Duden Richtiges und gutes Deutsch
Adjektiv
Häufig gestellte Fragen zum AdjektivFrage Antwort unter
Wann wird ein Adjektiv stark und wann schwach flektiert? dieser Artikel, Punkt (1.1)
Wie werden zwei Adjektive vor einem Substantiv flektiert bzw. heißt es nach heftigem parlamentarischem Streit oder nach heftigem parlamentarischen Streit? Setzt man bei nach langem(,) schwerem Leiden ein Komma zwischen die beiden Adjektive? dieser Artikel, Punkt (1.2.1)
Wie schreibt man Verbindungen aus zwei Adjektiven, z. B. bittersüß, schaurig-schön, deutsch-amerikanisch? dieser Artikel, Punkt (2.2), Bindestrich (4, 6.4)
Welche Adjektive werden nicht dekliniert, z. B. ein rosa Kleid? dieser Artikel, Punkt (1.1.4)
1 Deklination
1.1 Deklinationsarten
1.1.1 Starke Deklination
1.1.2 Schwache Deklination
1.1.3 Gemischte Deklination
1.1.4 ein rosa Kleid / ein klasse Sprinter (Adjektive, die nicht flektiert werden)
1.2 Besonderheiten der Adjektivdeklination
1.2.1 nach langem(,) schwerem Leiden / nach langem schweren Leiden (Deklination mehrerer attributiver Adjektive oder Partizipien; Kommasetzung zwischen Adjektiven)
1.2.2 frohen Sinnes / frohes Sinnes (Deklination des Adjektivs im Genitiv Singular ohne vorangehenden Artikel)
1.2.3 unser von mir selbst abgeschickter Bericht · euer von allen unterschriebener Brief (Deklination des Adjektivs oder Partizips nach einem Possessiv)
1.2.4 mir jungem / jungen Menschen · wir Deutsche /Deutschen (Deklination des Adjektivs oder Partizips nach Personalpronomen)
1.2.5 einige schöne Bücher / alle schönen Bücher (Deklination des Adjektivs oder Partizips nach Artikelwörtern und artikelähnlichen Adjektiven wie alle, einige, manche)
1.2.6 ein Besuch der Stadt und deren herrlicher Umgebung · der Mann, auf dessen erschöpftem Gesicht ... (Deklination des Adjektivs oder Partizips nach dessen und deren)
1.2.7 zu gewohnter Stunde / zur gewohnten Stunde (Deklination des Adjektivs oder Partizips nach einer Präposition)
1.2.8 in schlechtem Zustand / im schlechten Zustand (Deklination des Adjektivs oder Partizips in der Apposition)
1.2.9 Das Urteil des Richters war ein mildes / war mild · Diese Lage war eine ungewöhnliche / war ungewöhnlich
1.2.10 in einer ähnlich schwierigen Lage / in einer ähnlichen schwierigen Lage (das Adjektiv oder Partizip als Attribut eines anderen Adjektivs oder Partizips)
1.2.11 die chronisch Kranke
1.2.12 sich höflich Mühe geben (das Adjektiv als Zusatz bei festen Verbindungen)
1.2.13 ein ebenes / ebnes Gelände · ein dunkeler / dunkler Gang (Weglassen des e)
1.2.14 blöd / blöde · dick / dicke · mild / milde (Adjektive mit oder ohne e im Auslaut)
1.2.15 Steigerung des Adjektivs
2 Wortbildung des Adjektivs
2.1 pflegeleicht · schaumgebremst · winterfest
2.2 schaurig-schön · melancholisch-heiter (gekoppelte Adjektive)
2.3 Verweise
3 Die Verwendung des Adjektivs im Satz
3.1 der sich im Schrank befindende Schmuck · die ihr gehörenden Sachen
3.2 ein neues Paar Schuhe / ein Paar neue(r) Schuhe · ein kaltes Glas Milch / ein Glas kalte Milch
3.3 kleines Kindergeschrei · anorganischer Chemieprofessor
3.4 ein glitzernder goldener Ring / ein goldener glitzernder Ring (Reihenfolge attributiver Adjektive)
3.5 Fußball brutal · Sport total · Urlaubssonne satt
3.6 eine starke Raucherin / ein schlechter Esser
4 Stilistik des Adjektivs
4.1 fachliche Bildung / Fachbildung · weihnachtliche Musik / Weihnachtsmusik · väterliches Geschäft / Geschäft des Vaters (Das Adjektiv anstelle eines Erstglieds oder eines Genitivattributes)
4.2 Stil: blutiger Ernst · hell begeistert (abgegriffene Adjektive)
5 Verweise
Wörter wie einsam, flott, schön, blau und ungeschickt, mit denen man Lebewesen, Dinge und Begriffe, Zustände, Vorgänge und Tätigkeiten charakterisieren kann, nennt man Adjektive (Eigenschaftswörter). Sie sind im Allgemeinen deklinierbar (s. u.) und können normalerweise Vergleichsformen bilden. Ein Substantiv können sie unmittelbar näher bestimmen (schöne Jacke, blaue Augen). Man nennt das die attributive Verwendung des Adjektivs. Attributive Verwendung liegt darüber hinaus auch in Verbindung mit Adverbien (weit draußen) und anderen Adjektiven (abscheulich kalt; 1.2.10) vor. Tritt ein Adjektiv in Verbindung mit sein, werden oder bleiben auf (Sie ist, wird krank), dann spricht man von prädikativer Verwendung des Adjektivs. Adverbial nennt man demgegenüber den Gebrauch eines Adjektivs, das ein Verb näher bestimmt (Der Motor läuft gleichmäßig).
