Duden Richtiges und gutes Deutsch
Indikativ
Der Indikativ (in vielen Grammatiken früher auch als Wirklichkeitsform bezeichnet) ist die allgemeine, normale und neutrale Form des Verbalmodus, der Konjunktiv die besondere (Modus). Der Indikativ wird verwendet, wenn die Gültigkeit des vom Satz bezeichneten Sachverhalts nicht thematisiert bzw. nicht in Zweifel gezogen werden soll. Ebenso kann mit dem Indikativ etwas ausdrücklich als tatsächlich und wirklich hingestellt, als gegeben angesehen und ohne Bedenken anerkannt werden:Marie hat das Abitur bestanden. Rotkäppchen ging in den Wald. Das Flugzeug wird um 18 Uhr landen.
Jede Verbform im Indikativ enthält genau eine finite Form im Indikativ Präsens oder im Indikativ Präteritum. Die Bildung dieser finiten Formen steht im Folgenden im Vordergrund. Zum Indikativ in Aufforderungsfunktion Imperativ (4).
1.
ich schreibe / ich schreib:
Grundsätzlich ist das Endungs-e in der 1. Person Singular Indikativ Präsens Aktiv fakultativ. Formen ohne Endungs-e finden sich unabhängig vom Stammauslaut des Verbs vor allem in Dialekten, in der Umgangssprache und in literarischen Texten: Ich schreib dir. Ich wohn in einem steinernen Haus (Schiller). In der Standardsprache wird das Endungs-e am ehesten dann weggelassen, wenn der Verbstamm vokalisch oder auf r, l, n oder m endet (ich droh, ich hol, ich renn, ich komm). Sonst bleibt das e im Allgemeinen erhalten (Ich schreibe einen Brief). Ein solches nicht vorhandenes e wird nicht durch Apostroph ersetzt. Apostroph (2.1).
2.
du beweist / beweisest; er, ihr beweist / beweiset:
Der Wegfall des e in der 2. und 3. Person Singular und in der 2. Person Plural Präsens Aktiv ist heute die Regel:
du trinkst, er (ihr) trinkt; du liebst, er (ihr) liebt.
Ein Apostroph wird hier nicht gesetzt; Apostroph (3.4). Das e in diesen Formen ist veraltet oder dichterisch und wirkt geziert: ... doch nur die Anmut sieget (Schiller). ... ihr kehret nun ein (Greif). Dies gilt auch bei Verben, deren Stamm auf s-Laut endet: Das e bzw. das es fällt gewöhnlich weg. Veraltet lautet es: Wer allzu eiferig bekräftigt sein Versprechen, beweiset dir damit den Willen, es zu brechen (Rückert). Heute heißt es:
du beweist, ihr reißt, er beherrscht, du sitzt, du faxt. Nicht: du beweisest, ihr reißet, er beherrschet, du sitzest (auch nicht: du sitzst), du fax(e)st.
Das Weglassen des e führt dazu, dass bei solchen Verben die 2. Person Singular mit der 3. Person Singular und der 2. Person Plural formal zusammenfällt: du reist, er reist, ihr reist.
Endet der Verbstamm jedoch auf -d oder -t, dann bleibt das e erhalten (es sei denn, ein Vokalwechsel liegt vor):
du findest, er / ihr findet; du bietest, er / ihr bietet; du arbeitest, er / ihr arbeitet; (aber bei Vokalwechsel:) fechten - du fichtst (nicht: fichtest) - ihr fechtet.
Das Weglassen des s nach sch in Formen wie du wäscht, du nascht, du wischt, du rutscht ist standardsprachlich nicht zulässig. Richtig: du wäschst, du naschst, du wischst, du rutschst.
3.
ich sammele / sammle; ich ändere / ändre:
In der 1. Person Singular Präsens Indikativ und Konjunktiv I wird bei den mit -eln gebildeten Verben das e dieser Silbe heute im Allgemeinen weggelassen. Das Endungs-e ist dann obligatorisch (ich sammle, wechsle); die mit -ern gebildeten Verben behalten es dagegen gewöhnlich bei (ich wandere, schlenkere). Ein Apostroph wird hier nicht gesetzt (Apostroph (3.4)). Formen wie (ich) sammel, (ich) wechsel kommen in der Alltagssprache häufig vor, gelten aber nicht als standardsprachlich.
4.
wir, sie schreien / schrein, schrieen / schrien:
Das e der Endung -en in der 1. und 3. Person Plural Indikativ des Präsens Aktiv sowie des Konjunktivs I kann nach Vokal oder h wegfallen; dies geschieht vor allem in der Literatur aus vers- und satzrhythmischen Gründen und in der (gesprochenen) Umgangssprache. Nach -ie wird es nicht geschrieben, es fällt also in der 1. und 3. Person Plural Indikativ des Präteritums Aktiv sowie des Konjunktivs II und im Partizip II weg:
wir (sie) schrien (statt: schrieen), wir (sie) fliehn / flohn / flöhn (statt: fliehen / flohen / flöhen); wir (sie) knien, schrien.
In diesen Fällen wird kein Apostroph gesetzt; Apostroph (3.4).
5.
du starbst / starbest; ihr starbt / starbet:
Das e in der 2. Person Singular / Plural Präteritum Aktiv der starken Verben fällt heute gewöhnlich weg: du trankst, ihr trankt; veraltet: Drin liegst du, wie du starbest (Uhland). Geht der Verbstamm jedoch auf -d oder -t aus, dann muss das e in der 2. Person Plural Präteritum aus lautlichen Gründen stehen: ihr fandet, ihr botet; in der 2. Person Singular Präteritum bleibt es nur bei bestimmten Verben manchmal erhalten: du fand(e)st, du bot(e)st. Bei starken Verben, deren Stamm auf s-Laut endet, bleibt das e in der 2. Person Singular Präteritum häufig erhalten: du lasest, saßest, rissest, wuschest; in der 2. Person Plural Präteritum kann es wegfallen: ihr las(e)t, saß(e)t, riss(e)t, wusch(e)t. Im Konjunktiv II der starken Verben wird das e in der Regel gesetzt, vor allem dann, wenn der Stammvokal nicht umgelautet wird: ich schritte, du riefest. Dagegen ist vor allem in gesprochener Sprache möglich: ich nähm, du trügst. Ein Apostroph wird in all diesen Fällen nicht gesetzt; Apostroph (3.4).
6.
ich, er lebte / lebt':
Der Wegfall des e in der 1. und 3. Person Singular Präteritum Aktiv der schwachen Verben und entsprechender unregelmäßiger Verben findet sich vornehmlich in dichterischer Sprache. In diesen Fällen setzt man nur dann einen Apostroph, wenn die Form schwer lesbar oder missverständlich ist:
... einen vergänglichen Tag lebt' ich (Hölderlin). Was sollt' ich denn sonst auch wohl tun? (Th. Mann). Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll (Goethe). Ein Mann, der sich Kolumbus nannt' ...
Außerhalb des dichterischen Gebrauchs ist jedoch das e allgemein zu setzen (ich suchte, er suchte). Apostroph (2.1).
7.
Verweise:
Zu ich tu(e) tun (1); zum Indikativ von werden werden (1); zur Frage Indikativ oder Konjunktiv Konjunktiv.
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