Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
anschauen
(ahd. )1 besonders ⇓ "S213" südostdeutsch wie sonst "ansehen", angucken, vgl. Auf Wiederschauen statt norddeutsch Auf Wiedersehen; vgl. auch einfaches "schauen".
2 In der mittelhochdeutschen ⇓ "S142" Mystik auf geistige Akte bezogen: diu verstantnisse … aneschouwete die warheit (Meister Eckhart; L072 Frühnhd.Wb.), in religiös-philosophischer Sprache für lat. intueri, contemplari; bei Wolff anschauende Erkänntnis entsprechend cognitio intuitiva (L247 Paul Piur 56). Bei A075 Johann Wolfgang von Goethe oft substantivisch sinnliches, unmittelbares Anschauen: Das unmittelbare Anschauen der Dinge ist mir alles, Worte sind mir weniger als je(Briefe 48,154), auch als Art des Erkennens: daß mein Anschauen selbst ein Denken, mein Denken ein Anschauen sei (L092 GoeWb). Entsprechend
Anschauung (ahd. L087 Glossen)
1 mehr auf sinnliche Erfahrung bezogen: fordere ich zu poetischer Darstellung eine unmittelbare Anschauung des Gegenstandes, der Begebenheit (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit 7; 27,109,17); Alles Denken … muß sich … zuletzt auf Anschauungen, mithin bei uns auf Sinnlichkeit beziehen (I.A152 Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft I §1); dazu Anschauungsunterricht (1854; L060 2DWb): Naturaufnahmen, wissenschaftliche Filme, herrlicher Anschauungsunterricht (L.A260 Ludwig Thoma, Gesammelte Werke [1956] 8,396);
2feste Meinung, Standpunkt, Ansichthatten seine politischen Anschauungen aber eine außerordentliche Festigkeit(A199 Robert Musil, Mann 89), vgl. "Weltanschauung". Zum philosophischen Begriff vgl. L138 HWbPh; L009 Ästhetische Grundbegriffe.
anschaulich (frühnhd.) seit Basedow pädagogischer Leitbegriff; weiter
Anschaulichkeit Herder, Goethe,
veranschaulichen Goethe.
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