Duden Richtiges und gutes Deutsch
Reflexivpronomen
(rückbezügliches Fürwort)Häufig gestellte Fragen zu Reflexivpronomen
Frage Antwort unter
An welcher Stelle im Satz steht das Reflexivpronomen? dieser Artikel, Punkt (1)
Heißt es Sie begegneten sich vor Gericht oder Sie begegneten einander vor Gericht? dieser Artikel, Punkt (3)
In seiner Grundverwendung dient das Reflexivpronomen dazu, den vom Verb bezeichneten Vorgang oder die vom Verb bezeichnete Handlung auf das Subjekt des Satzes rückzubeziehen. Das Reflexivpronomen hat die Form sich, die sowohl eine Form des Akkusativs als auch eine Form des Dativs sein kann:
Er wäscht sich. Die Richtung ändert sich. Sie denken an sich.
Sie gratulieren sich. Er eignet sich das Buch an. Sie arbeitet an sich.
In einigen Fällen bezieht sich das Reflexivpronomen nicht auf das Subjekt, sondern auf das Objekt im Akkusativ oder im Dativ.
Sie überließen die beiden sich selbst.
Oft besteht gleichzeitig ein Bezug auf das Subjekt:
Der Vorfall brachte sie außer sich. Sie empfiehlt ihm sich selbst.
Das Reflexivpronomen sich ist ein Pronomen der 3. Person. Beim reflexiven Gebrauch der 1. und der 2. Person werden die Formen des Personalpronomens verwendet:
Ich wasche mich. Du denkst an dich. Ihr arbeitet an euch.
Das Reflexivpronomen sich und die reflexiv verwendeten Personalpronomen werden gemeinsam als »reflexive Pronomen« bezeichnet.
Das Reflexivpronomen sich wird immer kleingeschrieben, auch wenn es sich auf die Höflichkeitsanrede Sie bezieht:
Setzen Sie sich bitte! Sie brauchen sich nicht zu wundern.
Die Formen des Personalpronomens können als Anrede in Briefen groß- oder kleingeschrieben werden, auch wenn sie reflexiv gebraucht werden:
Erinnerst Du Dich / du dich an Onkel Hans? Habt Ihr Euch / ihr euch gut erholt?
1.
Als sich der Zug näherte / Als der Zug sich näherte
(Stellung des Reflexivpronomens): Im heutigen Sprachgebrauch wird das Reflexivpronomen sich überwiegend möglichst weit nach vorn gezogen, d. h., es steht im Nebensatz hinter dem Einleitewort und im Hauptsatz hinter dem finiten Verb:
Die Menge wich zurück, als sich der Zug näherte. Die Gruppe verabschiedete sich am nächsten Tag sehr herzlich. Selten hat sich ein Politiker so gehen lassen.
Häufig wird aber auch eine andere Wortstellung verwendet. In Nebensätzen kann das Reflexivpronomen sich bei normaler Satzgliedfolge nach dem Subjekt stehen:
Die Menge wich zurück, als der Zug sich näherte. ... weil der Mann von heute sich davon faszinieren lässt (Bodamer). Als Mahlke sich Knie nach Knie wieder erhob ... (Grass).
Folgt im Verbzweitsatz (z. B. im »normalen« Aussagesatz) das Subjekt dem finiten Verb, kann das Reflexivpronomen hinter das Subjekt gesetzt werden statt direkt hinter das Verb. Die Stellung des Pronomens entspricht dann der Wortstellung in Sätzen mit einem Pronomen als Subjekt:
Am nächsten Tag verabschiedete die Gruppe / sie sich sehr herzlich. Selten hat ein Politiker / er sich so gehen lassen.
Diese Wortstellung ist allerdings weniger in der gesprochenen, sondern hauptsächlich in der geschriebenen Sprache üblich. Sie erklärt sich im Wesentlichen aus dem Bestreben, den Satzrhythmus zu variieren und den Gesamtsatz übersichtlicher zu machen:
Seitwärts gedreht ... schob der Arbeiter sich durch die Tür (Frank).
Vereinzelt wird in literarischen Texten zwischen das Subjekt und das Reflexivpronomen sich (oder ein reflexiv gebrauchtes Personalpronomen) ein weiteres Satzglied eingeschoben. Es handelt sich um ein auffälliges Stilmittel, das bewusst eingesetzt wird:
... auch wenn ich unseres Glückes mich freue (Frisch).
2.
Er sah die Frau auf sich / auf ihn zustürzen · Schicken Sie bitte ein Foto von sich / von Ihnen
(Reflexivpronomen oder Personalpronomen?): Gelegentlich treten Zweifel auf, ob das Reflexivpronomen oder das Personalpronomen zu setzen ist. Dies ist vor allem bei der Konstruktion Akkusativ mit Infinitiv (a. c. i.) und bei nachgestelltem Attribut mit Präposition der Fall. Wird beim a. c. i. das Pronomen auf das Akkusativobjekt bezogen, dann steht das Reflexivpronomen:
Ich sah den Zug sich nähern (= Ich sah den Zug. Er näherte sich. Ich sah, wie sich der Zug näherte). Sie hörte den Mann sich erschießen (= Sie hörte den Mann. Er erschoss sich. Sie hörte, wie der Mann sich erschoss).
