Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Abenteuer
Neutr. , mhd. aventiure < franz. aventure (< vulgärlat. adventura Partizip Futur Plural ›was auf einen zukommt‹); mhd. Fem. und so vereinzelt noch im 18. Jahrhundert (auch Avanture), als Neutrum zuerst mittelniederdeutsch, herrschend dann im 16. Jahrhundert. ⇓ "S146" Nebenform Ebenteuer (schon mhd. ) wohl durch Sekundärumlaut und Anlehnung an lat. eventus ›Ereignis‹, verbreitet v. a. auf niederdeutschem und mitteldeutschem Gebiet, auch bei Luther und noch um 1800 (L033 Joachim Heinrich Campe); volksetymologisch an "Abend" angelehnt in der Schreibung Abendteuer (L092 GoeWb). ⇓ "S026"1 Der Begriff wird in den ⇓ "S032" Artusromanen geprägt, Abenteuer bezeichnet zunächst etwas Merkwürdiges, meist Gefährliches, das dem Ritter (unterwegs, unverhofft) begegnet und woran er sich bewähren kann (vgl. ich suoche aventiure: Hartmann von Aue, Iwein 525); schon um 1200 neben ›ritterlicher Kampf, kühnes Unternehmen‹ auch ›Geschick, Zufall‹, ›außergewöhnliches Ereignis, Erlebnis‹, ›Erzählung, Erzähleinheit‹ (vgl. Nibelungenlied) und ›Quelle, Vorlage‹, öfter in Personifikation (vgl. als uns diu aventiure zalt: Hartmann von Aue, Erec 743; frou aventiure: Wolfram von Eschenbach, Parzival 433,7).
2 Die in der älteren Sprache, besonders im Frühneuhochdeutschen entwickelten spezielleren Bedeutungen (›geheime Kunst‹, ›Machenschaft‹, ›Liebhaberstück‹, ›Spektakel, Schauspiel‹, ›Wettschießen‹, ›Preis beim Wettbewerb‹, kaufmannsprachlich ›Risiko‹ u. a.) leben nur vereinzelt in der neueren Schriftsprache nach, so ›Fabelwesen, Monstrum‹ bei A075 Johann Wolfgang von Goethe: Meßbuden, wo man wilde Thiere oder sonstige Abenteuer für Geld sehen läßt (Italienische Reise, 31,206,20).
3 Vielmehr ⇓ "S148" schließt die seit dem 18. Jahrhundert herrschende Bedeutung ›gewagtes Unternehmen, aufregendes, gefahrvolles Erlebnis‹ wieder an die höfische, romanhafte (»romantische«) Tradition an, wenn auch gewöhnlich auf andere Verhältnisse angewandt und oft ironisch distanziert, vgl. bei A279 Christoph Martin Wieland: Die Abentheuer des Don Sylvio von Rosalva (Titel, 1767); Der Paladin, mit dessen Abentheuern / Wir euch zu ergetzen … Entschlossen sind (Oberon, 1,9); ferner A075 Johann Wolfgang von Goethe über seine Harzreise: Ganz allein zu Pferde, im drohenden Schnee, unternahm der Dichter ein Abenteuer, das man bizarr nennen könnte (41.1,330,15); im 20. Jahrhundert dazu neue Zusammensetzungen wie Abenteuerroman, Abenteuerfilm und Verflachungen wie in Abenteuerspielplatz (engl. adventure playground), Abenteuerlauf, Abenteuerurlaub u. a.;
3.1 besonders aber im politisch-militärischen Sinn entwickelt: das nationalsozialistische Abenteuer(Th.Mann; L060 2DWb);
3.2 ferner in die geistige Sphäre transponiert: Eine Hypothese solcher Art kann man ein gewagtes Abenteuer der Vernunft nennen(I.A152 Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft §80); Mein Leben ein einzig Abenteuer … Streben nach Erwerb dessen, was sie [die Natur] nicht in mich gelegt hat (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 26,364); F.Crick, Ein irres Unternehmen – Die Doppelhelix und das Abenteuer Molekularbiologie, 1990;
3.3 seit dem 17./ 18. Jahrhundert besonders ausgeprägt in der erotischen Sphäre ›Liebesaffäre‹ galantes Abenteuer (L092 GoeWb); dies verliebte Erdenabenteuer (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Amphitryon 3,2).
