Duden Richtiges und gutes Deutsch
Amerikanismen / Anglizismen
Als Amerikanismen oder Anglizismen bezeichnet man sprachliche Einheiten (Sätze, Wortgruppen, Wörter, Wortbestandteile) mit Eigenschaften, die aus dem amerikanischen bzw. britischen Englisch in eine andere Sprache übernommen wurden. Englische Wörter oder vom Englischen beeinflusste Wendungen, die nach 1945 in die deutsche Sprache Eingang gefunden haben, stammen überwiegend aus dem amerikanischen Englisch.Die folgenden Beispiele erstrecken sich auch auf die Zeit vor 1945.
1 Wortschatz
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1 Direkte (äußere) Entlehnungen
aus dem Englischen finden sich in allen Lebens- und Sprachbereichen:
(Politik, Wirtschaft:) Boom, Job, Hearing, Telebanking, Outsourcing; (Forschung, Technik:) Blackout, Update, Hotline, E-Mail; (Kultur, Freizeit usw.:) Sitcom, Inlineskate, Jazz, Jogging, Skateboard, Drop-out, Freak, Vamp, Patchwork, Gameshow, Rave, Wellness, Rooming-in, Groupie, Babysitter.
Viele dieser Entlehnungen kamen mit der Sache selbst ins Deutsche und füllten eine Wortlücke aus ((Blue)jeans, Jazz, Skateboard), andere treten in Konkurrenz zu heimischen Wörtern, verdrängen diese oder aber bereichern das jeweilige Wortfeld in inhaltlicher oder stilistischer Hinsicht. Man denke etwa an Teenager (Teenie, Teeny) und Backfisch, Hobby und Steckenpferd, Job und Arbeit(splatz), Jogging und Dauerlauf.
Von diesen echten Entlehnungen sind die sogenannten Scheinentlehnungen zu unterscheiden, die zwar aus englischem Wortmaterial gebildet wurden, aber nicht Bestandteil der englischen Sprache sind (Twen, Dressman, Showmaster, Handy, Pullunder).
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2 Innere Entlehnungen
Eine große Gruppe von Lehnbildungen stellen die Wörter und Wortgruppen dar, die nach ihren Bestandteilen aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt wurden. Man spricht von Lehnübersetzungen:
Gehirnwäsche (brainwashing), nasse Farbe (wet paint), Geburtenkontrolle (birth control), Kabelfernsehen (cable television), schweigende Mehrheit (silent majority), Halbleiter (semiconductor), einmal mehr (once more); (ebenso:) Kalter Krieg, Flutlicht, Selbstbedienung.
Um Lehnübertragungen (also »freie« Übersetzungen) aus dem Englischen handelt es sich bei
Luftbrücke (airlift), Untertreibung (understatement), Titelgeschichte (cover story), gleitende Arbeitszeit (flexitime), Pferdeschwanz (ponytail), Schlafstadt (dormitory town), Marschflugkörper (cruise missile), Urknalltheorie (big bang theory).
Als Lehnschöpfungen sind Wörter anzusehen wie
Nietenhose (blue jeans), kopflastig (top-heavy), Blockfreiheit (non-alignment), Konterschlag (backlash), Helligkeitsregler (dimmer), Luftkissenboot (hovercraft), Wasserglätte (aquaplaning).
Als Lehnwendungen sind zu betrachten:
im gleichen Boot sitzen (be in the same boat), jemandem die Schau stehlen (steal the show), das Gesicht wahren (save one's face), das Licht am Ende des Tunnels sehen (see the light at the end of the tunnel).
Manche Wörter haben durch Einfluss des Englischen eine weitere Bedeutung, eine Lehnbedeutung, erhalten. So hat realisieren durch realize neben seinen Bedeutungen »verwirklichen« und »in Geld umwandeln« noch die Bedeutung »sich etwas ins Bewusstsein bringen, sich einer Sache bewusst werden« bekommen; kontrollieren hat über control die Bedeutung »beherrschen« hinzugewonnen, dekorieren über decorate die Bedeutung »(militärisch) auszeichnen« und feuern über fire die Bedeutung »entlassen«. Das Adjektiv vital bedeutet neben »voller Lebenskraft« auch »lebenswichtig« (vgl. vital interests), und hässlich im Sinne von »böse« in Verbindung mit Nationalitätsbezeichnungen ist beeinflusst von ugly.
Doppelentlehnungen liegen z. B. in Hobby und fashionabel vor. Das sind Wörter, die zuerst übersetzt oder eingedeutscht in die deutsche Sprache gekommen sind (Steckenpferd (= hobby horse) und fesch) und später noch einmal, und zwar unübersetzt, im Deutschen Aufnahme gefunden haben.
