Duden Richtiges und gutes Deutsch
Kompositum
Häufig gestellte Fragen zu KompositaFrage Antwort unter
Müsste der Apfelwein nicht eigentlich korrekt Äpfelwein heißen, weil er aus vielen Äpfeln gemacht wird? dieser Artikel, Punkt (2)
Was ist korrekt: in der Saure-Gurken-Zeit oder in der Sauren-Gurken-Zeit, mit der Rote-Kreuz-Schwester oder mit der Roten-Kreuz-Schwester? dieser Artikel, Punkt (7)
Die Komposition (Zusammensetzung) ist neben der Ableitung und der Konversion das wichtigste Verfahren zur Neubildung von Wörtern. Als Kompositum oder Zusammensetzung bezeichnet man ein Wort, das aus zwei oder mehreren wortfähigen Stämmen zusammengesetzt ist:
wildes Schwein - Wildschwein, Hundehütte, hilfreich, Einbaum, Selbstsucht, Schweigepflicht, Nachsommer, dunkelrot, Windschutzscheibe.
In den meisten zweiteiligen Komposita nennt das Zweitglied (Grundwort) einen Begriff (z. B. -schwein), der durch das Erstglied (Bestimmungswort; z. B. Wild-) näher bestimmt wird. Unterschiedliche Erstglieder können mit demselben Zweitglied kombiniert werden. Es kommt zur Reihenbildung mit dem Hauptakzent des Wortes auf dem jeweils ersten Bestandteil: Haus-, Garten-, Garagen-, Kellertür. Neben diesen bestimmenden oder Determinativkomposita gibt es auch die sogenannten Kopulativkomposita, bei denen die Bestandteile gleichgeordnet sind:
Schürzenkleid - Schürze und Kleid; Hosenrock, Hemdbluse, Strichpunkt, Ofenkamin, Radiowecker, Dichterkomponist.
Im Kompositum wird ein Inhalt in einem Wort verdichtet, der häufig auch durch syntaktische Fügungen unterschiedlichster Art wiedergegeben werden könnte:
liebeskrank - krank aus Liebe; Rechtsstandpunkt - Standpunkt in Bezug auf das Recht; Lachfalten - Falten, die durch Lachen entstehen; tropfnass - so nass, dass es tropft; punktschweißen - an einzelnen Punkten verschweißen.
Zum Bindestrich bei Zusammensetzungen Bindestrich (2); zur Verwendung von Fugenzeichen Fugen-s, Fugenzeichen.
1.
Treibstoffstandschauzeichen:
Ein Kompositum besteht aus mindestens zwei Bestandteilen: Treib-stoff, Schau-zeichen. Es können aber ohne Schwierigkeiten drei- oder mehrgliedrige Komposita gebildet werden: Treib-stoff-stand, Treib-stoff-stand-schau-zeichen. Zu Bildungen dieser Art greift man vor allem dort, wo große Mengen von Begriffen benötigt werden, beispielsweise in der Amtssprache oder der Sprache der Technik. Einfachheit und Systematik der Begriffsbildung führen dann häufig dazu, dass möglichst umfassende substantivische Bezeichnungen verwendet werden, wo auch längere syntaktische Fügungen möglich wären. Dabei entstehen bisweilen überlange Komposita, die nur schwer zu überblicken und kaum zu verstehen sind. Man sollte unübersichtliche Bildungen dieser Art vermeiden und durch eine entsprechende Wortgruppe ersetzen:
Nicht: Geräteunterhaltungsnachweis. Besser: Nachweis für die Geräteunterhaltung oder Nachweis für die Unterhaltung der Geräte. Nicht: Treibstoffzufuhrregulierung. Besser: Regulierung der Treibstoffzufuhr. Nicht: Treibstoffstandschauzeichen. Besser: Schauzeichen für den Treibstoffstand.
Zur Setzung des Bindestrichs in langen Komposita Bindestrich (2.1).
2.
Apfelwein / Äpfelwein · Schiffsverkehr:
Wenn sich das Erstglied eines Kompositums auf eine Mehrzahl von Objekten bezieht, entsteht die Frage, ob es deshalb in die Pluralform zu setzen sei. Soll man den Wein aus Äpfeln Äpfelwein oder Apfelwein nennen? Es gibt keine allgemeingültige Regel, nach der in solchen Fällen entschieden werden könnte. Im allgemeinen Fall gibt das Erstglied lediglich an, in welcher Beziehung das Zweitglied näher bestimmt wird, aber nicht, ob es sich dabei um eine Mehrheit von Objekten handelt. So haben wir einerseits Wörter wie Pferderennbahn, Häuserblock, Kindergarten, Burgenblick. Andererseits haben wir Apfelwein, Schafstall, Baumschule und Flohzirkus, obwohl es um Äpfel, Schafe, Bäume und Flöhe geht.
