Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
arg
gemeingermanisches Adjektiv (früh als arka ›feige‹ ins Finnische entlehnt; bei Paulus Diaconus arga›Furchtsamer, Nichtswürdiger‹ als langobardisches Scheltwort),1 althochdeutsch/ mittelhochdeutsch/ frühneuhochdeutsch gewöhnlich ›schlecht, böse‹ im moralischen Sinn: ihr hasset das Gute und liebet das Arge (Luther), auch noch später z. B. kein ärgeres Frauenzimmer (Lessing); daneben althochdeutsch/ mittelhochdeutsch auch speziell ›feige‹ und ›geizig‹. Selten ›geringwertig‹ ohne Bezug auf das Moralische: ein fauler Baum bringet arge Früchte (A180 Martin Luther, Matthäus 7,17); Kinder folgen der ärgern Hand (›erhalten bei verschiedenem Stand der Eltern den geringeren‹) Rechtssprichwort (in Varianten mhd. ; L320 Trübner); dazu
⊚ (sehr) im argen liegen (nach A180 Martin Luther, 1.Johannes 5,19). Vgl. dazu die Zusammensetzungen unten und ↑ "verargen".
2 Heute liegt in arg meistens zugleich die Vorstellung ›stark‹, und es berührt sich am nächsten mit "schlimm", vgl. arge Dinge; er treibt es arg; das ist (mir) zu arg.
3 Tritt arg zu Wörtern, die an sich etwas Schlimmes bezeichnen, so kommt es nur noch als ⇓ "S229" Verstärkung zur Geltung, vgl. ein arger Sünder, arge Unannehmlichkeiten. ⇓ "S025" So wird endlich arg besonders in ⇓ "S212" süddeutscher Umgangssprache auch neben Gutem und Angenehmem verstärkend wie ↑ "sehr" gebraucht (frühneuhochdeutsch beginnend), vgl. arg jung, arg gut bei Auerbach (L265 Daniel Sanders, Erg.). Vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–55.
Arglist zusammengewachsen (schon ahd. / mhd. ) aus dem Adjektiv argund "List", vgl. mit arger List (Schiller); dazu das Adjektiv
arglistig ›hinterlistig, heimtückisch‹ (um 1300) mit neuer Substantivbildung Arglistigkeit (noch H. v.Kleist).
Argwohn mhd. arcwan ›schlimme Vermutung‹ zusammengewachsen aus arger wan (nhd. ↑ "Wahn"; wa > wowie in wo und Woge; bei Luther argwohn neben argwahn). Während "Wahn" sich jetzt immer auf eine falsche Meinung bezieht, bleibt es bei der Verwendung von Argwohn unentschieden, ob durch die Tatsachen eine Berechtigung gegeben ist oder nicht. Daraus abgeleitet
argwöhnen, früher auch argwohnen (mhd. arcwænen), und
argwöhnisch (mhd. arcwænec, bei Luther argwehnig, argwonig). Das Neutrum
Arg(ahd. ) wird substantivisch gebraucht wie "Übel" u. a., aber nur noch negiert: kein Arg, ohne Arg. Er ist ohne Arg kann auch bedeuten ›er ahnt nichts Böses‹, entsprechend auch
arglos ›ohne Argwohn‹ (erst bei Bode, Wieland) mit
Arglosigkeit.
Ärger ⇓ "S075" ›Verstimmung‹, ›Unannehmlichkeit‹ erscheint erst seit dem 18. Jahrhundert (bei L003 Johann Christoph Adelung 1774 als besonders niedersächsisch) als ⇓ "S183" Rückbildung zu
ärgern. Dieses ist schon althochdeutsch Ableitung (ergiron) aus dem Komparativ ärger (wie "bessern"),
1 bedeutet also ursprünglich ›verschlechtern, verschlimmern‹. In der Bibelsprache ›zum Bösen veranlassen‹ (ärgert dich aber dein rechtes AugeMatthäus 5,29), dann ›Anstoß erregen‹.
2 Die gegenwärtige Bedeutung scheint sich zuerst in der reflexiven Verwendung bei den spätmittelhochdeutschen ⇓ "S142" Mystikern für lat. scandalizare entwickelt zu haben; sich an jmdm. oder über jmdn. ärgern ist in der Bibelsprache ›Anstoß an jmdm. nehmen‹; daraus die abgeschwächte Bedeutung ›Verdruß, Unmut empfinden‹ sich ärgern über; redensartlich sich schwarz/ grün und blau ärgern; dann auch transitiv (16. Jahrhundert); mit durativem Sinn
verärgern (mhd. ›verschlechtern‹), häufig passiv verärgert sein (über). Bei
ärgerlich (14. Jahrhundert) hat sich die Bedeutung der Bibelsprache ›Anstoß erregend‹ über die ⇓ "S170" Pietisten bis in die Mundarten verbreitet und am längsten in ärgerliches Leben erhalten neben den neueren, an das Substantiv angelehnten Bedeutungen ›Verdruß verursachend‹, ›Verdruß empfindend‹. ⇓ "S075" Noch besser hat
Ärgernis (um 1300; bei Luther anfangs Femininum, später meist Neutrum) die biblische Bedeutung ›scandalum‹ bewahrt. Früher war es aber seit Gottsched (L320 Trübner) auch sehr gebräuchlich im Sinne von ›Ärger‹, und dann häufig als Femininum: das geringste Ärgernis kann ihm schaden (Rabener); innerlich verzehrte ihn die Ärgernis(A075 Johann Wolfgang von Goethe, Egmont V; 8,294,5;) die Ärgernis über politische Niederlagen (Jean Paul).
