Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
alt
(engl. old) ist eine Partizipialbildung aus einem altgermanischen Verb got. alan›wachsen‹, vgl. lat. altus ›hoch(-gewachsen)‹ zu alere ›nähren‹. ⇑ "Eltern", "Welt".1 Es wurde daher wohl ursprünglich nur von Menschen, Tieren und Pflanzen gebraucht, und die älteste von den jetzt üblichen Bedeutungen ist
1.1 ›ein gewisses Alter habend‹ z. B. zwei Jahre alt; früher mit dem Genitiv, noch bei Klopstock eines Frühlings alt.
1.2 Danach bedeutet es denn für sich ›ein hohes Alter habend‹ und ist ⇓ "S012" Gegensatz zu "jung":
⊚ alt und grau werden nach (A180 Martin Luther, 1.Samuel 12,2). Den entsprechenden Doppelsinn haben wir bei den anderen Ausdrücken für räumliches und zeitliches Maß sowie für Intensitäten: groß, lang, breit, dick, hoch, tief, stark, schwer, wert. Entsprechend verhält es sich mit den dazu gehörigen Substantiven: Alter, Größe usw.
2 Schon althochdeutsch auch für leblose Gegenstände und für Zustände gebraucht im Sinne von ›seit längerer Zeit bestehend, vorhanden‹ ⇓ "S012" mit Gegensatz "neu", "modern", vgl. ein alter Hut; ein altes Haus; alter Adel; das Alte Testament; es geht alles seinen alten Gang; es bleibt alles beim alten; er ist noch der Alte; die Alte Welt (im Gegensatz zu den neu entdeckten Erdteilen).
3 Ebenfalls schon althochdeutsch bezeichnet es das, was früher einmal bestanden hat, vgl. der alte Argwohn lebt wieder auf; im 18. Jahrhundert sehr üblich die Alten (Griechen und Römer); die alte und die neue Regierung.
4 In bestimmten Verbindungen wie alter Freund, alter Junge, alter Knabe u.ä. auch geradezu ›vertraut, lieb‹ (seit dem 18. Jahrhundert);
5 in jüngerer (norddeutscher) Umgangssprache ›(wie bekannt) unangenehm, leidig‹ (L092 GoeWb) ein alter Gauner, alter Angeber. – Die Ältesten heißen die Vorsteher einer Genossenschaft, auch wenn sie nicht mehr wie zur Zeit, wo diese Benennung entstand, die an Lebensjahren ältesten sind; vgl. jetzt parlamentarisch ⇓ "S215" Ältestenrat. In ähnlicher Weise sind zu Bezeichnungen für ein Amt, eine Rangstufe geworden Altmeister (s. unten), Altgeselle; studentensprachlich altes Haus, alter Herr (⇑ "Haus", "Herr"). Der Chef wird beim Militär und sonst der Alte genannt, ziemlich unabhängig von seinem Alter; auch familiär vom Vater, vom Ehemann, im Plural von den Eltern (alles schon L092 GoeWb), früh auch von der Ehefrau (mein alta H.Sachs; L060 2DWb) oder überhaupt von einer Frau, auch in der niederdeutsch geprägten Form die Olle (1919 E.Lasker-Schüler, Die Wupper II). In der Schweiz (Altlandammann A222 Friedrich Schiller, Tell 2,2) und auch sonst wird Alt-Titeln vorgesetzt, um den früheren Inhaber des betreffenden Amtes zu bezeichnen: Altbürgermeister, Alt(bundes)kanzler, Altbundespräsident. Vgl. H.-J.Becker, Das Feld um alt, 1991.
altbacken mhd. Partizipialadjektiv (↑ "backen") ›vor längerer Zeit gebacken‹, also ›nicht mehr frisch‹, übertragen ›altmodisch, bieder‹, vgl. "hausbacken".