Neben Komposita, deren Bestandteile unmittelbar, d. h. ohne Fugenzeichen, miteinander verbunden sind, stehen solche mit einem Fugenzeichen. Auch deren erster Bestandteil kann in der Singularform stehen, obwohl sachlich eine Mehrzahl gemeint ist. So heißt es Bischofskonferenz, obwohl an der Konferenz mehrere Bischöfe teilnehmen. So heißt es Schiffsverkehr, obwohl der Verkehr von Schiffen gemeint ist. So heißt es Freundeskreis, obwohl der Kreis mehrere Personen umfasst. Die Ausbreitung der Komposita mit Fugenzeichen, die z. T. als Pluralendungen aufgefasst werden wie etwa bei Lämmerwölkchen, Rosenblatt, Gänsefeder, hat die Bildungen mit der Pluralform des ersten Bestandteils gefördert, aber nicht zu konsequenter Verwendung geführt:
Gästebuch, Bücherstube, Bücherregal, Städtetag, Häusermeer, Ärztekongress. (Nicht oder nicht unbedingt Mehrzahl:) Motorenlärm, Hundehalter, Hexentanz, Deckenlampe.
Häufig finden sich Doppelformen, d. h., es stehen Komposita mit demselben Erstglied sowohl in der Singular- als auch in der Pluralform nebeneinander, ohne dass damit sachlich Einzahl oder Mehrzahl unterschieden werden soll. So heißt es im Süddeutschen Rindsbraten, im Norddeutschen Rinderbraten (Rind- / Rinder- / Rinds-) und neben Schweinebraten, Schweinefett, Schweinefleisch stehen Schweinsbraten, Schweinskopf, Schweinsborste (Schweine- / Schweins-).
3.
Reise Merkels / Merkelreise:
Es besteht die Tendenz, anstelle eines Substantivs mit einem Genitiv- oder Präpositionalattribut ein Kompositum zu verwenden. Dies geschieht vor allem in Fügungen mit Eigennamen. So schreibt man Merkelbesuch statt Besuch Merkels, so schreibt man Moskaureise der Kanzlerin statt Reise der Kanzlerin nach Moskau usw. Diese knappe, kompakte Ausdrucksweise findet sich vor allem in den Schlagzeilen und Überschriften der Presse, die auf möglichst kleinem Raum ein Höchstmaß an Information geben will.
Es gibt natürlich Komposita mit einem Eigennamen als Erstglied, die im allgemeinen Gebrauch korrekt sind: Dieselmotor, Röntgenstrahlen, Thomasmehl, Kneippkur u. Ä. Das Kompositum Dieselmotor nennt eine besondere Art oder Gattung von Motoren, die so von anderen unterschieden wird. Das Wort Kneippkur nennt eine bestimmte Kurart. In diesen oder ähnlichen Fällen individualisiert also der Name nicht, sondern er klassifiziert, ähnlich wie in dem Kompositum Waldmaus durch das Erstglied Wald der im Zweitglied bezeichnete Begriff Maus auf eine bestimmte Art von Mäusen eingeschränkt wird. Dies gilt auch für Komposita wie Mozartabend, Beethovenkonzert, Rembrandtausstellung, Schumannlied usw., in denen der Name gleichfalls klassifiziert. Daneben tritt ein Eigenname als Erstglied von Komposita auf, die ihrerseits als Ganzes Eigennamen sind: Marshallplan, Youngplan, Köchelverzeichnis u. a.
Von ganz anderer Art jedoch sind die oben genannten Bildungen: Weizsäckerrede (vom 8. 5. 1985), Brandtbesuch (in Amerika), Merkelreise (nach Frankreich) u. a. Es handelt sich hier um Verbindungen, die zur Benennung eines zum Zeitpunkt der Benennung aktuellen Ereignisses geprägt werden. Problematisch kann sein, dass sie formal den Eindruck erwecken, feste Komposita zu sein, tatsächlich aber nur Augenblickskomposita sind.
Wenn diese Bildungen auch im Bereich der Mediensprache aus ökonomischen Gründen eine gewisse Berechtigung haben, so sollte man sie doch vermeiden, wenn sie nur aus dem Zusammenhang und nicht aus sich selbst heraus verstanden werden können. Die Romrede Adenauers z. B. kann, auf sich gestellt, bedeuten »Rede Adenauers in Rom« oder »Rede Adenauers über Rom«. In der geschriebenen Allgemeinsprache jedenfalls sind solche Gelegenheitsbildungen mit Namen fehl am Platz. Zu ihrer Schreibung mit oder ohne Bindestrich vgl. Bindestrich (5).
4.