In älteren Grammatiken wurde ein Adjektiv, wenn es zu einem Verb gehört (Sie läuft schnell. Er spricht laut.), auch Adverb genannt. Die neueren Grammatiken tun dies zum großen Teil nicht mehr, weil die in althochdeutscher Zeit noch vorhandenen Adverbformen der Adjektive heute verschwunden sind. Wichtig für die Abgrenzung des Adjektivs vom Adverb ist es, zwischen der Einteilung der Wortarten und der syntaktischen Verwendung, d. h. der Verwendung im Satz, zu unterscheiden.
Einteilung der Wortarten: Verb, Substantiv, Adjektiv (z. B. schön, laut, schnell), Adverb (z. B. dort, oft, sehr), Pronomen usw.
Verwendung im Satz: attributiv: das hübsche Mädchen; prädikativ: das Mädchen ist hübsch; adverbial: das Mädchen singt hübsch.
Die folgenden Abschnitte behandeln die Deklination des Adjektivs, seine Bildung und Verwendung im Satz sowie die Stilistik.
1 Deklination
1.
1 Deklinationsarten
1.
1.1 Starke Deklination
Maskulinum Femininum Neutrum
Singular Nom. weich-er Stoff warm-e Speise hart-es Metall
Gen. (statt) weich-en Stoff(e)s (statt) warm-er Speise (statt) hart-en Metalls
Dat. (aus) weich-em Stoff (mit) warm-er Speise (aus) hart-em Metall
Akk. (für) weich-en Stoff (für) warm-e Speise (für) hart-es Metall
Plural Nom. weich-e Stoffe warm-e Speisen hart-e Metalle
Gen. (statt) weich-er Stoffe (statt) warm-er Speisen (statt) hart-er Metalle
Dat. (aus) weich-en Stoffen (mit) warm-en Speisen (aus) hart-en Metallen
Akk. (für) weich-e Stoffe (für) warm-e Speisen (für) hart-e Metalle
Ein Adjektiv wird stark dekliniert, wenn ihm kein Artikelwort vorausgeht oder wenn das vorausgehende Wort endungslos ist. Die Deklination ist weitgehend formgleich mit der des Artikelworts dieser, z. B. weich-er Stoff - dies-er Stoff.
1.
1.2 Schwache Deklination
Maskulinum Femininum Neutrum
Singular Nom. der schnell-e Wagen die schnell-e Läuferin das schnell-e Auto
Gen. des schnell-en Wagens der schnell-en Läuferin des schnell-en Autos
Dat. dem schnell-en Wagen der schnell-en Läuferin dem schnell-en Auto
Akk. den schnell-en Wagen die schnell-e Läuferin das schnell-e Auto
Plural Nom. die schnel-len Wagen schnell-en Läuferinnen schnell-en Autos
Gen. der
Dat. den
Akk. die
Ein Adjektiv wird schwach dekliniert, wenn ihm der bestimmte Artikel oder ein anderes Artikelwort mit Endung vorausgeht.
1.
1.3 Gemischte Deklination
Maskulinum Femininum Neutrum
Singular Nom. kein schnell-er Wagen keine schnell-e Läuferin kein schnell-es Auto
Gen. keines schnell-en Wagens keiner schnell-en Läuferin keines schnell-en Autos
Dat. keinem schnell-en Wagen keiner schnell-en Läuferin keinem schnell-en Auto
Akk. keinen schnell-en Wagen keine schnell-e Läuferin kein schnell-es Auto
Plural Nom. die schnel-len Wagen schnell-en Läuferinnen schnell-en Autos
Gen. der
Dat. den
Akk. die
Ein Adjektiv folgt dieser Deklinationsart, wenn ihm kein, mein, dein, sein, unser, euer, ihr, Ihr oder der unbestimmte Artikel ein vorausgeht (»gemischt«, weil nach diesen endungslosen Formen stark dekliniert wird und sonst schwach).
Artikelwörter und Adjektive, nach denen die Deklination des Adjektivs schwankt, sind in diesem Buch gesondert behandelt (all-, beide, solcher usw.).
1.
1.4 ein rosa Kleid / ein klasse Sprinter
Adjektive, die auf einen unbetonten Vollvokal enden, können nicht wie andere Adjektive dekliniert werden: die lila Hüte, ein prima Vorschlag, eine sexy Bluse. Durch die Flexionsendung würden zwei unbetonte Vokale aufeinanderstoßen (lila-er, prima-e, sexy-es). Solche Strukturen werden vermieden. Stattdessen werden in der Umgangssprache immer häufiger Formen mit einem eingeschobenen -n- zwischen den beiden Vokalen verwendet: die lilanen Hüte; Sie behält den rosanen. In zahlreichen Fällen können solche Adjektive gar nicht attributiv verwendet werden, z. B. Der Läufer ist groggy, aber nicht der groggy Läufer. Farbbezeichnungen (2.2).
1.
2 Besonderheiten der Adjektivdeklination
1.