altdeutsch (16. Jahrhundert)
1.1 »nach Art der alten Deutschen« Altdeutsche Treue, Redlichkeit (L004 Johann Christoph Adelung); altdeutsch als Bezeichnung der (Haar-, Kleider-)Mode besonders nach den Befreiungskriegen bei den studentischen Burschenschaften usw., ⇓ "S029" heute als Stilbezeichnung für Möbel spezialisiert: saßen im Altdeutschen Zimmer in den Ritterstühlen (A166 Wolfgang Koeppen, Tauben 19); vgl. altfränkisch, altväterisch;
1.2 ⇓ "S061" Epochenbezeichnung (Mittelalter und Renaissance), vgl. L003 Johann Christoph Adelung 1774 Altdeutsch »alte deutsche Sprache«, so heute kaum noch, vgl. "althochdeutsch" ↑ "hoch".
altfränkisch im Sinne von ›altertümlich, altmodisch, obsolet‹ geht bis ins spätere Mittelalter zurück, wo es aber auch noch, wie ursprünglich, ›tüchtig, bieder‹ (um 1300) bedeuten kann. In einem neutral-historischen Sinn verwenden es noch Gottsched und Herder, heute besonders die Sprachwissenschaft (J.Franck, Altfränkische Grammatik), ausführlich L360 ZDW7,15ff.
altklug (1711; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) bedeutete ursprünglich wirklich ›durch Alter klug‹: Bei Rollenausteilungen wählte er sich die zärtlichsten Väter und wußte durch ein anständiges altkluges Benehmen … sich ein Übergewicht zu verschaffen(A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wanderjahre; 25,206,16); früh aber auch negativ, vgl. 1767 A121 Johann Gottfried Herder: Wo ist die Dithyrambensprache? Die unsre ist viel zu Philosophisch altklug (1,314), jetzt gewöhnlich von Kindern (A121 Johann Gottfried Herder 5,560).
Altlasten ⇓ "S172" Plural Die … Vernachlässigung der Abfallproblematik hat eine Hypothek an Altlasten entstehen lassen (1983; L030 Brisante Wörter); verwaltungssprachlich und besonders in der Umweltdiskussion ⇓ "S149" seit ca. 1985 verbreitet »stillgelegte Müllkippen, Halden mit Produktionsrückständen u.ä., die eine Gefahr für Umwelt und Grundwasser darstellen« (L322 UWb); juristischer Bezugspunkt ist das Abfallbeseitigungsgesetz von 1972/ 86 (↑ "Abfall"); inzwischen auch übertragen politische, wirtschaftliche, personelle Altlasten.
Altmeister
1 ursprünglich für den Ältesten, den Obermeister einer Zunft (L308 Kaspar Stieler): Weil Ihr ein Pfuscher seid, rief der Altmeister der Raschmacher (Nicolai, Sebaldus Nothanker 225; A038 Dig.Bib.);
2 L033 Joachim Heinrich Campe 1807 kennt den übertragenen Gebrauch (Altlasten der Gelehrten) und schlägt Altmeister als Ersatzwort für "Senior" vor; dann besonders durch den Bezug auf Goethe (1836 A036 Adalbert von Chamisso Altmeister Goethe; vgl. auch A074 Johann Wolfgang von Goethe, LH 47,93 – von F.Förster) modisch verbreitet.
altmodisch (1754; L081 FWb) Er trug … eine altmodische, also sehr moderne Brille (A156 Walter Kempowski, Hundstage 318).
Altsitzer (L033 Joachim Heinrich Campe) landschaftlich (norddt.) ›jmd. , der sich aufs Altenteil zurückgezogen hat‹.
Altvater (ahd. Otfrid) ›Stammvater‹, besonders für die biblischen Patriarchen; übertragen Altvater Homer (1769 Herder, Kritische Wälder 2,183, hg. Otto), Altvater Shakespeare (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit 28,348,5); personifizierend Altvater Rhein. Früher auch ähnlich wie Ältervater (s. unten) gebraucht, gelegentlich ›Großvater‹ (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 6.2.1797);
altväterisch ⇓ "S235" (1523; L060 2DWb) ›altmodisch, überholt‹ wenn man die altväterischen Sachen nur kan aufheben, sie werden alle wieder Mode (1726 Picander, Akademischer Schlendrian 83); in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts vorübergehend auch positiv: altväterische Treu (Zachariä; L004 Johann Christoph Adelung), s. oben altdeutsch; die positive bzw. neutrale Bedeutung übernahm dann aber im 18. Jahrhundert
altväterlich ⇓ "S235" (1492; L060 2DWb) Altväterliche Einfachheit, Sitten (L033 Joachim Heinrich Campe).
