnlich
armselig, im 15. Jahrhundert abgeleitet von mhd. armsalElend‹, doch stärker psychologisiert und wertend: falsche, armselige Höflinge zu verachten (L092 GoeWb), auch ›unzulänglich, kümmerlichdas Ergebnis ist armselig.
Armut ahd. als Fem. bzw. Neutr. ; ⇓ "S242" zur Endung, sekundär an Mut angelehnt, vgl. "Einöde", "Kleinod". Eine Hauptursache der Armut in den Wissenschaften ist meist eingebildeter Reichtum (B.A025 Bertolt Brecht, Galilei; 3,1304). Als Neutrum hielt es sich am längsten in der kollektiven Bedeutung ›die armen Leute‹, vgl. noch A177 Gotthold Ephraim Lessing (Nathan 4,3) mag das Armuth sehn / Wies fertig wird!; sprichwörtlichArmut studiert / Reichthumb jubiliert (L380 Sebastian Franck 1548,146). Jüngst politische Reizvokabel Armutsgrenze, u. a. verstanden als die Bemessungsgrenze für Sozialhilfe.
Armutszeugnis (1778 Hermes; L060 2DWb) ⇓ "S124" nach lat. testimonium paupertatis (z. B. zur Gebührenbefreiung an der Universität), im 19. Jahrhundert übertragen auf (geringe) geistige Fähigkeiten:
sich ein Armutszeugnis ausstellen (1865 L264 Daniel Sanders).
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