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Partizip II
Häufig gestellte Fragen zum Partizip IIFrage Antwort unter
Wann wird das Partizip II mit dem Präfix ge- gebildet? dieser Artikel, Punkt (1)
Heißt es gewetteifert oder wettgeeifert? dieser Artikel, Punkt (1)
Welche Partizipien können auch als Adjektive verwendet werden? dieser Artikel, Punkt (2.1), (2.2), (2.3)
1 Bildungsweise
Die starken Verben bilden das Partizip II mit -en, die schwachen mit -t oder -et; dazu tritt meistens das Präfix ge-:
binde, band, gebunden; lobe, lobte, gelobt; rede, redete, geredet.
Die Endung -en des Partizips II der starken Verben wird im Gesprochenen häufig zu -n verkürzt. Auch im Geschriebenen kann das e wegfallen, wenn es Versmaß oder Satzrhythmus erfordern, aber nur nach Vokal oder h: gehaun, gesehn. Beim Verb schreien ist geschrien (ohne das e der Endung -en) sogar die einzig korrekte Schreibweise für das Partizip II. Trotzdem wird das Schwa (der Laut, für den das e steht) in der Standardaussprache mitgesprochen; -ien steht hier also für zwei Silben.
Verben, deren Stamm nicht auf der ersten Silbe betont ist, haben kein ge-. Also: studieren, studiert (nicht: gestudiert); hintertreiben, hintertrieben (nicht: hintergetrieben); posaunen, posaunt (nicht: geposaunt).
Tritt zu solchen Verben ein Verbzusatz, dann wird das Partizip II ebenfalls ohne ge- gebildet:
studieren - einstudieren, einstudiert; berufen - einberufen, einberufen; kristallisieren - herauskristallisieren, herauskristallisiert; posaunen - ausposaunen, ausposaunt; verlangen - abverlangen, abverlangt.
Verben, die aus einem einfachen Verb und einem Verbzusatz gebildet sind, nehmen ge- zwischen ihre beiden Bestandteile:
abhören, abgehört; einsehen, eingesehen; herausgehen, herausgegangen; hinfallen, hingefallen; outsourcen, outgesourct.
Dazu gehören auch Verben, die ursprünglich aus einer syntaktischen Wortfolge bestanden haben:
teilnehmen, teilgenommen; stattfinden, stattgefunden; wettlaufen, wettgelaufen.
Bei anfangsbetonten echten (d. h. untrennbaren) Verbalkomposita steht ge- voran:
wetteifern, gewetteifert; schlussfolgern, geschlussfolgert.
Bei wechselnder Betonung wechselt auch die Bildung des Partizips II: (Verb (2.3)):
überführen, übergeführt, (aber auch:) überführen (= an einen anderen Ort bringen), überführt; übersiedeln, übergesiedelt, (aber auch:) übersiedeln, übersiedelt; liebkosen, geliebkost, (aber auch:) liebkosen, liebkost.
Zu worden / geworden werden. Zu Sie hat ihn reiten gelehrt / reiten lehren Infinitiv und Infinitivgruppe (4). Vgl. allgemein auch Konjugation.
2 Gebrauch
Da nicht jedes Partizip II als attributives Adjektiv gebraucht werden kann, sind folgende Besonderheiten (von 2.1 bis 2.4) zu beachten:
2.
1 das ihn betroffene Unglück
Das Partizip II transitiver Verben kann attributiv gebraucht werden:
der geprüfte Schüler, die erledigte Arbeit, das von drei Familien bewohnte Haus.
Gelegentlich wird jedoch ein Partizip II transitiver Verben syntaktisch falsch bezogen, nämlich auf den Träger einer vorerwähnten Handlung und nicht auf das betreffende Objekt. Dieser Gebrauch ist nicht korrekt. Also nicht: das ihn betroffene Unglück oder das mich befallene Fieber, denn es sind ja nicht Unglück oder Fieber, die betroffen bzw. befallen sind, sondern die durch ihn und mich angeführten Personen.
2.
2 die stattgefundene Versammlung · die überhandgenommene Kriminalität · das in den Wald gelaufene Kind
Das Partizip II derjenigen intransitiven Verben, deren Perfekt mit haben gebildet wird, kann nicht als attributives Adjektiv gebraucht werden:
Das Kind hat geschlafen / gespielt. (Nicht:) das geschlafene / gespielte Kind.
Ebenso nicht: die stark zugenommene Kälte, der aufgehörte Regen, die stattgefundene Versammlung, die bisher gegoltene Bestimmung, der fünfzehn Jahre bestandene Verein, die Platz gegriffene Angst, die überhandgenommene Kriminalität, die geklagten Beschwerden.
Zu eine studierte Frau studiert.
Auch das Partizip II der intransitiven Verben, die das Perfekt mit sein bilden, kann nicht attributiv gebraucht werden, wenn ihre Bedeutung imperfektiv (= im zeitlichen Verlauf nicht begrenzt) ist:
Das Kind ist gelaufen / geschwommen. (Nicht:) das gelaufene / geschwommene Kind.
