Duden Richtiges und gutes Deutsch
lassen
1. Flexion: Die Formen der 2. und 3. Person Singular Indikativ Präsens haben Umlaut: du lässt; er, sie lässt; sie unterscheiden sich nicht, denn aus der nicht mehr üblichen Form der 2. Person du lässest ist sowohl das e als auch das nach dem (s) des Verbstamms unaussprechbare (s) der Endung -st weggelassen worden. Indikativ (2).
2.
Sie haben den Verunglückten liegen lassen / liegen gelassen: Das Verb lassen in den Bedeutungen »nicht hindern, zulassen, veranlassen« steht überwiegend im Infinitiv, wenn ihm der reine Infinitiv vorangeht: Ich habe ihn laufen lassen. Sie hat ihn kommen lassen. Wir haben den Verunglückten liegen lassen. Und da hat man ... sich nach Stalingrad schicken lassen (Plievier). Heute tritt - zumeist bei übertragener Bedeutung - auch das Partizip II an die Stelle des Infinitivs: Sie hat das Buch liegen gelassen (neben: liegen lassen). Der Minister (hat) seine Staatssekretärin fallen gelassen. Dieser Gebrauch ist korrekt. Im abhängigen Satz steht der Infinitiv lassen am Ende: ... weil sie sich haben bestechen lassen (selten: ... weil sie sich bestechen lassen haben). Tritt noch ein Modalverb hinzu, dann stehen drei Infinitive nebeneinander; das Modalverb steht immer am Ende: Ich habe ihn laufen lassen müssen. Das Partizip gelassen kann in diesem Fall nicht eingesetzt werden. Im Infinitiv des Perfekts, der sehr selten vorkommt, ist nur die Form gelassen haben möglich: Ich erinnere mich, sie das Bild früher einmal sehen gelassen zu haben. Sie will ihn das Innere der Kirche nicht betreten gelassen haben. Im Passiv kann auch nur das Partizip II stehen: Das Buch wurde von ihr liegen gelassen. Infinitiv und Infinitivgruppe (4).
3.
Lass deinen Geburtstag ein schöner Tag / einen schönen Tag werden!: Das Verb lassen gehört zu den Verben, die mit dem Akkusativ mit Infinitiv (a.c.i) konstruiert werden können: Ich lasse sie reden. Bei einer Konstruktion mit Verben wie sein oder werden besteht oft Unsicherheit darüber, ob man die Ergänzung zu lassen bzw. das Prädikativ auch in den Akkusativ oder aber in den Nominativ setzen soll. Vor allem in festen Redewendungen ist der Akkusativ üblich: Sie lässt den lieben Gott einen guten Mann sein. Die Nacht ... umfasst mich sanft und lässt mich ihren Freund und ihren Bruder sein (Hesse). Lass ihn niemals einen Hirten werden (Bergengruen). Möglich ist jedoch auch der Nominativ: Lass deinen Geburtstag ein schöner Tag werden! Lass mich dein treuer Herold sein (M. Hartmann). Kongruenz (4.3).
4.
Lassen Sie mich mich erst anziehen / Lassen Sie mich erst anziehen: In dem Satz Lass mich mich erst anziehen muss der Akkusativ mich zweimal stehen, denn das erste mich gehört zu lassen (lass mich (das und das tun)) und das zweite ist das Reflexivpronomen zu anziehen (ich ziehe mich an). Da aber ein Satz wie der obige stilistisch unschön ist, empfiehlt es sich, ihn umzuformen, z. B. anstatt: Lassen Sie mich mich etwas freier ausdrücken ... besser: Gestatten Sie mir, dass ich mich etwas freier ausdrücke oder: Lassen Sie mich eine etwas freiere Ausdrucksweise wählen o. Ä.
5.
jemanden etwas fühlen, glauben, merken, sehen, spüren, wissen lassen: In diesen Fügungen wird heute der Akkusativ (und nicht der Dativ!) gebraucht: Sie ließ mich ihre Abneigung merken. Ich lasse dich das Geschenk sehen. Wir werden ihn unsere Verärgerung spüren lassen. Früher wurde das Nebeneinander der beiden Akkusative gern vermieden, indem man statt des von lassen abhängigen Akkusativs den Dativ wählte: ... wo mans so nach und nach den Leuten sehen lässt (Goethe). Dieser Dativ wurde auch dann gebraucht, wenn das zum Infinitiv gehörende Objekt durch einen Nebensatz ausgedrückt war: ... wenn Sie mir wissen lassen, wie weit sie damit gekommen sind (Lessing).
6.
Sie ließ ihn / ihm etwas sagen: Beide Konstruktionen - mit dem Akkusativ und mit dem Dativ - sind möglich, es handelt sich aber um verschiedene Aussagen: Er ließ ihn allerlei Grobheiten sagen heißt »Er ließ zu oder veranlasste, dass er allerlei Grobheiten sagte«. Der Satz mit dem Dativ Er ließ ihm allerlei Grobheiten sagen besagt, dass er ihm durch einen anderen allerlei Grobheiten sagen ließ, also den Auftrag dazu gab. Der Dativ der Person ist von sagen abhängig: ich sage ihr etwas, ich lasse ihr etwas sagen, der Akkusativ von lassen: ich lasse ihn gehen, schwimmen, ich lasse sie (etwas) sprechen, etwas sagen.
7.
Passiv: Passivkonstruktionen wie Der Wagen wird waschen gelassen oder Der Drachen wird steigen gelassen sind zweifelhaft, weil lassen bereits einen passivischen Sinn hat. Es sollte deshalb anders formuliert werden, z. B.: Der Wagen wird (gerade) gewaschen. Man lässt den Drachen steigen. Zu Das Rätsel ließ sich leicht lösen / konnte leicht gelöst werden Passiv (3.6).
8.
Zu Ich lasse ihn das Gedicht aufsagen Akkusativ mit Infinitiv. Zu Er ließ ihn bedienen wie einen Fürsten / wie ein Fürst Kongruenz (4.2). Zu bleiben lassen / bleibenlassen und liegen lassen / liegenlassen in übertragener Bedeutung Getrennt- oder Zusammenschreibung (1.1).
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