2.1 nach langem(,) schwerem Leiden / nach langem schweren Leiden
(Deklination mehrerer attributiver Adjektive oder Partizipien; Kommasetzung zwischen Adjektiven): Stehen bei einem Substantiv zwei oder mehrere Adjektive oder Partizipien, dann werden diese in gleicher Weise (parallel) flektiert: ein breiter, tiefer Graben. Das gilt auch für den von einer Präposition abhängenden Dativ des Maskulinums und des Neutrums: mit ungespritztem, preiswertem Obst; nach langem, schwerem Leiden. Zwischen den Adjektiven steht ein Komma, wenn man sie mit und oder mit sowohl als auch verbinden könnte: ein Leiden, das lang und schwer war. Kein Komma steht, wenn das unmittelbar vor dem Substantiv stehende Adjektiv mit diesem einen Gesamtbegriff bildet: nach langem schwerem Leiden (ein schweres Leiden, das lange anhielt); nach heftigem parlamentarischem Streit. Insbesondere in diesem Fall wird in vielen Texten die schwache Endung -en des zweiten Adjektivs bevorzugt: eine Flut von weißem elektrischen Licht ergoss sich breit in den Saal (Th. Mann); auf schwarzem hölzernen Sockel (Carossa); nach heftigem parlamentarischen Streit. Nicht korrekt ist der Ersatz der Endung -er durch -en: mit wertvoller silberner (nicht: silbernen) Verzierung; der Duft kostbarer ätherischer (nicht: ätherischen) Öle.
1.
2.2 frohen Sinnes / frohes Sinnes
(Deklination des Adjektivs im Genitiv Singular ohne vorangehenden Artikel): Steht das Adjektiv allein, dann müsste es eigentlich im Genitiv Singular des Maskulinums und Neutrums stark dekliniert werden: frohes Sinnes, gutes Mutes, trauriges Herzens. Im heutigen Sprachgebrauch wird es jedoch schwach dekliniert. Diese Ersetzung von -es durch -en beginnt schon im 17. Jahrhundert und ist darauf zurückzuführen, dass das nachfolgende Substantiv bereits ein -(e)s als Endung hat. Man dekliniert heute also: frohen Sinnes, guten Mutes, traurigen Herzens, die Abfüllung jungen Weines. Erhalten hat sich die starke Deklination nur noch in einigen fest gewordenen Fügungen sowie innerhalb von Komposita: reines Herzens (neben: reinen Herzens), geradeswegs (neben: gerade(n)wegs).
1.
2.3 unser von mir selbst abgeschickter Bericht · euer von allen unterschriebener Brief
(Deklination des Adjektivs oder Partizips nach einem possessiven Artikelwort): Das in der Deklination von einem Possessiv abhängende Adjektiv oder Partizip wird stark dekliniert, wenn das vorausgehende Possessiv selbst endungslos ist (mein, dein, sein, unser, euer, ihr, Ihr): Ihr an das Finanzamt gerichtetes Schreiben. Nicht: Ihr an das Finanzamt gerichtete Schreiben. Fügungen dieser Art stehen in der Regel ohne Komma; Komma (1).
Unsicherheit besteht vor allem bei den Formen unser und euer, deren auf -er ausgehender Stamm oft fälschlich als starke Endung angesehen wird. Es muss richtig heißen: unser von mir selbst abgeschickter (nicht: abgeschickte) Bericht; euer von allen unterschriebener (nicht: unterschriebene) Brief.
1.
2.4 mir jungem / jungen Menschen · wir Deutsche / Deutschen
(Deklination des Adjektivs oder Partizips nach Personalpronomen): Ein (substantiviertes) Adjektiv oder Partizip, dem ein Personalpronomen vorangeht, wird im Allgemeinen stark dekliniert, weil diese Pronomen keine starke Endung aufweisen: ich altes Kamel; du großer Held; du Geliebter.
Es treten jedoch gewisse Schwankungen im Dativ Singular aller drei Genera auf: Neben standardsprachlich voll anerkannten Ausdrücken mit starker Deklination des Adjektivs wie mir jungem Menschen, dir altem Mann, dir Geliebtem stehen auch mir jungen Menschen, dir alten Mann, dir Geliebten. Im Dativ Femininum wird sogar recht häufig die schwache Deklination bevorzugt, wodurch der Anklang an das Maskulinum vermieden wird: mir alten Frau, dir treuen Seele, dir Geliebten. Der Grund dafür ist wohl auch in dem Bestreben zu suchen, den zweimaligen gleichen Wortausgang auf -r zu vermeiden (vgl. auch -s in alles Ernstes, allen Ernstes; all- (5)). Die starke Flexion nach der Grundregel verdient aber auch hier den Vorzug: mir alter Frau.
Im Nominativ Plural wird heute im Allgemeinen schwach flektiert: wir alten Kameraden, ihr treulosen Väter, wir deutschen Steuerzahlerinnen. Nach wir kommt bei substantivierten Adjektiven oder Partizipien auch die starke Deklination vor: wir Deutschen / (seltener stark:) Deutsche; wir Grünen / (seltener stark:) Grüne; wir Fußballbegeisterten / (seltener stark:) Fußballbegeisterte.