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3 Grammatische Integration
Die meisten Anglizismen werden weitgehend und ohne Probleme ins grammatische System des Deutschen integriert. Substantive erhalten in der Regel das Genus eines bedeutungsähnlichen heimischen Wortes (der Bob, die Story, das Baby). Viele von ihnen werden nach der s-Flexion dekliniert (des Jobs, die Jobs), andere wählen den am weitesten verbreiteten heimischen Flexionstyp (die Bosse, die Babysitter, die Stewardessen, die Sportdresse). Wörter auf -er sind wegen der Ähnlichkeit mit der heimischen Endung -er oft Maskulina (der Browser, der Beamer, der Tranquilizer, aber: die Power). Allgemein bilden sich bei Fremdwörtern wie bei heimischen Wörtern Reihen mit gleichem Wortausgang im selben Genus (das Skating, das Walking, aber: der oder das Looping; die Publicity, die Community, aber: der Penalty).
Alle aus dem Englischen entlehnten Verben werden regelmäßig konjugiert, folgen also der schwachen Konjugation (surfe - surfte - gesurft, jobbe - jobbte - gejobbt.) Ein Partizip II wird gelegentlich in der englischen Form übernommen und erst später orthografisch integriert. relaxed/relaxt. Bei Verben wie downloaden, upgraden ist der erste Bestandteil nicht als Verbzusatz anzusehen, d. h., er ist nicht abtrennbar: Wir downloaden / upgraden etwas. Nicht: Wir loaden etwas down. Wir graden etwas up.
2 Wortbildung
Manche (Halb)präfixe und (Halb)suffixe werden unter dem Einfluss des Englischen besonders produktiv, z. B.:
best-: bestbekannt, bestinformiert, bestbezahlt, bestgehasst;
Mini-: Minigolf, Minikleid, Minibus, Ministaubsauger;
Monster-: Monsterprogramm, Monsterprozess, Monsterschau, Monsterveranstaltung;
super- / Super-: superschnell, supersanft; Superbombe, Supermacht, Supermarkt;
Top-: Toplage, Topausstattung, Topleistung;
-bewusst (nach: -conscious): preisbewusst, körperbewusst, modebewusst;
-weit (nach: -wide): weltweit, bundesweit.
Im Bereich der Komposition ist einmal auf englisch-deutsche Mischbildungen wie
Livesendung, Popsänger, Fußballfan, Discountladen, Werbespot, Spikesreifen
hinzuweisen. Ferner gehen auf englischen Einfluss bestimmte Formen von Komposition anstelle präpositionaler Fügungen zurück (Kompositum 3):
Tokioreise / die Reise nach Tokio, Berlinbesuch / Besuch in Berlin, Helsinkikonferenz / Konferenz in Helsinki, EU-Beitritt / Beitritt zur EU.
Schließlich haben auch Verbableitungen aus Substantiven wie
leitartikeln, lichthupen, dauerparken, bausparen, not- / zwischenlanden, schutzimpfen
Parallelen in der Wortbildung des Englischen.
3 Syntax
Als Einzelerscheinung ist hier die vom Englischen beeinflusste Fügung in + Jahreszahl (in 2007) für im Jahre + Jahreszahl anzuführen. Auch die besonders in Pressepublikationen zu beobachtende Verwendung von (Verberstsätzen) in Formulierungen wie Schimpfte Dortmunds Trainer H. Z.: ... Schwärmte Regisseurin Agnиs Varda schon jetzt: ... hat Parallelen im Englischen. Die Wendung Etwas macht Sinn anstelle von Etwas hat Sinn geht ebenfalls auf den Einfluss des Englischen zurück.
Sodann wird die transitive Verwendung einiger eigentlich intransitiver Verben auf englischen Einfluss zurückgeführt (einen Wagen fahren, jemanden boxen (für: gegen jmdn. boxen), denken, dass (für: glauben, der Meinung sein, dass). Was fliegen deutsche Manager?).
Imperative wie Fliegen Sie ...! für Fliegen Sie mit ...! o. Ä., die verstärkt in der Werbesprache auftauchen, lassen sich ebenfalls mit englischen Vorbildern in Zusammenhang bringen.
Auch vorangestellte Genitivattribute (2.1) wie Bayerns große Familienbrauerei, Stuttgarts beliebteste Showband, Roms Priester wären ohne die entsprechende englische Konstruktion gewiss seltener in der deutschen Zeitungssprache anzutreffen.
Schließlich kann auch die Verwendung des Passivs oder einer passivischen Ersatzkonstruktion durch das Aktiv bei einigen Verben mit der Einwirkung des Englischen erklärt werden:
Die BZ verkauft 160 000 Exemplare (nach: the book sells 10 000 copies). (Ähnlich:) Das Geschäft öffnet morgen.
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