Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Anarchie
(Wächtler 1709, davor lat. anarchia) < griech. anarchía ›Führerlosigkeit, Herrschaftslosigkeit‹; ⇓ "S175"1 »ein gemeines Wesen, so kein Ober-Haupt hat« (L386 Johann Christoph Nehring 81710); Anarchie des Mittelalters (1788; L086 GG); bei A075 Johann Wolfgang von Goethe übertragen auf den geistig-kulturellen Partikularismus der Deutschen: ob wir gleich, was Wissenschaft und Kunst betrifft, in der seltsamsten Anarchie leben (Farbenlehre; II,3,122,17); entsprechend dem griechischen Wortsinn im 18. Jahrhundert und auch später vielfach durchaus positiv verstanden, vgl. »Gesetz und Freiheit ohne Gewalt« (1798 I.A153 Immanuel Kant 7,330f. AA); religiös: Wahrhafte Anarchie ist das Zeugungselement der Religion (A202 Novalis, Christenheit, 3,511; sozialutopisch: Anarchie heißt … reine Selbstbestimmung des sozialen Menschen (1845; L086 GG1,99);
2 die negative Bedeutung ist früh vorhanden, vgl. in dem wilden Chaos der Anarchie (Wieland, Agathon 751; A038 Dig.Bib.); [die Metaphysik] artete … in völlige Anarchie aus(1781 I.A153 Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft; AA 4,8); sie verstärkt sich besonders vor dem Hintergrund der Französischen Revolution: »Zügellosigkeit« (L032 Joachim Heinrich Campe, Erg. 1801). Dazu
anarchisch ›gesetzlos, chaotisch‹ (Mitte des 18. Jahrhunderts): anarchische Zerrüttung (1792 A279 Christoph Martin Wieland, Sämtliche Werke [1853–58] 31,177);
Anarchist < franz. anarchiste, eine Wortbildung der Französischen Revolution: Freyheitsschwärmer und Anarchisten (1793 A279 Christoph Martin Wieland, Sämtliche Werke [1853–58] 31,477); »ein … Zügelloser« (L032 Joachim Heinrich Campe, Erg.); im heutigen politisch-radikalen Sinn nach 1871 geläufig (L360 ZDW 13,249);
Anarchismus philosophischer Anarchism (1802 Krug; L086 GG87), speziell auf die politische Theorie bezogen: Der Anarchismus … ist der Triumph der Faust, die Apotheose der rohen Gewalt (1918; L086 GG107); seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts häufig synonym zu ↑ "Terrorismus" (vgl. L030 Brisante Wörter 66);
anarchistisch (1819 Görres; L060 2DWb).
Anarcho ›Anarchist‹, als Personenbezeichnung ⇓ "S149" »eine Bildung der neuesten Zeit« (L030 Brisante Wörter 64), zuvor als Bestimmungswort in Anarchosozialismus, Anarchosyndikalismus, Anarcholook, Anarchoszene (vgl. L030 Brisante Wörter 72f.).
2 die negative Bedeutung ist früh vorhanden, vgl. in dem wilden Chaos der Anarchie (Wieland, Agathon 751; A038 Dig.Bib.); [die Metaphysik] artete … in völlige Anarchie aus(1781 I.A153 Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft; AA 4,8); sie verstärkt sich besonders vor dem Hintergrund der Französischen Revolution: »Zügellosigkeit« (L032 Joachim Heinrich Campe, Erg. 1801). Dazu
anarchisch ›gesetzlos, chaotisch‹ (Mitte des 18. Jahrhunderts): anarchische Zerrüttung (1792 A279 Christoph Martin Wieland, Sämtliche Werke [1853–58] 31,177);
Anarchist < franz. anarchiste, eine Wortbildung der Französischen Revolution: Freyheitsschwärmer und Anarchisten (1793 A279 Christoph Martin Wieland, Sämtliche Werke [1853–58] 31,477); »ein … Zügelloser« (L032 Joachim Heinrich Campe, Erg.); im heutigen politisch-radikalen Sinn nach 1871 geläufig (L360 ZDW 13,249);
Anarchismus philosophischer Anarchism (1802 Krug; L086 GG87), speziell auf die politische Theorie bezogen: Der Anarchismus … ist der Triumph der Faust, die Apotheose der rohen Gewalt (1918; L086 GG107); seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts häufig synonym zu ↑ "Terrorismus" (vgl. L030 Brisante Wörter 66);
anarchistisch (1819 Görres; L060 2DWb).
Anarcho ›Anarchist‹, als Personenbezeichnung ⇓ "S149" »eine Bildung der neuesten Zeit« (L030 Brisante Wörter 64), zuvor als Bestimmungswort in Anarchosozialismus, Anarchosyndikalismus, Anarcholook, Anarchoszene (vgl. L030 Brisante Wörter 72f.).