Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
annehmen
(ahd. )1 mit einem von nehmen abhängigen Akkusativ. Es liegt dann niemals darin, wie es bei einfachem "nehmen" der Fall sein kann, daß etwas einem andern entzogen wird. Meistens drückt es aus, daß einem Angebot entsprochen wird, vgl. ein Geschenk, eine Einladung, einen Rat, einen Vorschlag, eine Warnung, eine Belehrung, Vernunft, eine Herausforderung, eine Widmung, einen Ruf, ein Amt, einen Besuch oder Besucher, einen zum Diener, einen zu Gnaden annehmen. In der älteren Sprache sagt man es mit jmdm. annehmen, wo wir jetzt "aufnehmen" gebrauchen würden, vgl. der es mit manchem Kantor annehmen könnte (Lessing). Das Objekt kann unausgedrückt bleiben: er hat angenommen (eine Einladung, einen Ruf). Hierher gehört auch etwas als richtig, als Wahrheit annehmenanerkennen, akzeptieren‹ (frühnhd.); weiter ich nehme an, daß (dies sich so verhält), zunächst auf das Annehmen einer von einem anderen ausgesprochenen Ansicht bezogen, dann ›hypothetisch voraussetzen‹ (L349 Christian Wolff), schließlich ›vermuten‹ (L092 GoeWb); dazu wie eine Konjunktion verwendet angenommen, daß oder angenommen, es regnet. Auch Fälle wie der Gegenstand nimmt die Feuchtigkeit leicht an können hierher gestellt werden. Doch kommt annehmen auch vor, wo es sich nicht um etwas von außen Dargebotenes, sondern um etwas aus eigener Initiative Ergriffenes handelt, vgl. einen Namen, eine Gestalt, eine Gewohnheit, eine Unart, den Schein von etwas annehmen; mit angenommener (erheuchelter) Ruhe, Gleichgültigkeit (L004 Johann Christoph Adelung). Frühneuhochdeutsch (24 Bedeutungen im L072 Frühnhd.Wb.) u. a. ›verhaften‹: als der Hauptmann nahe herzu kam, nahm er ihn an und hieß ihn binden (Luther).
2 Im Mittelhochdeutschen konnte zu annehmen noch ein zweiter von an abhängiger Akkusativ treten, und zwar das Reflexivpronomen. Diese Konstruktion ist im Neuhochdeutschen so umgebildet, daß der reflexive Akkusativ geblieben ist, dagegen statt des anderen entweder der Genitiv eingetreten ist (er nimmt sich des Kindes, der Wirtschaft an) oder landschaftlich (süddt.) Anknüpfung durch um, vgl. die sich um das Wohl unsers Theaters annehmen(Schiller); die Bedeutung ist spezialisiert ›sich kümmern um, sorgen für‹.
Annahme (L003 Johann Christoph Adelung 1774) älter annemung, entsprechend annehmen(1), besonders auch ›Vermutung‹.
Annehmlichkeit (L308 Kaspar Stieler mit Gegensatz Unannehmlichkeit) zu veraltet annehmlich (frühnhd.) ›akzeptabel‹, ›angenehm‹ (so noch Goethe). Annehmlichkeit ist heute Substantiv zu ↑ "angenehm"; häufig pluralisch ›angenehme Dingedie kleinen Annehmlichkeiten des Lebens.
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