Altvordern ⇓ "S172" Plural ›Vorfahren‹, ahd. Singular altfordoro (ahd. fordoro ›Ahn‹); seit L037 Petrus Dasypodius 1536 gebucht, in den Wörterbüchern der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts fehlend oder als landschaftlich markiert, von L033 Joachim Heinrich Campe 1807 unter Berufung auf Wieland empfohlen (L178 Werner Kuhberg), mehrmals bei Goethe, heute nur mehr scherzhaft. Etwa seit dem 1. Weltkrieg unter dem Zwang der Wiederverwertung
Altwarenhandel, Altwarenhändler und
Altmetall (1916; L060 2DWb).
Altwasser ›Flußarm, der ehedem das Hauptbett war‹ (15. Jahrhundert).
Altweibersommer heißen einerseits die letzten warmen Tage, wie sie im Oktober einzutreten pflegen (auch "Nachsommer"), andererseits das im Spätsommer herumfliegende Gespinst (Spinnenfäden), welches auch Sommerfäden oder schlechthin "Sommer" (fliegender Sommer 1795 Jean Paul) genannt wird. Beide Bedeutungen L033 Joachim Heinrich Campe 1807, auch schon L003 Johann Christoph Adelung 1780 siehe unter "Sommer" (noch getrennt der alte Weiber Sommer). Übertragen Altweibersommer des Bürgertums (1989 FAZ 10.10., Literaturbeilage). (Vgl. A.Lehmann, Altweibersommer, Dissertation 1911.) Benennungsmotiv(e) unklar (L113 Rolf Hiersche).
Altenteil ›was sich jmd. bei Übergabe seines Besitzes an seine Kinder vorbehält‹ (L003 Johann Christoph Adelung 1774), besonders ⇓ "S159" norddeutsch, vgl. "Altsitzer".
Alter gemeingerm., ahd. altar,
1 ⇓ "S158" Eigenschaftsbezeichnung, der Verwendung des Adjektivs alt(1.1/ 1.2) entsprechend, vgl. in jugendlichem Alter, Alter und Jugend;
2 zuweilen kollektiv ›die alten Leute‹;
3 schon althochdeutsch auch ›Zeitabschnitt‹, so heute nur in Zusammensetzungen wie "Menschenalter", "Zeitalter", Weltalter, "Mittelalter".Dazu vor alters ›vor langer Zeit‹, von alters her.
Altertum
1 ›Alter, Bejahrtheit‹ Methusalems Alterthum (1664; L072 Frühnhd.Wb.), so noch bis ins 19. Jahrhundert;
2.1 ›Zeitalter, Weltalter‹ wie Alter(3), schon 1499 kölnisch alder doem (L072 Frühnhd.Wb.);
2.2 seit ca. 1700 besonders ⇓ "S061" ›Zeitalter in ferner Vergangenheit‹ (Günther; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) heidnisches, christliches Altertum (L003 Johann Christoph Adelung 1774) und v. a. nach Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums (1764) speziell »die schöne Zeit der Griechen und Römer« (L004 Johann Christoph Adelung), vgl. "Antike"(2); zugleich
3 meist Plural »Werke der Kunst, die aus alten Zeiten noch übrig sind« (L004 Johann Christoph Adelung) nicht allein griechische und römische Alterthümer, sondern auch die der mittlern Zeit Aufmerksamkeit verdienten (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise 14.9.86), Ersatzwort für "Antiquität"en.
altertümlich, ⇓ "S071" L033 Joachim Heinrich Campes ⇓ "S123" Ersatzwort für antik, zu Altertum(2), bei Goethe auch schon negativ ›altmodisch‹, ferner altertümeln, Altertümelei: der modernen Deutsch-Narrheit, der Frömmelei und Alterthümeley (1824; L092 GoeWb).