Beim Akkusativ Plural gibt es nur die starke Flexion (Akkusativ: für uns Deutsche; für uns fortschrittliche Studierende), wohl deshalb, weil er sich sonst nicht vom Dativ unterscheiden würde (Dativ: von uns Deutschen, von uns fortschrittlichen Studierenden).
1.
2.5 einige schöne Bücher / alle schönen Bücher
(Deklination des Adjektivs oder Partizips nach Pronominaladjektiven wie alle, einige, manche): Die Deklination nach Pronominaladjektiven schwankt, je nachdem, ob diese Wörter als Artikelwort oder als Adjektiv behandelt werden. Adjektive oder Partizipien werden schwach dekliniert, wenn das vorangehende Pronominaladjektiv als Artikelwort gebraucht wird: alle guten Tipps. Wird es als Adjektiv gebraucht, dann werden beide parallel flektiert: einige schöne Bücher. Vgl. die einzelnen Pronominaladjektive an der jeweiligen alphabetischen Stelle. Zur Deklination des Adjektivs nach zweier, dreier zwei (2).
1.
2.6 ein Besuch der Stadt und deren herrlicher Umgebung · der Mann, auf dessen erschöpftem Gesicht ...
(Deklination des Adjektivs oder Partizips nach dessen und deren): Nach den Demonstrativ- und Relativpronomen dessen und deren wird das folgende Adjektiv oder Partizip stark flektiert, weil die Pronomen als attributive Genitive keinerlei Einfluss auf die Deklination ausüben: Ein Besuch der Stadt und deren herrlicher (nicht: herrlichen) Umgebung lohnt sich. Der Mann, auf dessen erschöpftem (nicht: erschöpften) Gesicht sich Enttäuschung malte, gab das Rennen auf.
1.
2.7 zu gewohnter Stunde / zur gewohnten Stunde
(Deklination des Adjektivs oder Partizips nach einer Präposition): Nach einer Verschmelzung aus Präposition und Artikel wird das Adjektiv oder Partizip schwach flektiert: im schwarzen Kleid, im getrockneten Zustand, zur gewohnten Stunde. Nach der Präposition allein (ohne Artikel) wird stark flektiert: in schwarzem Samt, in getrocknetem Zustand, zu früher Stunde. - Sind beide Ausdrucksweisen möglich, dann besagen sie nicht dasselbe. Mit dem Satz Es fehlt an echtem Bemühen wird ausgesagt, dass kein oder nicht genügend echtes Bemühen vorhanden ist. Der Satz Es fehlt am echten Bemühen fasst dagegen das echte Bemühen als Gesamtheit. Präposition (1.2.5).
1.
2.8 mit einem Blatt weißem/weißen Papier · ihm als bekanntem / bekannten Künstler
(Deklination des Adjektivs oder Partizips in der Apposition und in Konjunktionalgruppen): Als Grundregel gilt, dass das artikellose Adjektiv oder Partizip in einer Apposition stark flektiert wird: ein Blatt weißes Papier; mit einem Blatt weißem Papier; von Frau Dr. Schneider, ordentlicher Professorin an der Universität Trier; mit Herrn Meier, ordentlichem Professor an der Universität Mainz. Dasselbe gilt bei entsprechenden Verbindungen mit als: mir als jüngerer Schwester; ihm als bekanntem Künstler. Im Dativ wird das Adjektiv oder Partizip gelegentlich schwach flektiert: mir als jüngeren Schwester; ihm als bekannten Künstler; mit einem Blatt weißen Papier. Apposition (4). Die starke Flexion (jüngerer, bekanntem, weißem) ist jedoch auch hier vorzuziehen.
1.
2.9 Das Urteil des Richters war ein mildes / war mild · Diese Lage war eine ungewöhnliche / war ungewöhnlich:
Gelegentlich wird ein prädikativ gebrauchtes Adjektiv mit dem unbestimmten Artikel verbunden und dekliniert: Das Urteil des Richters war ein mildes, statt: Das Urteil des Richters war mild. Die Folgen für die Wirtschaft werden katastrophale sein, statt: Die Folgen für die Wirtschaft werden katastrophal sein.
Solche Formulierungen sind sinnvoll, wenn das Adjektiv fokussierend gebraucht wird. Dabei ist es besonders betont und wird zu gedachten oder im Kontext genannten Alternativen in Beziehung gesetzt: Diese Linie ist eine gerade, jene eine gekrümmte. Diese Frage ist eine politische, keine pädagogische. In dieser Verwendung finden sich besonders sogenannte klassifizierende Adjektive, die sich auf Besitz, Herkunft, Zugehörigkeit und Stoff beziehen und sonst nur attributiv gebraucht werden können: Der Wein ist ein spanischer, der andere ein italienischer. Dieser Teppich ist ein orientalischer, jener ein chinesischer. Stilistisch besser: Dies ist ein orientalischer, das ein chinesischer Teppich. Dies ist eine politische und keine pädagogische Frage usw. Fokus.
1.
2.10 in einer ähnlich schwierigen Lage / in einer ähnlichen schwierigen Lage
(das Adjektiv oder Partizip als Attribut eines anderen Adjektivs oder Partizips): Ein Adjektiv oder Partizip, das ein Substantiv näher bestimmt, muss normalerweise dekliniert werden: ein altes, dürres Männchen. Wenn es dagegen ein anderes Adjektiv oder Partizip näher bestimmt, bleibt es undekliniert: ein frisch gebackenes Brot; ein schneidend kalter Wind.
