Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
anstehen
ahd. anastantan, anasten. 1 zu "stehen" in dem gewöhnlichen Sinne als Bezeichnung eines Zustandes, in dem man sich befindet.
1.1 Wenig üblich in konkreter Anwendung, vgl. von den anstehenden (›in der Nähe stehenden‹) Römern (Goethe); ein Blech, in welchem mehrere Öffnungen … oben an einer Horizontallinie anstehen. (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Farbenlehre; II,2,52,25). Man sagt ferner wohl das Bett steht nicht nahe genug anu. dgl.; bergmannssprachlich: Gestein steht anliegt zutage‹.
1.2 Reichlich dagegen entfaltet ist ein Gebrauch, der mittelhochdeutsch ausgegangen ist von Wendungen wie ein Kleid, ein Hut steht einem gut an(vgl. und werden mir meine Kleider scheußlich anstehen. (A180 Martin Luther, Hiob 9,31), wofür wir jetzt doch wieder bloßes gut stehen vorziehen. Danach abstrakt: es stehet einem Narren nicht wohl an, von hohen Dingen zu reden (Luther); die[Glieder], die uns übel anstehen (Luther); und entsprechend auch ohne adverbiale Bestimmung: Ihnen steht es an, so zart zu denken(Schiller). Verwandt ist mir steht es anes gefällt mir‹, ›ich möchte es gern haben‹.
2 Der älteren Funktion des Simplex gemäß (siehe "stehen"[1]) ›antreten‹, ›sich anstellen‹: zum Tanz, um ein Billett, um Zulassung zum Ankauf einer Ware anstehen, wollen Sie nicht mit anstehen (›sich beteiligen‹)? (L004 Johann Christoph Adelung); »In der Kriegszeit, als man vor den Lebensmittelläden Schlange stand, galt anstehen.« (L320 Trübner 1939); zeitlich ›bevorstehenanstehende Fragen, Arbeiten; veraltet ›in einen neuen Dienst treten‹.
3 Auch die Bedeutung ›zum Stehen kommen‹ im Gegensatz zu einer vorangegangenen Bewegung (siehe "stehen"[1]) liegt einer weiteren Entwicklung zugrunde, die mittelhochdeutsch beginnt, vgl. weiter Ottilie … stand an zu folgen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wahlverwandtschaften; 20,337,16), wofür wir jetzt sagen würden zögerte, verweilte (vgl. "Anstand"[1.1]); mit freierer Verbindung wirklich stand er bei sich an (indem er überlegte), ob nicht das Beste sei, das Wunder zu behaupten (Wieland); wir sind bei uns angestanden, ob wir dies Gesetz anführen wollten (Klopstock); veraltend ich stehe nicht anzögere nicht‹ mit Infinitiv. Früher häufiger war anstehen mit nichtpersönlichem Subjekt; es bezeichnet dann auch ursprünglich ein Stillstehen, das Eintreten einer Pause, wird dann aber auch für das Andauern einer Pause gebraucht, vgl. es kann anstehen bis morgen (Schiller); wie lange wird es noch anstehen, bis die verhältnisse sich ändern! (Hauff; L060 2DWb).
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