Ältervater (aldervader, eldervater 13./ 14. Jahrhundert, besonders ⇓ "S159" nord- und ⇓ "S165" ostmitteldeutsch),
1 ›Großvater‹ sein Amt … Von seinem Vater hat er es geerbt, Sein Ältervater hat es schon versehn (A112 Friedrich Hebbel, Genoveva 3,14), in der Form Altervater noch Th.Mann (L060 2DWb),
2 ›Urgroßvater‹ (Eltervater »des Grosvatern vater« L284 Justus Georg Schottelius 1663,258), als landschaftlich L004 Johann Christoph Adelung,
3 allgemein ›Ahnherr‹ Ihr stammt von einem lockern Ältervater [Adam], Der so beim Anbeginn der Dinge fiel(H.v.A160 Heinrich von Kleist, Zerbrochener Krug 1), s. oben "Altvater"; analog die Entwicklung von
Ältermutter (mhd. ).
Altersheim ⇓ "S149" ›Wohn- und Pflegeeinrichtung für alte Menschen‹ (1899; L060 2DWb), auch Altenheim, neuerdings gern ⇓ "S064" euphemistisch Seniorenheim, Seniorenresidenz;
Altersschwäche ›Gebrechlichkeit im Alter‹ (1797 Hufeland; L060 2DWb) und altersschwach (L033 Joachim Heinrich Campe).
Alterssprache
1 für die sprachlich-stilistischen Charakteristika im (höheren) Alter, bezogen auf ein Individuum (z. B. Goethes Alterssprache; 1898 Goethe-Jahrbuch 19,230) oder auf die Altersklasse, Gegensatz "Jugendsprache";
2 entsprechend "Alter"(1.1) für die Sprache einer (beliebigen) Altersklasse (z. B. 1985 G.Objartel, in: Mehrsprachigkeit in der deutschen Aufklärung, hg. D.Kimpel, 31), synonym Generationensprache.
altern gebucht erst L305 Christoph Ernst Steinbach 1734; alternden Schönheiten meine Aufwartung (Weiße; L004 Johann Christoph Adelung); es löst alten ›alt werden‹ (ahd. ) im 19. Jahrhundert ab und hatte wie dieses lange auch haben-Perfekt (Goethe ausschließlich); Andern altert das Herz zuerst und Andern der Geist. Und einige sind greis in der Jugend (A200 Friedrich Nietzsche, Zarathustra 94); älteres -alten blieb in ↑ "veralten".
ältlich (mhd. eltlich) ›ein wenig alt (wirkend)‹ von einer ältlichen aber rüstigen Frauensperson (L092 GoeWb).
1.1 ›ein gewisses Alter habend‹ z. B. zwei Jahre alt; früher mit dem Genitiv, noch bei Klopstock eines Frühlings alt.
1.2 Danach bedeutet es denn für sich ›ein hohes Alter habend‹ und ist ⇓ "S012" Gegensatz zu "jung":
⊚ alt und grau werden nach (A180 Martin Luther, 1.Samuel 12,2). Den entsprechenden Doppelsinn haben wir bei den anderen Ausdrücken für räumliches und zeitliches Maß sowie für Intensitäten: groß, lang, breit, dick, hoch, tief, stark, schwer, wert. Entsprechend verhält es sich mit den dazu gehörigen Substantiven: Alter, Größe usw.
2 Schon althochdeutsch auch für leblose Gegenstände und für Zustände gebraucht im Sinne von ›seit längerer Zeit bestehend, vorhanden‹ ⇓ "S012" mit Gegensatz "neu", "modern", vgl. ein alter Hut; ein altes Haus; alter Adel; das Alte Testament; es geht alles seinen alten Gang; es bleibt alles beim alten; er ist noch der Alte; die Alte Welt (im Gegensatz zu den neu entdeckten Erdteilen).
3 Ebenfalls schon althochdeutsch bezeichnet es das, was früher einmal bestanden hat, vgl. der alte Argwohn lebt wieder auf; im 18. Jahrhundert sehr üblich die Alten (Griechen und Römer); die alte und die neue Regierung.