Niedrigstpreis / niedrigster Preis:
Heute wird häufig anstelle einer Fügung aus attributivem Adjektiv im Superlativ und Substantiv, z. B. der niedrigste Preis, ein Kompositum gebraucht: der Niedrigstpreis. Diese Komposita sagen zwar vielfach nichts anderes aus als die entsprechenden Fügungen aus Adjektiv und Substantiv, sie unterscheiden sich aber gewöhnlich im Stilwert von ihnen und gehören bestimmten Bereichen (Werbung, Wirtschaft usw.) an; vgl. auch:
die beste Lösung - Bestlösung; die tiefste Temperatur - Tiefsttemperatur;
der höchste Preis - Höchstpreis.
5.
das Hohelied / ein Hohes Lied:
Bestimmte Eigennamen und feste Fügungen aus Adjektiv und Substantiv stehen den Komposita nahe: das Schwarze Meer, das Rote Kreuz, der italienische Salat, der schwarze Tee, der Stille Ozean, das Schwarze Brett usw. Solche festen Fügungen bilden als sogenannte Mehrwortbezeichnungen ähnlich wie ein Kompositum eine begriffliche Einheit, d. h., die Bedeutung des Gesamtgefüges ergibt sich nicht ohne Weiteres aus der Aneinanderreihung der Inhalte der Einzelwörter. Im Unterschied zum Kompositum werden jedoch beide Glieder dekliniert und im Allgemeinen nicht zusammengeschrieben: im Schwarzen Meer, des Roten Kreuzes, den italienischen Salat, des schwarzen Tees, im Stillen Ozean, des Schwarzen Bretts. In wenigen Fällen findet sich die Zusammenschreibung: der Hohepriester (auch: der Hohe Priester), das Hohelied (auch: das Hohe Lied), doch wird bei Flexion des ersten Bestandteils getrennt geschrieben. Hohepriester / Hoher Priester, Hohelied / Hohes Lied.
6.
kleines Kindergeschrei / Geschrei kleiner Kinder:
Steht ein Adjektiv als Attribut vor einem Kompositum, bezieht sich das Adjektiv formal auf das Zweitglied des Kompositums, inhaltlich aber auf das ganze Kompositum: die große Eisfabrik (= die (Eis)fabrik ist groß), der reiche Fabrikbesitzer (= der (Fabrik)besitzer ist reich), der saubere Fischladen (= der (Fisch)laden ist sauber). Das Zweitglied bestimmt die Deklination des beigefügten Adjektivs. Es ist nicht korrekt, wenn man ein Kompositum mit einem Attribut verbindet, das inhaltlich nur zum Erstglied passt; denn das Kompositum ist ein Ganzes, bei dem man nicht einen Teil besonders behandeln kann. Man sollte also nicht schreiben kleines Kindergeschrei, weil nicht das (Kinder)geschrei klein ist, sondern die Kinder klein sind, die das Geschrei verursachen. Richtig: das Geschrei kleiner Kinder.
Die Komik, die in solchen Fügungen liegt, hat zu absichtlich scherzhaften Erfindungen geführt: der vierstöckige Hausbesitzer, der geräucherte Fischladen, der wilde Schweinskopf, der siebenköpfige Familienvater. Es gibt aber auch Fälle, die durch Unkenntnis oder Flüchtigkeit entstanden sind: Das nukleare Brennstoffproblem ist kein nukleares Problem, sondern das Problem, genug nuklearen Brennstoff zu finden. Man kann auch nicht einem Kranken baldige Genesungswünsche übermitteln, sondern nur gute Wünsche für baldige Genesung.
Bestimmte Fügungen dieser Art haben sich jedoch durchgesetzt und sind sprachüblich geworden. Es handelt sich hier um Fälle, in denen das Adjektiv inhaltlich zwar eigentlich zum Erstglied des Kompositums gehört, dabei jedoch auch zum zusammengesetzten Wort passt, das nur noch als geschlossene Einheit empfunden wird. Diese Fügungen sind als korrekt anzusehen: die deutsche Sprachwissenschaft, das Bürgerliche Gesetzbuch, das evangelische Pfarrhaus, das geheime Wahlrecht. Zu Wörtern wie Kleinkinderspielzeug, die aus Fügungen dieser Art entstanden sind, vgl. Punkt 7.
7.
Kleinkinderspielzeug · Rote-Kreuz-Schwester:
Die im vorigen Abschnitt (6) behandelten attributiven Fügungen von der Art kleines Kindergeschrei werden z. T. zusammengeschrieben oder durch Bindestriche miteinander verbunden: Kleinkinderspielzeug, Rote-Kreuz-Schwester. In dieser Form gelten diese Verbindungen als korrekt, weil die Beziehung des Adjektivs, z. B. klein, zu dem eigentlichen Bezugswort, z. B. Kinder, in einem Wort wie Kleinkinderspielzeug eindeutig ist.
