Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Arier
Singular; im Plural < ⇓ "S092" sanskrit. arya-(Adjektiv) ›edel, rechtmäßig‹ (anders L175 Friedrich Kluge/ L175 Elmar Seebold), ⇓ "S026"1.1 eine Selbstbezeichnung indo-iranischer Völker, als griech. Árioi schon bei Herodot, im Deutschen ArierPlural vereinzelt 1710 (L082 2FWb) und 1776 (nach franz. ariens; L164 Friedrich Kluge), dazu sprachwissenschaftlich arisch (1819 F.Schlegel; L352 WuS22,88): arische Sprache (statt Zendsprache).
1.2 Der Sprachwissenschaftler F.M.Müller versteht Mitte des 19. Jahrhunderts die Arierals indogermanische Sprachgruppe (mit Zentrum des Sanskrit), arischwird dann sprachwissenschaftlich in erweitertem Sinn auch wie ↑ "indogermanisch" verwendet.
2.1 Von J. A.de Gobineau werden die Arier »rassetheoretisch« (gegenüber den Semiten, zu denen Gobineau die Juden nicht rechnete; ↑ "Antisemitismus") erhöht, Germanen ihnen verglichen;
2.2 R.Wagner spricht von arische Race (1881; L164 Friedrich Kluge) als fanatischer Antisemit, wie überhaupt schon Ende 19. Jahrhundert Juden (↑ "Jude") als Gegensatz zu Arier verstanden werden; vgl. A210 Wilhelm Raabe: Seit man uns nicht mehr als Brunnenvergifter und Christenkindermörder totschlägt.., sind wir viel besser gestellt als ihr alle… , ihr Arier: Deutsche, Franzosen, Engländer (Hungerpastor, 6,129).
3 Im ⇓ "S145" Nationalsozialismus wurde der Begriff Arier zunächst durch das Berufsbeamtengesetz vom 7.4.33 und seine Durchführungsbestimmungen brisant, wonach kein Beamter »nicht arischer Abstammung« sein durfte, vielmehr der »Nachweis der arischen Abstammung« (kurz: Ariernachweis) für »die Ahnen bis um die Jahrhundertwende (1800)« zu erbringen war (bei Gelingen war auch Namensänderung möglich); einen entsprechenden sogenannten Arierparagraphen enthielten dann auch das Erbhofgesetz, das Hochschulgesetz, das Wehrgesetz, das Arbeitsdienstgesetz usw. Rassenpolitisch bedeutete »nicht arisch« soviel wie »jüdisch«, während eine positive Bestimmung von arisch weniger gelingen wollte, so daß im Reichsbürgergesetz und im Blutschutzgesetz Arier und arisch vermieden sind, vielmehr dafür »deutschen oder artverwandten Blutes« gesetzt ist, was bald (1935) zu »deutschblütig«, »Deutschblütiger« vereinfacht wurde. Einer der sogenannten Flüsterwitze lautete: Was ist ein Arier? Das Hinterteil von einem Proletarier(H.-J.Gamm, Der Flüsterwitz im Dritten Reich. 1963,117). Den offiziellen Sprachregelungen zum Trotz blieben arisch und Arier gängiger Sprachgebrauch. ⇓ "S145" Entsprechend werden ⇓ "S145" arisieren und Arisierung, gängig seit etwa 1935, synonym mit »entjuden« und »Entjudung« gebraucht; die Arisierungsverordnungen von 1938 meinen damit »Zwangsverkauf zu Niedrigpreisen oder entschädigungslose Enteignung jüdischen Eigentums«. L281 Cornelia Schmitz-Berning 54ff.
1.2 Der Sprachwissenschaftler F.M.Müller versteht Mitte des 19. Jahrhunderts die Arierals indogermanische Sprachgruppe (mit Zentrum des Sanskrit), arischwird dann sprachwissenschaftlich in erweitertem Sinn auch wie ↑ "indogermanisch" verwendet.
2.1 Von J. A.de Gobineau werden die Arier »rassetheoretisch« (gegenüber den Semiten, zu denen Gobineau die Juden nicht rechnete; ↑ "Antisemitismus") erhöht, Germanen ihnen verglichen;
2.2 R.Wagner spricht von arische Race (1881; L164 Friedrich Kluge) als fanatischer Antisemit, wie überhaupt schon Ende 19. Jahrhundert Juden (↑ "Jude") als Gegensatz zu Arier verstanden werden; vgl. A210 Wilhelm Raabe: Seit man uns nicht mehr als Brunnenvergifter und Christenkindermörder totschlägt.., sind wir viel besser gestellt als ihr alle… , ihr Arier: Deutsche, Franzosen, Engländer (Hungerpastor, 6,129).
3 Im ⇓ "S145" Nationalsozialismus wurde der Begriff Arier zunächst durch das Berufsbeamtengesetz vom 7.4.33 und seine Durchführungsbestimmungen brisant, wonach kein Beamter »nicht arischer Abstammung« sein durfte, vielmehr der »Nachweis der arischen Abstammung« (kurz: Ariernachweis) für »die Ahnen bis um die Jahrhundertwende (1800)« zu erbringen war (bei Gelingen war auch Namensänderung möglich); einen entsprechenden sogenannten Arierparagraphen enthielten dann auch das Erbhofgesetz, das Hochschulgesetz, das Wehrgesetz, das Arbeitsdienstgesetz usw. Rassenpolitisch bedeutete »nicht arisch« soviel wie »jüdisch«, während eine positive Bestimmung von arisch weniger gelingen wollte, so daß im Reichsbürgergesetz und im Blutschutzgesetz Arier und arisch vermieden sind, vielmehr dafür »deutschen oder artverwandten Blutes« gesetzt ist, was bald (1935) zu »deutschblütig«, »Deutschblütiger« vereinfacht wurde. Einer der sogenannten Flüsterwitze lautete: Was ist ein Arier? Das Hinterteil von einem Proletarier(H.-J.Gamm, Der Flüsterwitz im Dritten Reich. 1963,117). Den offiziellen Sprachregelungen zum Trotz blieben arisch und Arier gängiger Sprachgebrauch. ⇓ "S145" Entsprechend werden ⇓ "S145" arisieren und Arisierung, gängig seit etwa 1935, synonym mit »entjuden« und »Entjudung« gebraucht; die Arisierungsverordnungen von 1938 meinen damit »Zwangsverkauf zu Niedrigpreisen oder entschädigungslose Enteignung jüdischen Eigentums«. L281 Cornelia Schmitz-Berning 54ff.