Man muss also darauf achten, dass eine Aussage mit unflektiertem Adjektiv (z. B. in einer ähnlich schwierigen Lage) etwas anderes beinhaltet als eine Aussage mit dekliniertem Adjektiv (in einer ähnlichen schwierigen Lage). In dem Satz Ich befand mich in einer ähnlich schwierigen Lage ist ähnlich ein Attribut zu schwierig, es wird also die Schwierigkeit der Lage als ähnlich bezeichnet. In dem Satz Ich befand mich in einer ähnlichen schwierigen Lage ist ähnlich wie schwierig Attribut zu Lage und wird genauso wie das Wort schwierig dekliniert. Die Lage wird als ähnlich bezeichnet und außerdem als schwierig.
Die Deklination eines Adjektivs, das ein anderes näher bestimmt, gilt standardsprachlich als nicht korrekt, z. B.: Du hast schöne warme Hände anstatt richtig: Du hast schön warme Hände. Ist ein Mensch einem anderen ausgesprochen, d. h in besonders spürbarer Weise, unsympathisch, dann kann es nur heißen Er ist ein ausgesprochen unsympathischer Mensch (nicht: Er ist ein ausgesprochener unsympathischer Mensch).
1.
2.11 die chronisch Kranke
Ein undekliniertes Adjektiv oder Partizip, das ein anderes Adjektiv oder Partizip näher bestimmt, bleibt bei dessen Umwandlung in eine Personenbezeichnung o. Ä. undekliniert:
chronisch krank - die chronisch (nicht: chronische) Kranke; geistig behindert - ein geistig Behinderter; einschlägig vorbestraft - der einschlägig Vorbestrafte; ewig nörgelnd - ewig Nörgelnder; unmittelbar vergangen - unmittelbar Vergangenes.
In diesem Sinne ist die Übersetzung von »Le malade imaginaire« (Moliиre) mit »Der eingebildete Kranke« unzutreffend, denn der Dargestellte ist eingebildet(ermaßen) krank und nicht eingebildet.
1.
2.12 sich höflich Mühe geben
(das Adjektiv als Zusatz bei festen Verbindungen): Enge Verbindungen aus Substantiv und Verb (sich Mühe geben; von etwas Kenntnis nehmen; Gefahr laufen) können in der Regel nur als Ganzes durch ein Adjektiv erweitert werden; das Adjektiv ist dann adverbial verwendet und bleibt undekliniert: Sie gab sich höflich Mühe, ihm den Weg zu erklären. Er nahm nur flüchtig Kenntnis von dem Brief. Wenn man das Adjektiv flektiert, dann kennzeichnet es nicht die Art und Weise des ganzen Vorgangs, sondern nur das Substantiv. Eine höfliche Mühe gibt es nicht, und flüchtige Kenntnis kann man nur sagen, wenn das Wort in der Bedeutung »Wissen, Erfahrung« gemeint ist. Eine solche Kenntnis kann man aber nicht nehmen, man kann sie nur haben.
1.
2.13 ein ebenes / ebnes Gelände · ein dunkeler / dunkler Gang
(Weglassen des e): Bei den Adjektiven auf -el fällt das e dieser Buchstabenverbindung in der Deklination und im Komparativ weg. Dadurch wird das Auftreten einer Häufung unbetonter Silben vermieden: ein dunkler Gang, ein nobles Angebot, eine eitle Frau. Früher ließ man bei solchen Adjektiven stattdessen häufig das e der Flexionsendung -en weg: im dunkeln Hain usw.
Auch die Adjektive auf -abel und -ibel verlieren, wenn sie dekliniert oder gesteigert werden, das e der Endsilbe: eine respektable Leistung, ein flexibler Bucheinband, eine praktikablere Lösung.
Demgegenüber behalten die Adjektive auf -er und -en (in der geschriebenen Sprache) gewöhnlich das e bei: ein finsteres Gesicht, ein ebenes Gelände. Endet jedoch der Stamm des Adjektivs auf -au- oder -eu-, dann wird das e weggelassen: saures Bier, teure Zeiten. Auch bei vielen fremden Adjektiven lässt man das e der unbetonten Endung -er in den flektierten Formen weg: eine illustre Gesellschaft, integre Beamte, eine makabre Geschichte. Je stärker ein solches Adjektiv in den deutschen Wortschatz integriert ist, desto unauffälliger wirken Formen mit e: eine makabere Geschichte. Bei den Adjektiven leger und peripher, die auf der letzten Silbe betont werden, bleibt das e immer erhalten (legere Kleidung; periphere Blutgefäße). Auch bei dem aus dem Englischen entlehnten Adjektiv clever lässt man das e nicht weg (eine clevere Lösung). Früher fiel bei den Adjektiven auf -er häufig das e der Flexionsendung weg: mit düstern Mienen, einen muntern Knaben.
Beim deklinierten Partizip II auf -en fällt aus metrischen Gründen oder zur Erleichterung des Sprechens das e der Endung -en gelegentlich weg: gefrornes Wasser statt gefrorenes Wasser; zerbrochner Krug statt zerbrochener Krug; gezogne Linie statt gezogene Linie; gelungner Abend statt gelungener Abend.