Es gibt drei Gruppen solcher Wortverbindungen. Die erste Gruppe umfasst feste Komposita, in die der Adjektivstamm ohne Endung eingegangen ist: das Kleinkinderspielzeug, dem Altfrauengesicht, den Altweibersommer, der Liebfrauenmilch. Zur zweiten Gruppe zählen alle die Fälle, in denen der Adjektivstamm mit dem Fugenzeichen -e erscheint: ein Armeleuteviertel, eines Armeleuteviertels. In der dritten Gruppe finden sich durchgehend flektierte Formen des Adjektivs, und zwar in Übereinstimmung mit dem Zweitglied: der Roten-Kreuz-Schwester. Diese Formen sind jedoch mehr alltagssprachlich. Daneben gibt es von diesen Wörtern auch die Formen mit Fugenzeichen -e (die Rotekreuzschwester, der Rotekreuzschwester) und z. T. auch die feste Form mit dem Stamm des Adjektivs: die Rotkreuzschwester.
8.
Meldepflicht der Berufskrankheiten / die Pflicht zur Meldung von Berufskrankheiten:
Ist von einem Kompositum ein Genitivattribut abhängig, bezieht sich dies auf den zweiten Bestandteil: der Rentenanspruch der Angestellten (= die Angestellten haben einen Anspruch auf Rente). Es ist nicht korrekt, zu einem Kompositum ein Genitivattribut zu stellen, das inhaltlich nur zum Erstglied passt. Also nicht: Meldepflicht der Berufskrankheiten, weil nicht die Berufskrankheiten die Pflicht zur Meldung haben; sie sollen ja gemeldet werden. Es muss richtig heißen: die Pflicht zur Meldung von Berufskrankheiten. Ähnlich ist es bei den folgenden Beispielen. Nicht: Geschäftsinhaberinnen modischer Artikel, sondern: Inhaberinnen von Geschäften für modische Artikel. Nicht: erwartungsvoll des Ausgangs, sondern: in (gespannter) Erwartung des Ausgangs. Nicht: Vertretungsrecht des Kindes, sondern: Recht auf Vertretung des Kindes. Dies gilt auch für eine Präpositionalgruppe. Nicht: Es bestehen Aufstiegsmöglichkeiten zum Werbe- und Verkaufsleiter. Sondern: Es bestehen Möglichkeiten, zum Werbe- und Verkaufsleiter aufzusteigen. Aus demselben Grunde sagt man auch nicht: Hühneraufzucht und ihr Verkauf, denn das Possessiv ihr würde sich dann inhaltlich nur auf das Erstglied des Kompositums beziehen, während es zum Zweitglied nicht passt.
Bestimmte Fügungen mit einem Genitivattribut haben sich jedoch durchgesetzt und sind sprachüblich geworden: die Lebensbeschreibungen großer Persönlichkeiten, der Finanzverwalter dieser Gesellschaft. Diese Fälle gelten als korrekt, weil sich das Attribut hier auf das Kompositum als Ganzes beziehen lässt.
9.
körperfreundliche Seife:
Komposita mit Adjektiven wie freundlich, freudig, tüchtig u. a. als Zweitglied werden in der Regel auf Personen oder Lebewesen bezogen, weil diese Adjektive eine menschliche Eigenschaft oder Fähigkeit, ein menschliches Verhalten bezeichnen: der schaffensfreudige Schriftsteller, die gastfreundlichen Nachbarn, die geschäftstüchtige Unternehmerin usw.
Vor allem in der Werbesprache besteht heute jedoch die Neigung, Komposita mit solchen Zweitgliedern auch auf Sachen, auf Dingliches anzuwenden: rieselfreudiges Salz, hautfreundliche Unterkleidung, gebrauchstüchtige Fahrräder, umweltfreundliches Auto usw. Die genannten Zweitglieder (freundlich, tüchtig usw.) sind in der heutigen Sprache als Adjektive sehr lebendig und haben als solche eine bestimmte Eigenbedeutung, im Unterschied etwa zu -fähig, das bereits die Rolle eines Suffixes spielt. Diese Eigenbedeutung wirkt bei Anwendung im genannten Typ von Komposita auf Unbelebtes personifizierend und macht sie recht werbewirksam.
10. Verweise:
Zu fachliche Bildung / Fachbildung Adjektiv (4.1). Zu motivgleich, pflanzenwuchsfördernd, schaumgebremst, sonnengereift, eisgekühlt, gasvergiftet Adjektiv (2.1). Zu Ichlaut / Ichsucht Bindestrich (2.6). Zu Werksanlage / Werkanlage Werk- / Werks-, Fugenzeichen. Zu Arztbesuch, Bauherrenmodell, Leserbrief usw. Gleichstellung von Frauen und Männern in der Sprache (3).
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