Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
abziehen
ahd. abaziohan, mhd. / frühnhd. bereits reich entfaltete Bedeutungen (vgl. L072 Frühnhd.Wb.),1.1ziehend entfernen‹, konkret z. B. Fell, Schuhe, Hut, Schlüssel abziehen, phraseologisch die Hand abziehen von jmdm. nicht mehr schützen‹ (A180 Martin Luther, Josua 10,6 u.ö.); hierzu – in Berührung mit (5) – Abziehbild (vor 1885; L265 Daniel Sanders, Erg.), besonders als Kinderspielzeug,
1.2 intransitiv ›sich entfernenenttäuscht abziehen, ⇓ "S136" militärisch ›abmarschieren‹, auch von Rauch, Wasser, Gewitter u.dgl. Früh vielfach übertragen,
2abbringen, ablenkendaß sie bald seine Aufmerksamkeit von dem Schauspiel ab und auf sich allein gezogen habe (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lehrjahre I 15; 21,94,10),
3 (veraltet) ›ableiten, abstrahieren‹, schon in mittelhochdeutscher Mystik (Meister Eckhart), dann besonders im 18./ 19. Jahrhundert abgezogenabstrakt‹: wörter, welche nicht bilder, sondern blosze zeichen abgezogener begriffe sind (Wieland; L059 DWb); Hinter allen abgezogenen bedeutungen des worts liegt eine sinnliche und anschauliche auf dem grund, die … die erste und ursprüngliche war (1854 J.Grimm, Vorrede zum L059 DWb, XLV);
4"S106""S130" kaufmannssprachlich/ mathematisch ›subtrahieren‹ (1343; L046 DRWb; vgl. L276 Alfred Schirmer, Mathematik),
5nachbilden‹ (in bezug auf Siegel schon 1494; L072 Frühnhd.Wb.), im Druckwesen ›einen Abzug machen‹ (1697; L060 2DWb) »nur von einzelen Bögen, z. B. von den Probe- und Correcturbögen gebraucht« (L003 Johann Christoph Adelung 1774), dann auch einen Film abziehenkopieren‹, heute auch wie xerokopieren.
6 In der Bier- und ⇓ "S234" Weinherstellung ›vom Bodensatz abfließen lassen (und umfüllen)‹ (1347; L060 2DWb), später nur noch ›(vom Faß in Flaschen) umfüllen‹ (L003 Johann Christoph Adelung 1774), metaphorisch: wir verschiedene Ansichten haben und an verschiedenen Fässern abgezogen sind (A296 Carl Zuckmayer, General 543).
7 An Waffen ›den Abzug betätigen‹, also ›schießen‹ (17. Jahrhundert).
8 Im handwerklichen Bereich ferner etwa ›(Flächen) glätten‹, ›(Messer) schärfen‹ seit dem 16./ 17. Jahrhundert.
9 Umgangssprachlich seit ca. 1920 ›routiniert darbieten, veranstalten‹, aus dem ⇓ "S103" Theaterjargon: ein Stück, eine Rolle abziehen(L304 Joachim Stave 186); jetzt besonders: eine Schau/ Show abziehen, auch übertragen ›sich auffällig gebärden, Eindruck schinden‹. ↑ "Abzug".
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