1.
2.14 blöd / blöde · dick / dicke · mild / milde
(Adjektive mit oder ohne e im Auslaut): Viele Adjektive hatten früher im Auslaut ein e. Bei einigen ist es im Lauf der Zeit weggefallen; bei anderen kommen Formen mit e neben solchen ohne e vor: blöd / blöde; trüb / trübe; feig / feige; zäh / zähe; mild / milde; öd / öde. Nur bei Adjektiven mit einem einzelnen stimmhaften Konsonanten vor dem e ist die Form mit dem auslautenden e die standardsprachlich übliche: leise, trübe, feige, bei den anderen die Form ohne e: dünn, dick (gegenüber den umgangssprachlichen Wendungen sich dünnemachen, es nicht dicke haben).
1.
2.15 Steigerung des Adjektivs:
Vergleichsformen.
2 Wortbildung des Adjektivs
2.
1 pflegeleicht · schaumgebremst · winterfest
Die Kompositionsfreudigkeit der deutschen Sprache - d. h. die starke Neigung, Komposita zu bilden - zeigt sich auch im Adjektivbereich. Viele Adjektivkomposita bleiben nur Augenblicksbildungen, andere werden lexikalisiert, d. h., sie werden zu festen Bestandteilen des Wortschatzes. Ein verbreiteter Kompositionstyp verbindet einen Substantiv- mit einem Adjektivstamm (halsfern, preisgünstig, motivgleich, strukturelastisch, erntefrisch, säurefest, parteioffiziell, regenkühl, verkaufsoffen). Ist das Zweitglied ein Partizip I, so hat das Substantiv beim zugrunde liegenden Verb meist die Rolle des direkten Objekts, z. B. eisenverarbeitend von verarbeitet Eisen (spanabhebend, wetterbestimmend, abendfüllend, gesundheitsschädigend, parteischädigend, satzschließend). Ist das Zweitglied ein Partizip II, dann hat das Substantiv beim zugrunde liegenden Verb meist die Rolle des Instrumentals (eines Auslösers oder Mittels zum Zweck), z. B. windgetrieben von mit Wind getrieben (sonnengereift, eisgekühlt, gasvergiftet, glasfaserverstärkt, schaumgebremst, unfallgeschädigt, strafbewehrt).
Diese Flut von Adjektivkomposita ist verschiedentlich von sprachpflegerischer Seite kritisiert worden - nicht immer zu Recht, denn Bildungen dieser Art stellen ein wirkungsvolles Mittel zur Erweiterung des Wortschatzes wie zur Ausdruckskürzung dar (Der Kühlschrank hat türbreite Fächer / Fächer, die so breit wie die Tür sind) und können eine stilistische Bereicherung sein (Diese Generation ist fernsehmüde / des vielen Fernsehens müde / vom vielen Fernsehen müde). Besonders Wirtschaft und Wissenschaft bedienen sich dieser Wortbildungsmöglichkeit, weil sie sich vor die Aufgabe gestellt sehen, komplizierte Vorgänge und Sachverhalte in knapper Form sprachlich zu bewältigen.
Die Bildung von Adjektivkomposita ist keineswegs neu. Besonders im dichterischen Bereich ist sie seit Langem verbreitet (früchteschwer, unheilschwanger; herzbewegend, himmelschreiend, freudestrahlend, unheildrohend; siegestrunken, unheilgefasst, unglückverfolgt, herzbetrübt). Wurden früher weitgehend Stimmungen und Gefühle auf diese Art dichterisch eingefangen, so werden heute mit den gleichen Mitteln auch sachliche Aussagen gemacht. Selbst die Adjektivkomposita, die einen Vergleich enthalten und im Allgemeinen eine schmückende Funktion erfüllen, wie z. B. taufrisch (= frisch wie der Tau), hauchzart (zart wie ein Hauch), grasgrün (= grün wie das Gras), werden von der Sprache der Technik zur sachlichen Aussage verwendet, z. B. körperwarmes (= so warm wie der Körper) Wasser, eine handtellergroße (= so groß wie ein Handteller) Entzündung.
2.
2 schaurig-schön · melancholisch-heiter
(gekoppelte Adjektive)
Zu den Möglichkeiten, den Adjektivbestand zu vergrößern, gehört auch die Kopplung von zwei Adjektiven. Durch die Kopplung soll eine besondere Wirkung oder Stimmung hervorgerufen werden, vor allem dann, wenn inhaltlich entgegengesetzte Adjektive miteinander verbunden werden (schaurig-schön, melancholisch-heiter, ironisch-liebevoll). Solche Kopplungen werden gern in dichterischer Sprache verwendet: ein grausam-süßes Lächeln. Herr v. Pasenow wurde ... wie ein Vorgesetzter mit schmal-steifer Verbeugung ... begrüßt (Broch). Sie können durch die Verschmelzung beider Wortinhalte eine bestimmte schillernde, schwebende Vorstellung erzeugen und dadurch die Aussage bereichern.
2.