⊚ (sehr) im argen liegen (nach A180 Martin Luther, 1.Johannes 5,19). Vgl. dazu die Zusammensetzungen unten und ↑ "verargen".
2 Heute liegt in arg meistens zugleich die Vorstellung ›stark‹, und es berührt sich am nächsten mit "schlimm", vgl. arge Dinge; er treibt es arg; das ist (mir) zu arg.
3 Tritt arg zu Wörtern, die an sich etwas Schlimmes bezeichnen, so kommt es nur noch als ⇓ "S229" Verstärkung zur Geltung, vgl. ein arger Sünder, arge Unannehmlichkeiten. ⇓ "S025" So wird endlich arg besonders in ⇓ "S212" süddeutscher Umgangssprache auch neben Gutem und Angenehmem verstärkend wie ↑ "sehr" gebraucht (frühneuhochdeutsch beginnend), vgl. arg jung, arg gut bei Auerbach (L265 Daniel Sanders, Erg.). Vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–55.
Arglist zusammengewachsen (schon ahd. / mhd. ) aus dem Adjektiv argund "List", vgl. mit arger List (Schiller); dazu das Adjektiv
arglistig ›hinterlistig, heimtückisch‹ (um 1300) mit neuer Substantivbildung Arglistigkeit (noch H. v.Kleist).
Argwohn mhd. arcwan ›schlimme Vermutung‹ zusammengewachsen aus arger wan (nhd. ↑ "Wahn"; wa > wowie in wo und Woge; bei Luther argwohn neben argwahn). Während "Wahn" sich jetzt immer auf eine falsche Meinung bezieht, bleibt es bei der Verwendung von Argwohn unentschieden, ob durch die Tatsachen eine Berechtigung gegeben ist oder nicht. Daraus abgeleitet
argwöhnen, früher auch argwohnen (mhd. arcwænen), und
argwöhnisch (mhd. arcwænec, bei Luther argwehnig, argwonig). Das Neutrum
Arg(ahd. ) wird substantivisch gebraucht wie "Übel" u. a., aber nur noch negiert: kein Arg, ohne Arg. Er ist ohne Arg kann auch bedeuten ›er ahnt nichts Böses‹, entsprechend auch
arglos ›ohne Argwohn‹ (erst bei Bode, Wieland) mit
Arglosigkeit.
Ärger ⇓ "S075" ›Verstimmung‹, ›Unannehmlichkeit‹ erscheint erst seit dem 18. Jahrhundert (bei L003 Johann Christoph Adelung 1774 als besonders niedersächsisch) als ⇓ "S183" Rückbildung zu
ärgern. Dieses ist schon althochdeutsch Ableitung (ergiron) aus dem Komparativ ärger (wie "bessern"),
1 bedeutet also ursprünglich ›verschlechtern, verschlimmern‹. In der Bibelsprache ›zum Bösen veranlassen‹ (ärgert dich aber dein rechtes AugeMatthäus 5,29), dann ›Anstoß erregen‹.
2 Die gegenwärtige Bedeutung scheint sich zuerst in der reflexiven Verwendung bei den spätmittelhochdeutschen ⇓ "S142" Mystikern für lat. scandalizare entwickelt zu haben; sich an jmdm. oder über jmdn. ärgern ist in der Bibelsprache ›Anstoß an jmdm. nehmen‹; daraus die abgeschwächte Bedeutung ›Verdruß, Unmut empfinden‹ sich ärgern über; redensartlich sich schwarz/ grün und blau ärgern; dann auch transitiv (16. Jahrhundert); mit durativem Sinn
verärgern (mhd. ›verschlechtern‹), häufig passiv verärgert sein (über). Bei
ärgerlich (14. Jahrhundert) hat sich die Bedeutung der Bibelsprache ›Anstoß erregend‹ über die ⇓ "S170" Pietisten bis in die Mundarten verbreitet und am längsten in ärgerliches Leben erhalten neben den neueren, an das Substantiv angelehnten Bedeutungen ›Verdruß verursachend‹, ›Verdruß empfindend‹. ⇓ "S075" Noch besser hat
Ärgernis (um 1300; bei Luther anfangs Femininum, später meist Neutrum) die biblische Bedeutung ›scandalum‹ bewahrt. Früher war es aber seit Gottsched (L320 Trübner) auch sehr gebräuchlich im Sinne von ›Ärger‹, und dann häufig als Femininum: das geringste Ärgernis kann ihm schaden (Rabener); innerlich verzehrte ihn die Ärgernis(A075 Johann Wolfgang von Goethe, Egmont V; 8,294,5;) die Ärgernis über politische Niederlagen (Jean Paul).