4 In bestimmten Verbindungen wie alter Freund, alter Junge, alter Knabe u.ä. auch geradezu ›vertraut, lieb‹ (seit dem 18. Jahrhundert);
5 in jüngerer (norddeutscher) Umgangssprache ›(wie bekannt) unangenehm, leidig‹ (L092 GoeWb) ein alter Gauner, alter Angeber. – Die Ältesten heißen die Vorsteher einer Genossenschaft, auch wenn sie nicht mehr wie zur Zeit, wo diese Benennung entstand, die an Lebensjahren ältesten sind; vgl. jetzt parlamentarisch ⇓ "S215" Ältestenrat. In ähnlicher Weise sind zu Bezeichnungen für ein Amt, eine Rangstufe geworden Altmeister (s. unten), Altgeselle; studentensprachlich altes Haus, alter Herr (⇑ "Haus", "Herr"). Der Chef wird beim Militär und sonst der Alte genannt, ziemlich unabhängig von seinem Alter; auch familiär vom Vater, vom Ehemann, im Plural von den Eltern (alles schon L092 GoeWb), früh auch von der Ehefrau (mein alta H.Sachs; L060 2DWb) oder überhaupt von einer Frau, auch in der niederdeutsch geprägten Form die Olle (1919 E.Lasker-Schüler, Die Wupper II). In der Schweiz (Altlandammann A222 Friedrich Schiller, Tell 2,2) und auch sonst wird Alt-Titeln vorgesetzt, um den früheren Inhaber des betreffenden Amtes zu bezeichnen: Altbürgermeister, Alt(bundes)kanzler, Altbundespräsident. Vgl. H.-J.Becker, Das Feld um alt, 1991.
altbacken mhd. Partizipialadjektiv (↑ "backen") ›vor längerer Zeit gebacken‹, also ›nicht mehr frisch‹, übertragen ›altmodisch, bieder‹, vgl. "hausbacken".
altdeutsch (16. Jahrhundert)
1.1 »nach Art der alten Deutschen« Altdeutsche Treue, Redlichkeit (L004 Johann Christoph Adelung); altdeutsch als Bezeichnung der (Haar-, Kleider-)Mode besonders nach den Befreiungskriegen bei den studentischen Burschenschaften usw., ⇓ "S029" heute als Stilbezeichnung für Möbel spezialisiert: saßen im Altdeutschen Zimmer in den Ritterstühlen (A166 Wolfgang Koeppen, Tauben 19); vgl. altfränkisch, altväterisch;
1.2 ⇓ "S061" Epochenbezeichnung (Mittelalter und Renaissance), vgl. L003 Johann Christoph Adelung 1774 Altdeutsch »alte deutsche Sprache«, so heute kaum noch, vgl. "althochdeutsch" ↑ "hoch".
altfränkisch im Sinne von ›altertümlich, altmodisch, obsolet‹ geht bis ins spätere Mittelalter zurück, wo es aber auch noch, wie ursprünglich, ›tüchtig, bieder‹ (um 1300) bedeuten kann. In einem neutral-historischen Sinn verwenden es noch Gottsched und Herder, heute besonders die Sprachwissenschaft (J.Franck, Altfränkische Grammatik), ausführlich L360 ZDW7,15ff.
altklug (1711; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) bedeutete ursprünglich wirklich ›durch Alter klug‹: Bei Rollenausteilungen wählte er sich die zärtlichsten Väter und wußte durch ein anständiges altkluges Benehmen … sich ein Übergewicht zu verschaffen(A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wanderjahre; 25,206,16); früh aber auch negativ, vgl. 1767 A121 Johann Gottfried Herder: Wo ist die Dithyrambensprache? Die unsre ist viel zu Philosophisch altklug (1,314), jetzt gewöhnlich von Kindern (A121 Johann Gottfried Herder 5,560).
Altlasten ⇓ "S172" Plural Die … Vernachlässigung der Abfallproblematik hat eine Hypothek an Altlasten entstehen lassen (1983; L030 Brisante Wörter); verwaltungssprachlich und besonders in der Umweltdiskussion ⇓ "S149" seit ca. 1985 verbreitet »stillgelegte Müllkippen, Halden mit Produktionsrückständen u.ä., die eine Gefahr für Umwelt und Grundwasser darstellen« (L322 UWb); juristischer Bezugspunkt ist das Abfallbeseitigungsgesetz von 1972/ 86 (↑ "Abfall"); inzwischen auch übertragen politische, wirtschaftliche, personelle Altlasten.