3 Verweise
Zu Verbindungen wie Ekel erregend / ekelerregend, Eisen verarbeitend / eisenverarbeitend Getrennt- oder Zusammenschreibung (3.1.1). Zur Kopplung von Adjektiven Bindestrich (4); Farbbezeichnungen (3.1). Zum Nebeneinander von Adjektiven auf -al und -ell (personal / personell) -al / -ell. Zum Bedeutungsunterschied der Adjektivbildungen auf -ig und -lich (vierwöchig / vierwöchentlich) und der Adjektive auf -lich und -isch (kindlich / kindisch) -ig / -isch / -lich. Zum Bedeutungsunterschied der Adjektivbildungen auf -bar und -lich (unaussprechbar / unaussprechlich) -lich / -bar. Zur Ableitung der Adjektive von Personennamen mit dem Suffix -(i)sch Personennamen (4).
3 Die Verwendung des Adjektivs im Satz
3.
1 der sich im Schrank befindende Schmuck · die ihr gehörenden Sachen
Adjektive, die von einem Verb abgeleitet sind, werden gelegentlich in Anlehnung an den Gebrauch des Partizips I falsch verwendet. Nicht korrekt ist z. B. die Verbindung mit dem Reflexivpronomen: Der sich im Schrank befindliche Schmuck wurde gestohlen. Richtig: Der im Schrank befindliche Schmuck wurde gestohlen oder: Der sich im Schrank befindende Schmuck wurde gestohlen. Nicht korrekt: Auf das Material wird eine sich lösliche Schicht aufgetragen. Richtig: Auf das Material wird eine lösliche Schicht aufgetragen.
Der häufiger zu beobachtende Gebrauch von gehörig anstelle von gehörend gilt nicht als standardsprachlich: Der Vater räumte die in den Schrank gehörige Wäsche weg. Besser: Der Vater räumte die in den Schrank gehörende Wäsche weg. Nicht: Der meiner Freundin gehörige Koffer wurde gestohlen. Besser: Der meiner Freundin gehörende Koffer wurde gestohlen.
3.
2 ein neues Paar Schuhe / ein Paar neue(r) Schuhe · ein kaltes Glas Milch / ein Glas kalte Milch
Wenn eine Mengen- oder Maßangabe und eine Stoffbezeichnung als eine Einheit (Paar Schuhe, Glas Wein, Tasse Kaffee) aufgefasst werden, dann kann das eigentlich zur Stoffbezeichnung gehörende Adjektiv auch vor dieser Einheit (ein neues Paar Schuhe) stehen, sofern es sich auf beide Wörter gleichermaßen beziehen kann, ohne dass dadurch der Sinn verändert wird: ein Paar neue(r) Schuhe, ein neues Paar Schuhe, ein neues Paar; ein Glas guter Wein / guten Weines, ein gutes Glas Wein, ein gutes Glas; eine Tasse dampfender Kaffee / dampfenden Kaffees, eine dampfende Tasse Kaffee, eine dampfende Tasse.
Manchmal ergeben sich jedoch Sinnänderungen. So besteht zwischen ein Glas frische(r) Milch und ein frisches Glas Milch ein inhaltlicher Unterschied insofern, als ein frisches Glas Milch mehr den Sinn von »ein neues, noch ein Glas Milch« hat. Nicht sagen kann man z. B. eine schwarze Tasse Kaffee für eine Tasse schwarzen Kaffees.
3.
3 kleines Kindergeschrei · anorganischer Chemieprofessor
Steht ein Adjektiv als Attribut vor einem Kompositum, dann bezieht es sich inhaltlich auf den letzten Bestandteil (auf das Zweitglied) oder auf das Kompositum insgesamt. Man kann also nicht zu einem Kompositum ein Adjektiv fügen, das inhaltlich lediglich zum ersten Bestandteil passt. Solche (häufig scherzhaft gebildeten) Fügungen wie kleines Kindergeschrei oder anorganischer Chemieprofessor sind also nicht korrekt, denn nicht das Geschrei ist klein, sondern es handelt sich um das Geschrei kleiner Kinder, und nicht der Professor ist anorganisch, sondern er lehrt anorganische Chemie. Kompositum (6).
3.
4 ein glitzernder goldener Ring / ein goldener glitzernder Ring
(Reihenfolge attributiver Adjektive)
Das Adjektivattribut, das einem Substantiv am engsten verbunden ist, steht ihm auch am nächsten. Besonders gilt das in sachlichen Beschreibungen für klassifizierende, verschiedene Arten oder Sorten unterscheidende Adjektive: ein glitzernder goldener Ring; herrliches weißes Mehl; buschige schwarze Haare.
Soll auf keine besondere Unterart, wie z. B. weißes Mehl, schwarze Haare, hingewiesen werden, sollen also nur Merkmale aufgezählt werden, von denen keines dem anderen untergeordnet ist, dann lässt sich die Reihenfolge auch vertauschen. Oder will man beispielsweise Haar nicht im Hinblick auf die Farbe, sondern im Hinblick auf den Wuchs betrachten und somit eine andere Unterart aufstellen, dann würde man von schwarzen buschigen Haaren sprechen, wobei schwarz nur eine weitere Kennzeichnung der buschigen Haare wäre.
Es ist aber falsch, die Adjektive dort zu vertauschen, wo sich das eine Adjektiv auf die Fügung aus Adjektivattribut und Substantiv bezieht. Wer z. B. sagen will, dass die alte Zeit gut war, kann nur von guter alter Zeit, aber nicht von alter guter Zeit sprechen.