abenteuern schon mittelhochdeutsch (Wolfram von Eschenbach, Parzival 249,4), in neuerer Zeit wenig gebräuchlich (fehlt Goethe);
Abenteurer (aventiurære Gottfried von Straßburg, Tristan 9234),
1 frühnhd. ›wandernder Händler‹, ›Gaukler‹,
2 unter Einfluß von engl. adventurer, franz. aventurier seit dem 18. Jahrhundert ›Glücksritter, Spielernatur‹, bis hin zu ›Bandit‹ (Avanturier auch »Freybeuter«; Sperander) und ›Weltreisender‹;
abenteuerlich (um 1300) folgt der Entwicklung von Abenteuer, in neuerer Sprache öfter abwertend ›seltsam, absonderlich‹, besonders adverbial (Luther; L041 Philipp Dietz), auch ›gewagt, unverantwortlich‹: die Behauptung, Politik ist abenteuerlich.
2 Die in der älteren Sprache, besonders im Frühneuhochdeutschen entwickelten spezielleren Bedeutungen (›geheime Kunst‹, ›Machenschaft‹, ›Liebhaberstück‹, ›Spektakel, Schauspiel‹, ›Wettschießen‹, ›Preis beim Wettbewerb‹, kaufmannsprachlich ›Risiko‹ u. a.) leben nur vereinzelt in der neueren Schriftsprache nach, so ›Fabelwesen, Monstrum‹ bei A075 Johann Wolfgang von Goethe: Meßbuden, wo man wilde Thiere oder sonstige Abenteuer für Geld sehen läßt (Italienische Reise, 31,206,20).
3 Vielmehr ⇓ "S148" schließt die seit dem 18. Jahrhundert herrschende Bedeutung ›gewagtes Unternehmen, aufregendes, gefahrvolles Erlebnis‹ wieder an die höfische, romanhafte (»romantische«) Tradition an, wenn auch gewöhnlich auf andere Verhältnisse angewandt und oft ironisch distanziert, vgl. bei A279 Christoph Martin Wieland: Die Abentheuer des Don Sylvio von Rosalva (Titel, 1767); Der Paladin, mit dessen Abentheuern / Wir euch zu ergetzen … Entschlossen sind (Oberon, 1,9); ferner A075 Johann Wolfgang von Goethe über seine Harzreise: Ganz allein zu Pferde, im drohenden Schnee, unternahm der Dichter ein Abenteuer, das man bizarr nennen könnte (41.1,330,15); im 20. Jahrhundert dazu neue Zusammensetzungen wie Abenteuerroman, Abenteuerfilm und Verflachungen wie in Abenteuerspielplatz (engl. adventure playground), Abenteuerlauf, Abenteuerurlaub u. a.;
3.1 besonders aber im politisch-militärischen Sinn entwickelt: das nationalsozialistische Abenteuer(Th.Mann; L060 2DWb);
3.2 ferner in die geistige Sphäre transponiert: Eine Hypothese solcher Art kann man ein gewagtes Abenteuer der Vernunft nennen(I.A152 Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft §80); Mein Leben ein einzig Abenteuer … Streben nach Erwerb dessen, was sie [die Natur] nicht in mich gelegt hat (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 26,364); F.Crick, Ein irres Unternehmen – Die Doppelhelix und das Abenteuer Molekularbiologie, 1990;
3.3 seit dem 17./ 18. Jahrhundert besonders ausgeprägt in der erotischen Sphäre ›Liebesaffäre‹ galantes Abenteuer (L092 GoeWb); dies verliebte Erdenabenteuer (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Amphitryon 3,2).
abenteuern schon mittelhochdeutsch (Wolfram von Eschenbach, Parzival 249,4), in neuerer Zeit wenig gebräuchlich (fehlt Goethe);
Abenteurer (aventiurære Gottfried von Straßburg, Tristan 9234),
1 frühnhd. ›wandernder Händler‹, ›Gaukler‹,
2 unter Einfluß von engl. adventurer, franz. aventurier seit dem 18. Jahrhundert ›Glücksritter, Spielernatur‹, bis hin zu ›Bandit‹ (Avanturier auch »Freybeuter«; Sperander) und ›Weltreisender‹;
abenteuerlich (um 1300) folgt der Entwicklung von Abenteuer, in neuerer Sprache öfter abwertend ›seltsam, absonderlich‹, besonders adverbial (Luther; L041 Philipp Dietz), auch ›gewagt, unverantwortlich‹: die Behauptung, Politik ist abenteuerlich.