Altmeister
1 ursprünglich für den Ältesten, den Obermeister einer Zunft (L308 Kaspar Stieler): Weil Ihr ein Pfuscher seid, rief der Altmeister der Raschmacher (Nicolai, Sebaldus Nothanker 225; A038 Dig.Bib.);
2 L033 Joachim Heinrich Campe 1807 kennt den übertragenen Gebrauch (Altlasten der Gelehrten) und schlägt Altmeister als Ersatzwort für "Senior" vor; dann besonders durch den Bezug auf Goethe (1836 A036 Adalbert von Chamisso Altmeister Goethe; vgl. auch A074 Johann Wolfgang von Goethe, LH 47,93 – von F.Förster) modisch verbreitet.
altmodisch (1754; L081 FWb) Er trug … eine altmodische, also sehr moderne Brille (A156 Walter Kempowski, Hundstage 318).
Altsitzer (L033 Joachim Heinrich Campe) landschaftlich (norddt.) ›jmd. , der sich aufs Altenteil zurückgezogen hat‹.
Altvater (ahd. Otfrid) ›Stammvater‹, besonders für die biblischen Patriarchen; übertragen Altvater Homer (1769 Herder, Kritische Wälder 2,183, hg. Otto), Altvater Shakespeare (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit 28,348,5); personifizierend Altvater Rhein. Früher auch ähnlich wie Ältervater (s. unten) gebraucht, gelegentlich ›Großvater‹ (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 6.2.1797);
altväterisch ⇓ "S235" (1523; L060 2DWb) ›altmodisch, überholt‹ wenn man die altväterischen Sachen nur kan aufheben, sie werden alle wieder Mode (1726 Picander, Akademischer Schlendrian 83); in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts vorübergehend auch positiv: altväterische Treu (Zachariä; L004 Johann Christoph Adelung), s. oben altdeutsch; die positive bzw. neutrale Bedeutung übernahm dann aber im 18. Jahrhundert
altväterlich ⇓ "S235" (1492; L060 2DWb) Altväterliche Einfachheit, Sitten (L033 Joachim Heinrich Campe).
Altvordern ⇓ "S172" Plural ›Vorfahren‹, ahd. Singular altfordoro (ahd. fordoro ›Ahn‹); seit L037 Petrus Dasypodius 1536 gebucht, in den Wörterbüchern der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts fehlend oder als landschaftlich markiert, von L033 Joachim Heinrich Campe 1807 unter Berufung auf Wieland empfohlen (L178 Werner Kuhberg), mehrmals bei Goethe, heute nur mehr scherzhaft. Etwa seit dem 1. Weltkrieg unter dem Zwang der Wiederverwertung
Altwarenhandel, Altwarenhändler und
Altmetall (1916; L060 2DWb).
Altwasser ›Flußarm, der ehedem das Hauptbett war‹ (15. Jahrhundert).
Altweibersommer heißen einerseits die letzten warmen Tage, wie sie im Oktober einzutreten pflegen (auch "Nachsommer"), andererseits das im Spätsommer herumfliegende Gespinst (Spinnenfäden), welches auch Sommerfäden oder schlechthin "Sommer" (fliegender Sommer 1795 Jean Paul) genannt wird. Beide Bedeutungen L033 Joachim Heinrich Campe 1807, auch schon L003 Johann Christoph Adelung 1780 siehe unter "Sommer" (noch getrennt der alte Weiber Sommer). Übertragen Altweibersommer des Bürgertums (1989 FAZ 10.10., Literaturbeilage). (Vgl. A.Lehmann, Altweibersommer, Dissertation 1911.) Benennungsmotiv(e) unklar (L113 Rolf Hiersche).
Altenteil ›was sich jmd. bei Übergabe seines Besitzes an seine Kinder vorbehält‹ (L003 Johann Christoph Adelung 1774), besonders ⇓ "S159" norddeutsch, vgl. "Altsitzer".
Alter gemeingerm., ahd. altar,
1 ⇓ "S158" Eigenschaftsbezeichnung, der Verwendung des Adjektivs alt(1.1/ 1.2) entsprechend, vgl. in jugendlichem Alter, Alter und Jugend;
2 zuweilen kollektiv ›die alten Leute‹;
3 schon althochdeutsch auch ›Zeitabschnitt‹, so heute nur in Zusammensetzungen wie "Menschenalter", "Zeitalter", Weltalter, "Mittelalter".Dazu vor alters ›vor langer Zeit‹, von alters her.