3.
5 Fußball brutal · Sport total · Urlaubssonne satt
Das attributive Adjektiv steht in der Regel vor dem Substantiv und wird flektiert: eine milde Herbstsonne, verrostete Nägel, die kulturelle Entwicklung.
In der Sprache der Werbung und in Fachsprachen steht das unflektierte Adjektiv auch nach dem Substantiv: Krönung light; Henkell trocken; Whisky pur; Aal blau; 70 Nadelfeilen rund nach DIN 8342.
In der Umgangssprache findet sich dieser Gebrauch als ausdrucksverstärkendes Stilmittel: Das war Leben pur (Hörzu). Sport total im Fernsehen (Mannheimer Morgen). Über Fußball brutal reden alle (Hörzu).
3.
6 eine starke Raucherin / ein schlechter Esser
Eine Bezeichnung für eine Person, die eine bestimmte Tätigkeit ausführt (ein Nomen Agentis), kann das ursprünglich zum Verb gehörende Adjektiv als Attribut übernehmen: Lisa raucht stark. / Lisa ist eine starke Raucherin. Klaus isst schlecht. / Klaus ist ein schlechter Esser. Melanie schwimmt gut. / Melanie ist eine gute Schwimmerin. Die Einwanderer arbeiteten fleißig. / Die Einwanderer waren fleißige Arbeiter. Attribuierungen dieser Art, bei denen das Attribut nicht die Person, sondern ihr Verhalten kennzeichnet, sind durchaus korrekt.
4 Stilistik des Adjektivs
4.
1 fachliche Bildung / Fachbildung · weihnachtliche Musik / Weihnachtsmusik · väterliches Geschäft / Geschäft des Vaters
(das Adjektiv anstelle eines Erstglieds im Kompositum oder eines Genitivattributes)
Während auf der einen Seite in der Sprache die Tendenz zur Kürze und Knappheit, also eine gewisse Sprachökonomie, deutlich zu erkennen ist, ist auf der anderen Seite eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten. So kommt es, dass sich im Deutschen neben der Bildung von Substantivkomposita häufig die Verwendung von Adjektivattribut + Substantiv findet: berufliche Erfahrung statt Berufserfahrung, terminliche Schwierigkeiten statt Terminschwierigkeiten, weihnachtliche Musik statt Weihnachtsmusik.
In den meisten Fällen bestehen zwischen den beiden Ausdrucksweisen stilistische oder Bedeutungsunterschiede. Wer z. B. gewebliche Veränderung statt Gewebeveränderung oder terminliche Schwierigkeiten statt Terminschwierigkeiten sagt, lenkt die Aufmerksamkeit auf das Zweitglied (Grundwort) der Konstruktion: Veränderung oder Schwierigkeiten. Das Zweitglied ist betont. Im Gegensatz zum Kompositum stellt das Attribut dabei nur eine zusätzliche Charakterisierung dar. Kompositum und syntaktische Fügung weisen meist einen Bedeutungsunterschied auf, besonders wenn das Kompositum lexikalisiert ist: Eine winterliche Landschaft braucht keine Winterlandschaft zu sein, sie braucht nur den Anschein des Winterlichen (= wie im Winter) zu haben. Kompositum und syntaktische Fügung bringen feste Bedeutungsunterschiede zum Ausdruck: schulische Aufgaben sind Aufgaben, die der Schule, der Schulbehörde zukommen; Schulaufgaben sind Aufgaben, die die Schülerinnen und Schüler zu erledigen haben.
Oft wird das Adjektivattribut auch in ähnlicher Funktion wie ein Genitivattribut verwendet: das väterliche Geschäft statt das Geschäft des Vaters oder polizeiliche Anordnungen statt Anordnungen der Polizei. Nicht immer ist klar zu entscheiden, ob das adjektivische Attribut eher einem Kompositionsglied (erzieherische Fragen statt Erziehungsfragen) oder einem Genitivattribut ähnelt (erzieherische Fragen statt Fragen der Erziehung). Gelegentlich werden solche adjektivischen Attribute für ein Genitivattribut scherzhaft gebraucht: töchterliches Benehmen, brüderliches Fahrrad, schwesterliche Kekse.
4.
2 Stil: blutiger Ernst · hell begeistert
(klischeehafte Verbindungen von Adjektiv und Substantiv)
Bestimmte sehr häufig gebrauchte Verbindungen von Adjektiv und Substantiv werden bei stilkritischer Betrachtung oft als klischeehaft angesehen, so z. B. blutiger Ernst, dunkle Ahnung, brennende Frage, nachtwandlerische Sicherheit, bleibende Erinnerung, wohlverdiente Ruhe, wechselvolles Schicksal. Das Substantiv kann ohne Adjektiv in vielen Fällen durchaus wirkungsvoller sein. Entsprechendes gilt auch für die floskelhaften Verbindungen von Adjektiv und Adjektiv (Partizip), wie z. B. hell begeistert, diametral entgegengesetzt.
5 Verweise
Zu Fragen der Groß- oder Kleinschreibung von Adjektiven Groß- oder Kleinschreibung (1.2.1 und 1.2.2), substantiviertes Adjektiv (1). Zur Deklination bei Verwendung als Substantiv substantiviertes Adjektiv (2).
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