Wird dagegen beim a. c. i. das Pronomen auf das Subjekt bezogen, dann schwankt der Gebrauch. Obwohl hier das Personalpronomen stehen müsste, wird häufig das Reflexivpronomen gesetzt, vor allem dann, wenn vor dem Pronomen eine Präposition steht. Allerdings ist das nur dann korrekt, wenn das Pronomen nicht besonders betont ist:
Er sah die Frau auf sich (eigentlich: auf ihn) zustürzen (= Er sah die Frau. Sie stürzte auf ihn zu. Er sah, wie die Frau auf ihn zustürzte). Er hörte den Fremden die Treppe zu sich (eigentlich: zu ihm) heraufkommen (= Er hörte den Fremden. Er kam die Treppe zu ihm herauf. Er hörte, wie der Fremde die Treppe zu ihm heraufkam).
Steht das Pronomen im Dativ ohne Präposition, dann wird regelmäßig das Personalpronomen und nicht das Reflexivpronomen gebraucht:
Er sah das Mädchen ihm zulächeln (= Er sah das Mädchen. Es lächelte ihm zu. Er sah, wie das Mädchen ihm zulächelte). Sie hörte den Schaffner ihr etwas zurufen (= Sie hörte den Schaffner. Er rief ihr etwas zu. Sie hörte, wie der Schaffner ihr etwas zurief).
Im heutigen Deutsch gibt es keine Möglichkeit, in diesen Fällen unmissverständliche Bezüge herzustellen. In dem Satz Er sah seine Frau ihm zuwinken kann man ihm auf das Subjekt er oder auf eine dritte Person beziehen (= Er sah seine Frau einem anderen zuwinken). In dem Satz Er ließ den Bauern für sich arbeiten kann man sich auf das Subjekt er oder auf das Akkusativobjekt beziehen (= Er ließ den Bauern für sich selbst arbeiten).
Bei nachgestellten Attributen mit Präposition steht das Personalpronomen, wenn beim Reflexivpronomen die Beziehung unklar wäre:
Der Intendant traf die Schauspieler im Gespräch über ihn (= Der Intendant traf die Schauspieler, die über ihn sprachen).
Treten keine Unklarheiten auf, dann zieht man das Reflexivpronomen vor:
Er scheint die Menschen um sich (auch: um ihn) her vergessen zu haben (= Er schien die Menschen, die um ihn her waren, vergessen zu haben). Schicken Sie bitte ein Foto von sich (weniger gut: von Ihnen). Und nur: Er schickte ein Foto von sich (nicht: von ihm).
3.
sich / einander:
Die wechselseitige (reziproke) Beziehung zwischen zwei oder mehreren Subjekten kann durch die Formen des reflexiven Pronomens (sich, uns, euch) oder durch einander ausgedrückt werden. Im heutigen Sprachgebrauch werden im Allgemeinen die Formen des Pronomens gewählt, weil einander fast immer gehoben, bei einigen Verben sogar gespreizt wirkt:
Sie begegneten sich / einander vor Gericht. Ihr habt euch / einander wohl lange nicht gesehen? Wir treffen uns morgen. Gespreizt: Wir treffen einander morgen.
Außerhalb eines gehobenen Stils ist der Gebrauch von einander anstelle der Formen des reflexiven Pronomens zu empfehlen, wenn anderenfalls Missverständnisse entstehen können oder wenn Präpositionen gebraucht werden. Missverständnisse sind z. B. in folgenden Sätzen möglich:
Sie rauften sich die Haare aus (jeder seine eigenen oder gegenseitig?). Eindeutig: Sie rauften einander die Haare aus. Sie trösteten sich (jeder sich selbst oder gegenseitig?). Eindeutig: Sie trösteten einander.
Auch in diesen Fällen werden heute gewöhnlich die Formen des reflexiven Pronomens mit verdeutlichendem gegenseitig vorgezogen: Sie rauften sich gegenseitig die Haare aus. Sie trösteten sich gegenseitig. Als Pleonasmen gelten sich einander und einander gegenseitig. Nicht: Es tanzten drei sich einander ablösende Laiengruppen. Sondern: Es tanzten drei sich ablösende Laiengruppen. Nicht: Wir müssen uns einander helfen. Sondern: Wir müssen uns (oder: einander) helfen. Nicht: Sie schadeten einander gegenseitig. Sondern: Sie schadeten sich gegenseitig (oder: einander).
In Verbindung mit Präpositionen wird fast ausschließlich einander gebraucht, obwohl in diesen Fällen nur selten eine Wechselbezüglichkeit vorliegt: Sie gingen hintereinander (nicht: hinter sich). Sie standen nebeneinander (nicht: neben sich). Sie lagen aufeinander (nicht: auf sich). Aber nach unter im Sinn von »zwischen« steht sich: Sie teilten die Beute unter sich.
Die Verwendung von einer dem (oder: den) andern anstelle von einander veraltet allmählich: Wir kennen einer den andern nicht. Sie beglückwünschten einer den andern.
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