Altertum
1 ›Alter, Bejahrtheit‹ Methusalems Alterthum (1664; L072 Frühnhd.Wb.), so noch bis ins 19. Jahrhundert;
2.1 ›Zeitalter, Weltalter‹ wie Alter(3), schon 1499 kölnisch alder doem (L072 Frühnhd.Wb.);
2.2 seit ca. 1700 besonders ⇓ "S061" ›Zeitalter in ferner Vergangenheit‹ (Günther; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) heidnisches, christliches Altertum (L003 Johann Christoph Adelung 1774) und v. a. nach Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums (1764) speziell »die schöne Zeit der Griechen und Römer« (L004 Johann Christoph Adelung), vgl. "Antike"(2); zugleich
3 meist Plural »Werke der Kunst, die aus alten Zeiten noch übrig sind« (L004 Johann Christoph Adelung) nicht allein griechische und römische Alterthümer, sondern auch die der mittlern Zeit Aufmerksamkeit verdienten (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise 14.9.86), Ersatzwort für "Antiquität"en.
altertümlich, ⇓ "S071" L033 Joachim Heinrich Campes ⇓ "S123" Ersatzwort für antik, zu Altertum(2), bei Goethe auch schon negativ ›altmodisch‹, ferner altertümeln, Altertümelei: der modernen Deutsch-Narrheit, der Frömmelei und Alterthümeley (1824; L092 GoeWb).
Ältervater (aldervader, eldervater 13./ 14. Jahrhundert, besonders ⇓ "S159" nord- und ⇓ "S165" ostmitteldeutsch),
1 ›Großvater‹ sein Amt … Von seinem Vater hat er es geerbt, Sein Ältervater hat es schon versehn (A112 Friedrich Hebbel, Genoveva 3,14), in der Form Altervater noch Th.Mann (L060 2DWb),
2 ›Urgroßvater‹ (Eltervater »des Grosvatern vater« L284 Justus Georg Schottelius 1663,258), als landschaftlich L004 Johann Christoph Adelung,
3 allgemein ›Ahnherr‹ Ihr stammt von einem lockern Ältervater [Adam], Der so beim Anbeginn der Dinge fiel(H.v.A160 Heinrich von Kleist, Zerbrochener Krug 1), s. oben "Altvater"; analog die Entwicklung von
Ältermutter (mhd. ).
Altersheim ⇓ "S149" ›Wohn- und Pflegeeinrichtung für alte Menschen‹ (1899; L060 2DWb), auch Altenheim, neuerdings gern ⇓ "S064" euphemistisch Seniorenheim, Seniorenresidenz;
Altersschwäche ›Gebrechlichkeit im Alter‹ (1797 Hufeland; L060 2DWb) und altersschwach (L033 Joachim Heinrich Campe).
Alterssprache
1 für die sprachlich-stilistischen Charakteristika im (höheren) Alter, bezogen auf ein Individuum (z. B. Goethes Alterssprache; 1898 Goethe-Jahrbuch 19,230) oder auf die Altersklasse, Gegensatz "Jugendsprache";
2 entsprechend "Alter"(1.1) für die Sprache einer (beliebigen) Altersklasse (z. B. 1985 G.Objartel, in: Mehrsprachigkeit in der deutschen Aufklärung, hg. D.Kimpel, 31), synonym Generationensprache.
altern gebucht erst L305 Christoph Ernst Steinbach 1734; alternden Schönheiten meine Aufwartung (Weiße; L004 Johann Christoph Adelung); es löst alten ›alt werden‹ (ahd. ) im 19. Jahrhundert ab und hatte wie dieses lange auch haben-Perfekt (Goethe ausschließlich); Andern altert das Herz zuerst und Andern der Geist. Und einige sind greis in der Jugend (A200 Friedrich Nietzsche, Zarathustra 94); älteres -alten blieb in ↑ "veralten".
ältlich (mhd. eltlich) ›ein wenig alt (wirkend)‹ von einer ältlichen aber rüstigen Frauensperson (L092 GoeWb).