Das Partizip II intransitiver Verben kann attributiv gebraucht werden, wenn ihre Bedeutung perfektiv (= im zeitlichen Verlauf begrenzt) ist oder wenn Perfektivität durch eine nähere Bestimmung hergestellt wird:
die verblühte Rose, das untergegangene Schiff; das in den Wald gelaufene Kind, der über den See geschwommene Junge.
Der attributive Gebrauch einiger Partizipien erklärt sich daraus, dass die betreffenden Verben früher einmal auch transitiv gebraucht wurden und ein persönliches Passiv (ein Passiv mit einem gewöhnlichen Subjekt) bilden konnten, z. B. jemanden abdanken (= aus dem Dienst entlassen), persönliches Passiv: er wurde abgedankt, daher der abgedankte Offizier; jemanden lernen (= in etwas unterweisen, ausbilden), daher der gelernte Kaufmann; jemanden, etwas schmeicheln, daher ein geschmeicheltes Bild; sich geschmeichelt fühlen.
Zu einer Gruppe von Partizipien, die durch den Wandel der Bedeutung oder durch das Absterben der Konjugationsformen isoliert sind und deshalb attributiv und meistens auch adverbial verwendet werden können, gehören:
der betrunkene Arbeiter, das verliebte Mädchen, der verirrte Spaziergänger, das erkältete Kind, der besorgte Vater, die erfahrene Ärztin, die geeigneten Mitarbeiter, die ausgeruhten Urlauber.
2.
3 die sich ereigneten Unfälle · ein sich im Kriege zugezogenes Leiden
Das Partizip II von reflexiven Verben kann nicht attributiv verwendet werden.
(Nicht:) das (sich) geschämte Kind. (Sondern z. B.:) das kleinlaut gewordene / schamrote / schuldbewusste Kind. (Nicht:) die sich dargebotene Gelegenheit; die sich ereigneten Unfälle. (Sondern z. B.:) diese Gelegenheit; die Unfälle der letzten Zeit / an diesem Tag / auf dieser Strecke. (Nicht:) Er starb an einem sich im Kriege zugezogenen Leiden. (Sondern:) Er starb an einem Leiden, das er sich im Kriege zugezogen hatte.
2.
4 die gemachten Ausführungen · die getroffene Auswahl
Das Partizip II von Verben, die mit bestimmten Substantiven mehr oder weniger feste Verbindungen eingehen (z. B. Ausführungen machen), wird gelegentlich attributiv gebraucht, obwohl es hier überflüssig ist:
die gemachten Ausführungen, die gewonnenen Eindrücke, die getroffene Auswahl, die erteilten Aufträge, nach erfolgtem Versand.
Nicht überflüssig sind solche Partizipien, wenn etwas Neues ausgesagt wird, z. B.:
die eben gemachten Ausführungen, die auf der zweiten Italienreise gewonnenen Eindrücke usw.
2.
5 genau genommen · so gesehen · wie gesagt
Von einer Reihe von Verben wird das Partizip II absolut gebraucht, d. h., die vom Verbstamm des Partizips bezeichnete Handlung bezieht sich auf einen Handlungsträger, der sich in einer unpersönlichen Wendung verbirgt oder der aus dem Zusammenhang hervorgeht, aber nicht genannt wird:
streng genommen, genau genommen (= wenn man es gewissenhaft, genau nimmt); im Grunde genommen (= wenn man es im eigentlichen Sinne nimmt); so gesehen (= wenn man es so sieht); wie gesagt (= wie ich schon sagte); abgesehen (da)von (= wenn man davon absieht), vorausgesetzt (= wenn man voraussetzt) usw.
Die Partizipialgruppe kann man durch Komma abtrennen, um dadurch die Gliederung des Satzes deutlicher zu machen oder um Missverständnisse auszuschließen. (Komma (4.1 und 4.2); vgl. auch Getrennt- oder Zusammenschreibung (3.1.2)):
Grob gerechnet(,) sind das 20 % der Einnahmen. Aus vollem Halse lachend(,) kam er auf mich zu. Er sank(,) zu Tode getroffen(,) zu Boden.
2.
6 die gefeierteste / gefeiertste Sängerin · der berüchtigteste / berüchtigtste Verbrecher
Bei einem auf -t endenden Partizip II eines schwachen Verbs wird im Allgemeinen der Superlativ durch Anhängen der Endung -este gebildet; das e kann jedoch auch wegfallen: gefeiert(e)ste, berüchtigt(e)ste. Nicht wegfallen kann das e jedoch, wenn das Partizip auf -st, -ßt, -sst, -scht, -zt, -tzt ausgeht (gehassteste, gespreizteste).
Bei einem auf -en endenden Partizip II eines starken Verbs wird die Superlativendung -ste (nicht: -dste) angehängt: angesehenste (nicht: angesehendste). Vgl. auch Vergleichsformen (3.1).
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